Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.ppe_172.001 Nun dächt' ich, müßt' ein groß Verfinstern sein ppe_172.007 ppe_172.009An Sonn' und Mond und die erschreckte Erde ppe_172.008 Sich auftun vor Entsetzen. [Annotation] Das ist so wenig ein wirkliches Unwetter als Schnock der Schreiner ppe_172.010 Das Unwetter kann aber auch ein symbolischer Zug sein, ppe_172.012 wenn es den seelischen Aufruhr zwar nicht verursacht, aber stimmunggebend ppe_172.013 begleitet wie in "König Lear" III, 2. Ein Motiv wird ppe_172.014 es indessen erst, wenn es in das Räderwerk der Handlungsverknüpfung ppe_172.015 eingreift wie in Schillers "Wilhelm Tell", wo die Natur des ppe_172.016 Schweizerlandes mehrfach zum Mitspieler wird. Es kann endlich eine ppe_172.017 Schicksalsstimme bedeuten wie der "donnernde deus ex machina" ppe_172.018 in der "Jungfrau von Orleans". Das ist dann schon beinahe ein ppe_172.019 Problem. Vom Motiv kann immer dann die Rede sein, wenn seelische ppe_172.020 Vorgänge ausgelöst werden, z. B. wenn Werther und Lotte ppe_172.021 nach dem Unwetter in dem einen Wort "Klopstock" den Einklang ppe_172.022 gegenseitigen empfindsamen Verstehens finden. Allerdings ist dies ppe_172.023 wieder ein sekundäres Motiv, denn es ist ein Stimmungsreflex der ppe_172.024 Ode "Frühlingsfeier", in der das Gewitter als Stimme Jehovas das ppe_172.025 eigentliche Hauptmotiv bildet. ppe_172.026 ppe_172.001 Nun dächt' ich, müßt' ein groß Verfinstern sein ppe_172.007 ppe_172.009An Sonn' und Mond und die erschreckte Erde ppe_172.008 Sich auftun vor Entsetzen. [Annotation] Das ist so wenig ein wirkliches Unwetter als Schnock der Schreiner ppe_172.010 Das Unwetter kann aber auch ein symbolischer Zug sein, ppe_172.012 wenn es den seelischen Aufruhr zwar nicht verursacht, aber stimmunggebend ppe_172.013 begleitet wie in „König Lear“ III, 2. Ein Motiv wird ppe_172.014 es indessen erst, wenn es in das Räderwerk der Handlungsverknüpfung ppe_172.015 eingreift wie in Schillers „Wilhelm Tell“, wo die Natur des ppe_172.016 Schweizerlandes mehrfach zum Mitspieler wird. Es kann endlich eine ppe_172.017 Schicksalsstimme bedeuten wie der „donnernde deus ex machina“ ppe_172.018 in der „Jungfrau von Orleans“. Das ist dann schon beinahe ein ppe_172.019 Problem. Vom Motiv kann immer dann die Rede sein, wenn seelische ppe_172.020 Vorgänge ausgelöst werden, z. B. wenn Werther und Lotte ppe_172.021 nach dem Unwetter in dem einen Wort „Klopstock“ den Einklang ppe_172.022 gegenseitigen empfindsamen Verstehens finden. Allerdings ist dies ppe_172.023 wieder ein sekundäres Motiv, denn es ist ein Stimmungsreflex der ppe_172.024 Ode „Frühlingsfeier“, in der das Gewitter als Stimme Jehovas das ppe_172.025 eigentliche Hauptmotiv bildet. ppe_172.026 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0196" n="172"/><lb n="ppe_172.001"/> elementare Ereignisse wie Unwetter stellte Brahm unter die Motive <lb n="ppe_172.002"/> und holte aus seinem Zettelkasten elf Belege heraus ohne Berücksichtigung <lb n="ppe_172.003"/> des ganz verschiedenartigen Sinnes. <anchor xml:id="ppe001"/> Das Unwetter kann <lb n="ppe_172.004"/> Inhalt einer rhetorischen Metapher sein und nur in dieser Form zur <lb n="ppe_172.005"/> Handlung gehören, wie in „Othello“ V, 2: <anchor xml:id="ppe002"/> <note targetEnd="#ppe002" type="metapher" ana="#m1-0-1-2 #m1-1-1 #m1-2-1-1 #m1-4-1-0 #m1-5-2-1" target="#ppe001"> Poetikentext exempl. gehört zum nachfolgenden Bsp. - alles zitiert nach Brahm (Werk?) </note> </p> <lb n="ppe_172.006"/> <lg> <l> <hi rendition="#aq"><anchor xml:id="ppe003"/> Nun dächt' ich, müßt' ein groß Verfinstern sein <lb n="ppe_172.007"/> An Sonn' und Mond und die erschreckte Erde <lb n="ppe_172.008"/> Sich auftun vor Entsetzen. <anchor xml:id="ppe004"/> <note targetEnd="#ppe004" type="metapher" ana="#m1-0-3-0 #m1-1-1 #m1-2-1-1 #m1-4-1-0 #m1-5-2-1" target="#ppe003"> impl. 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Ein Motiv wird <lb n="ppe_172.014"/> es indessen erst, wenn es in das Räderwerk der Handlungsverknüpfung <lb n="ppe_172.015"/> eingreift wie in Schillers „Wilhelm Tell“, wo die Natur des <lb n="ppe_172.016"/> Schweizerlandes mehrfach zum Mitspieler wird. Es kann endlich eine <lb n="ppe_172.017"/> Schicksalsstimme bedeuten wie der „donnernde deus ex machina“ <lb n="ppe_172.018"/> in der „Jungfrau von Orleans“. Das ist dann schon beinahe ein <lb n="ppe_172.019"/> Problem. Vom Motiv kann immer dann die Rede sein, wenn seelische <lb n="ppe_172.020"/> Vorgänge ausgelöst werden, z. B. wenn Werther und Lotte <lb n="ppe_172.021"/> nach dem Unwetter in dem einen Wort „Klopstock“ den Einklang <lb n="ppe_172.022"/> gegenseitigen empfindsamen Verstehens finden. 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Als ein Zug ist <lb n="ppe_172.034"/> dagegen der von Hermann Reich im antiken Mimus nachgewiesene <lb n="ppe_172.035"/> Mann mit dem Eselskopf aufzufassen; zum Motiv wird dieser Zug, <lb n="ppe_172.036"/> wenn ein Zauberer oder Gott den Menschen aus bestimmten Gründen <lb n="ppe_172.037"/> mit solchem Attribut begabt (König Midas). Zur Motivverkettung <lb n="ppe_172.038"/> kommt es, wenn eine in gleicher Weise bezauberte Frau den Eselsmenschen <lb n="ppe_172.039"/> liebestoll umwirbt (Apulejus „Goldener Esel“), und die <lb n="ppe_172.040"/> Verkettung erfährt eine kraftvolle Steigerung, wenn dieser perversen </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [172/0196]
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elementare Ereignisse wie Unwetter stellte Brahm unter die Motive ppe_172.002
und holte aus seinem Zettelkasten elf Belege heraus ohne Berücksichtigung ppe_172.003
des ganz verschiedenartigen Sinnes. Das Unwetter kann ppe_172.004
Inhalt einer rhetorischen Metapher sein und nur in dieser Form zur ppe_172.005
Handlung gehören, wie in „Othello“ V, 2: Poetikentext exempl. gehört zum nachfolgenden Bsp. - alles zitiert nach Brahm (Werk?)
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Nun dächt' ich, müßt' ein groß Verfinstern sein ppe_172.007
An Sonn' und Mond und die erschreckte Erde ppe_172.008
Sich auftun vor Entsetzen. impl. Autor (zitiert nach Brahm): William Shakespeare: Othello https://textgridrep.org/browse/-/browse/vn7q_0
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Das ist so wenig ein wirkliches Unwetter als Schnock der Schreiner ppe_172.010
ein wirklicher Löwe ist. Nennung der Figur als Werk annotiert - Werk: Sommernachtstraum Es ist ein Gleichnis für Othellos Seelenzustand. rend="bezieht sich auf obiges Zitat" ppe_172.011
Das Unwetter kann aber auch ein symbolischer Zug sein, ppe_172.012
wenn es den seelischen Aufruhr zwar nicht verursacht, aber stimmunggebend ppe_172.013
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eigentliche Hauptmotiv bildet.
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Die anscheinend zentrale Stellung des Motivs ergibt sich aus seinen ppe_172.027
vielfachen Bezügen. Wenn Bilder und Züge keimende Motive sein ppe_172.028
können, so können die Motive wiederum Probleme in sich tragen und ppe_172.029
zur Idee hinführen. Wir können also eine Stufenreihe aufstellen, die ppe_172.030
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nicht als Beleidigung weitere Folgen nach sich zieht. Als ein Zug ist ppe_172.034
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liebestoll umwirbt (Apulejus „Goldener Esel“), und die ppe_172.040
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