ppe_248.001 in die Werkstatt des Dichters durch seine Selbstbekenntnisse ermöglicht, ppe_248.002 kann kein wesentliches Element, das bei der Analyse gefunden ppe_248.003 war, entgehen. Analyse und Genesis kontrollieren sich also gegenseitig, ppe_248.004 denn sie gehen denselben Weg in entgegengesetzter Richtung, ppe_248.005 indem die eine vom Werk aus den Dichter sucht, die andere vom ppe_248.006 Dichter aus das Werk aufbaut. Früher einmal habe ich ihr Zusammengehen ppe_248.007 dem Bau eines Tunnels verglichen, der von beiden Seiten aus ppe_248.008 in Angriff genommen wird. Die Berechnung erweist sich als richtig, ppe_248.009 wenn die Bohrungen in der Mitte zusammentreffen; die Durchschlagstelle ppe_248.010 ist der Prüfstein der Methode. Dabei ist mit allen Widerständen ppe_248.011 zu rechnen, die ein zu sprödes oder zu brüchiges Material bietet. ppe_248.012 Voraussetzung der richtigen Errechnung muß auf beiden Seiten Kenntnis ppe_248.013 der geologischen Schichten sein und Feststellung der Struktur. Auf ppe_248.014 seiten des Werkes haben wir diese Beschaffenheit durch die Analyse ppe_248.015 kennengelernt; auf seiten des Dichters stehen wir vor Geheimnissen. ppe_248.016 Was weiterhelfen kann, ist erstens die Vertrautheit mit dem Menschen, ppe_248.017 seiner Wesensbeschaffenheit, seinem äußeren und inneren ppe_248.018 Leben und seiner typischen oder individuellen Schaffensweise, zweitens ppe_248.019 die Vertrautheit mit den Gesetzen des dichterischen Schaffens ppe_248.020 als generellem Vorgang. Diese Bedingungen weisen die Genesis des ppe_248.021 Dichtwerkes den Betrachtungen des zweiten Buches zu.
ppe_248.022 Daneben aber gibt es eine Reihe weiterer synthetischer Verwertungen ppe_248.023 der in der Analyse gewonnenen Elemente. Jedes kann zusammengetan ppe_248.024 werden mit seinesgleichen in kategorienmäßiger Gruppierung. Die ppe_248.025 Stoffe, Situationen, Fabeln, Charaktere, Motive und Probleme sind ppe_248.026 typologisch zu ordnen; die Formen der Gattung, der Technik, der ppe_248.027 Psychologie, der Sprache und des Stils können auf ihre Entwicklung ppe_248.028 hin untersucht werden. Da jeder Teil auf das Ganze schließen läßt, ppe_248.029 und da das Verhältnis sich aufrechterhält bei Ausdehnung auf das ppe_248.030 Gesamtwerk eines Dichters, eines Zeitalters, einer Landschaft und ppe_248.031 eines Volkes, so kann man aus dem Querschnitt zu einer Charakteristik ppe_248.032 des Ganzen gelangen. Nur wird diese um so dünner und oberflächlicher ppe_248.033 sein, je weiter das gruppenmäßig zusammengefaßte Element ppe_248.034 von der geistigen Spitze entfernt bleibt. Die sogenannte Stoffgeschichte ppe_248.035 kann so gut wie nichts für die Wesensart des Ganzen erbringen, es sei ppe_248.036 denn, daß sie die verschiedenartige Behandlung desselben Themas ppe_248.037 psychologisch, stilistisch und völkerpsychologisch auswertet; auch die ppe_248.038 Betrachtung einzelner Formen, z. B. des deutschen Hexameters, des ppe_248.039 deutschen Madrigals, des deutschen Sonetts oder des deutschen ppe_248.040 Ghasels im Vergleich mit antikem, orientalischem oder romanischem ppe_248.041 Versbau kann sowohl zu entwicklungsgeschichtlichen als zu charakterologischen
ppe_248.001 in die Werkstatt des Dichters durch seine Selbstbekenntnisse ermöglicht, ppe_248.002 kann kein wesentliches Element, das bei der Analyse gefunden ppe_248.003 war, entgehen. Analyse und Genesis kontrollieren sich also gegenseitig, ppe_248.004 denn sie gehen denselben Weg in entgegengesetzter Richtung, ppe_248.005 indem die eine vom Werk aus den Dichter sucht, die andere vom ppe_248.006 Dichter aus das Werk aufbaut. Früher einmal habe ich ihr Zusammengehen ppe_248.007 dem Bau eines Tunnels verglichen, der von beiden Seiten aus ppe_248.008 in Angriff genommen wird. Die Berechnung erweist sich als richtig, ppe_248.009 wenn die Bohrungen in der Mitte zusammentreffen; die Durchschlagstelle ppe_248.010 ist der Prüfstein der Methode. Dabei ist mit allen Widerständen ppe_248.011 zu rechnen, die ein zu sprödes oder zu brüchiges Material bietet. ppe_248.012 Voraussetzung der richtigen Errechnung muß auf beiden Seiten Kenntnis ppe_248.013 der geologischen Schichten sein und Feststellung der Struktur. Auf ppe_248.014 seiten des Werkes haben wir diese Beschaffenheit durch die Analyse ppe_248.015 kennengelernt; auf seiten des Dichters stehen wir vor Geheimnissen. ppe_248.016 Was weiterhelfen kann, ist erstens die Vertrautheit mit dem Menschen, ppe_248.017 seiner Wesensbeschaffenheit, seinem äußeren und inneren ppe_248.018 Leben und seiner typischen oder individuellen Schaffensweise, zweitens ppe_248.019 die Vertrautheit mit den Gesetzen des dichterischen Schaffens ppe_248.020 als generellem Vorgang. Diese Bedingungen weisen die Genesis des ppe_248.021 Dichtwerkes den Betrachtungen des zweiten Buches zu.
ppe_248.022 Daneben aber gibt es eine Reihe weiterer synthetischer Verwertungen ppe_248.023 der in der Analyse gewonnenen Elemente. Jedes kann zusammengetan ppe_248.024 werden mit seinesgleichen in kategorienmäßiger Gruppierung. Die ppe_248.025 Stoffe, Situationen, Fabeln, Charaktere, Motive und Probleme sind ppe_248.026 typologisch zu ordnen; die Formen der Gattung, der Technik, der ppe_248.027 Psychologie, der Sprache und des Stils können auf ihre Entwicklung ppe_248.028 hin untersucht werden. Da jeder Teil auf das Ganze schließen läßt, ppe_248.029 und da das Verhältnis sich aufrechterhält bei Ausdehnung auf das ppe_248.030 Gesamtwerk eines Dichters, eines Zeitalters, einer Landschaft und ppe_248.031 eines Volkes, so kann man aus dem Querschnitt zu einer Charakteristik ppe_248.032 des Ganzen gelangen. Nur wird diese um so dünner und oberflächlicher ppe_248.033 sein, je weiter das gruppenmäßig zusammengefaßte Element ppe_248.034 von der geistigen Spitze entfernt bleibt. Die sogenannte Stoffgeschichte ppe_248.035 kann so gut wie nichts für die Wesensart des Ganzen erbringen, es sei ppe_248.036 denn, daß sie die verschiedenartige Behandlung desselben Themas ppe_248.037 psychologisch, stilistisch und völkerpsychologisch auswertet; auch die ppe_248.038 Betrachtung einzelner Formen, z. B. des deutschen Hexameters, des ppe_248.039 deutschen Madrigals, des deutschen Sonetts oder des deutschen ppe_248.040 Ghasels im Vergleich mit antikem, orientalischem oder romanischem ppe_248.041 Versbau kann sowohl zu entwicklungsgeschichtlichen als zu charakterologischen
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/272>, abgerufen am 22.11.2024.
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