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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Dilthey schön gezeigt hat, die weichen Linien der lieblichen Hügellandschaft, ppe_326.002
die ein Gefühl der Geborgenheit, des sich Anschmiegens ppe_326.003
und doch Sich-Fortsehnens vermitteln, frühe Begleitmusik; Hölderlins ppe_326.004
Griechentraum hat später dem niegesehenen Sehnsuchtsland manche ppe_326.005
Farben seiner ersten Kindheitseindrücke verliehen, sowie seine Kindheitserinnerungen ppe_326.006
griechische Form annahmen. Jean Paul wiederum ppe_326.007
hat weniger die Landschaft als das wärmere Verhältnis zu den Menschen ppe_326.008
im Auge, wenn er die Enge der Heimat bevorzugt: "Lasse sich ppe_326.009
doch kein Dichter in einer Hauptstadt gebären und erziehen, sondern ppe_326.010
wo möglich in einem Dorfe, höchstens in einem Städtchen."

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Mit der Eindrucksfähigkeit des Dichters und mit seiner tiefen ppe_326.012
Empfänglichkeit für Sinneseindrücke steht die Klarheit der haftenden ppe_326.013
Erinnerungsbilder im Zusammenhang und die Stärke des Gedächtnisses, ppe_326.014
das weiter als bei anderen Sterblichen zurückreicht. Rudolf G. Binding ppe_326.015
sah als früheste Erinnerung den Garten vor sich, in den er, noch ppe_326.016
ehe er gehen oder sprechen konnte, hinausgetragen wurde; Spitteler ppe_326.017
wollte das Bild der goldnen Türme von Solothurn als Erinnerung aus ppe_326.018
dem dritten Lebensjahr in sich tragen; der finnische Dichter Koskenniemi ppe_326.019
weiß, daß er in Gesellschaft seines Vaters, den er bald danach ppe_326.020
verlor, an der Grenze des ersten und zweiten Lebensjahres zum ersten ppe_326.021
Male das Meer erlebt hat, und dieses Erlebnis rechnet er als seinen ppe_326.022
eigentlichen Geburtstag. Victor Hugo hat seine Kindheitserlebnisse ppe_326.023
noch in spätester Dichtung verwendet, und Balzac erklärte, er habe ppe_326.024
von Kindesbeinen an Erinnerungsbilder umrissen und fertig wie Wirklichkeit ppe_326.025
vor sich gesehen. Wir werden auf diese als "eidetisch" bezeichnete ppe_326.026
Anlage zur Hervorbringung innerer Vorstellungsbilder im ppe_326.027
zweiten Hauptteil zurückkommen; hier sei nur bemerkt, daß nach den ppe_326.028
Untersuchungen von Jaensch diese Gabe namentlich den Kindern verliehen ppe_326.029
ist, während sie bei Erwachsenen sich verliert. Weil aber der ppe_326.030
Dichter in Empfänglichkeit und innerer Vorstellungskraft Kind bleibt, ppe_326.031
sind gerade die frühesten Eindrücke von dauernder Bedeutung.

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Wichtig wird die Heimatlandschaft nicht nur durch das Naturbild, ppe_326.033
durch Klima, Luft, Licht, Farben und Linien, sondern auch durch ppe_326.034
ihre geschichtlichen Beziehungen. Es ist möglich, daß bei dem Knaben ppe_326.035
Grimmelshausen, so wenig Bildung er genoß, schon in der alten Reichsstadt ppe_326.036
Gelnhausen angesichts der Kaiserpfalz Barbarossas ein Sinn für ppe_326.037
Vergangenheit und geschichtliches Leben erwachte, dem er später in ppe_326.038
historischen Romanen und als Kalenderschriftsteller nachging. Der ppe_326.039
Phantasie des Knaben Herder haben sich die Trümmer der alten ppe_326.040
Deutschordensburg über seiner Vaterstadt Mohrungen eingeprägt, und ppe_326.041
die Heimatlandschaft blieb noch in späteren Jahren die immer wiederkehrende

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Dilthey schön gezeigt hat, die weichen Linien der lieblichen Hügellandschaft, ppe_326.002
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Mit der Eindrucksfähigkeit des Dichters und mit seiner tiefen ppe_326.012
Empfänglichkeit für Sinneseindrücke steht die Klarheit der haftenden ppe_326.013
Erinnerungsbilder im Zusammenhang und die Stärke des Gedächtnisses, ppe_326.014
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Wichtig wird die Heimatlandschaft nicht nur durch das Naturbild, ppe_326.033
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/350>, abgerufen am 22.11.2024.