ppe_327.001 Szenerie seiner Träume. Auf Klopstock hinterließ die Vaterstadt ppe_327.002 als Stammsitz sächsischer Königsmacht weit nachhaltigeren Eindruck, ppe_327.003 als der Humanismus Schulpfortas, der ihn für seine erste Bildungsepoche ppe_327.004 zum "Lehrling der Griechen" stempelte. Es ist bezeichnend, ppe_327.005 daß er später den Schauplatz der Varus-Schlacht in der Nähe ppe_327.006 Quedlinburgs suchte und daß er seinen Bardiet "Hermannsschlacht" ppe_327.007 an Ort und Stelle zwischen den Felsen des Bodetals sich gespielt ppe_327.008 dachte. Wilhelm Raabe wiederum hat geglaubt, daß bei Stadtoldendorf, ppe_327.009 wo er seine Schulzeit verbrachte, in den Waldhöhen des Ith der ppe_327.010 "Campus Idistavisus" des Tacitus zu finden sei, und das nahegelegene ppe_327.011 Odfeld, in dem er ein "Odinsfeld" sah, hat er als Schicksalslandschaft ppe_327.012 nicht nur zum Schauplatz, sondern geradezu zum Helden einer seiner ppe_327.013 großen historischen Erzählungen gemacht.
ppe_327.014 Die altehrwürdige Herzogsstadt Heinrichs des Löwen, die Raabe ppe_327.015 sich später als Alterssitz aussuchte, konnte wiederum die beiden ppe_327.016 Frauen unserer Zeit, die im Geschichtsroman ihr Stärkstes geleistet ppe_327.017 haben, schon mit den ersten Kindheitseindrücken auf geschichtliche ppe_327.018 Weltbetrachtung lenken: Ricarda Huch und Ina Seidel. Die zweite ppe_327.019 hat bekannt, daß das Deutschland der alten Kaiser und Herzöge, der ppe_327.020 grauen Burgen und Dome, der großen Ströme und Waldgebirge, der ppe_327.021 bunten Bauern- und Bürgerkultur und jener immer noch spürbaren ppe_327.022 Tradition der Verbundenheit mit dem heiligen römischen Reich ihr ppe_327.023 ebenso wirklich wie unwirklich war: "Ich lebte in ihm und aus ihm ppe_327.024 wie ein Baum aus seinem Erdreich, der auch nicht weiß, welche Kräfte ppe_327.025 sein Wachstum speisen."
ppe_327.026 Von Walter Scott aber, dem Neubegründer des historischen Romans, ppe_327.027 hören wir, daß er schon als Kind in den Schlössern seiner Heimat ppe_327.028 zwischen alten Tapeten und Ahnenporträts wundersame Nerveneindrücke ppe_327.029 hatte. "Die Vorstellung von mittelalterlichen Gewaltwesen und ppe_327.030 Aberglauben erfüllte ihn mit einer Furcht, die etwas Ansteckendes ppe_327.031 hatte."
ppe_327.032 Wo Denken und Dichten in der Gestaltung geschichtlicher Stoffe ppe_327.033 ihr Feld finden, pflegt der Keim schon in frühen Kindheitserlebnissen ppe_327.034 zu liegen. Wenn ererbter geschichtlicher Sinn, wie z. B. bei Theodor ppe_327.035 Fontane, außerdem durch den Vater lebendige Förderung erfährt, so ppe_327.036 gehen wir von Anlage und Umweltanpassung bereits zu den Bildungseinflüssen ppe_327.037 weiter. Dazwischen liegt, was an Mythen, Sagen, Märchen ppe_327.038 und Liedern der Heimat mit der Landschaft verbunden ist und zugetragen, ppe_327.039 zugeraunt und zugesungen wird. Die gruseligen Geschichten, ppe_327.040 die der kleine Grillparzer von Mägden erzählt bekam, die schreckerregende ppe_327.041 Ballade von der "Großmutter Schlangenköchin", die die
ppe_327.001 Szenerie seiner Träume. Auf Klopstock hinterließ die Vaterstadt ppe_327.002 als Stammsitz sächsischer Königsmacht weit nachhaltigeren Eindruck, ppe_327.003 als der Humanismus Schulpfortas, der ihn für seine erste Bildungsepoche ppe_327.004 zum „Lehrling der Griechen“ stempelte. Es ist bezeichnend, ppe_327.005 daß er später den Schauplatz der Varus-Schlacht in der Nähe ppe_327.006 Quedlinburgs suchte und daß er seinen Bardiet „Hermannsschlacht“ ppe_327.007 an Ort und Stelle zwischen den Felsen des Bodetals sich gespielt ppe_327.008 dachte. Wilhelm Raabe wiederum hat geglaubt, daß bei Stadtoldendorf, ppe_327.009 wo er seine Schulzeit verbrachte, in den Waldhöhen des Ith der ppe_327.010 „Campus Idistavisus“ des Tacitus zu finden sei, und das nahegelegene ppe_327.011 Odfeld, in dem er ein „Odinsfeld“ sah, hat er als Schicksalslandschaft ppe_327.012 nicht nur zum Schauplatz, sondern geradezu zum Helden einer seiner ppe_327.013 großen historischen Erzählungen gemacht.
ppe_327.014 Die altehrwürdige Herzogsstadt Heinrichs des Löwen, die Raabe ppe_327.015 sich später als Alterssitz aussuchte, konnte wiederum die beiden ppe_327.016 Frauen unserer Zeit, die im Geschichtsroman ihr Stärkstes geleistet ppe_327.017 haben, schon mit den ersten Kindheitseindrücken auf geschichtliche ppe_327.018 Weltbetrachtung lenken: Ricarda Huch und Ina Seidel. Die zweite ppe_327.019 hat bekannt, daß das Deutschland der alten Kaiser und Herzöge, der ppe_327.020 grauen Burgen und Dome, der großen Ströme und Waldgebirge, der ppe_327.021 bunten Bauern- und Bürgerkultur und jener immer noch spürbaren ppe_327.022 Tradition der Verbundenheit mit dem heiligen römischen Reich ihr ppe_327.023 ebenso wirklich wie unwirklich war: „Ich lebte in ihm und aus ihm ppe_327.024 wie ein Baum aus seinem Erdreich, der auch nicht weiß, welche Kräfte ppe_327.025 sein Wachstum speisen.“
ppe_327.026 Von Walter Scott aber, dem Neubegründer des historischen Romans, ppe_327.027 hören wir, daß er schon als Kind in den Schlössern seiner Heimat ppe_327.028 zwischen alten Tapeten und Ahnenporträts wundersame Nerveneindrücke ppe_327.029 hatte. „Die Vorstellung von mittelalterlichen Gewaltwesen und ppe_327.030 Aberglauben erfüllte ihn mit einer Furcht, die etwas Ansteckendes ppe_327.031 hatte.“
ppe_327.032 Wo Denken und Dichten in der Gestaltung geschichtlicher Stoffe ppe_327.033 ihr Feld finden, pflegt der Keim schon in frühen Kindheitserlebnissen ppe_327.034 zu liegen. Wenn ererbter geschichtlicher Sinn, wie z. B. bei Theodor ppe_327.035 Fontane, außerdem durch den Vater lebendige Förderung erfährt, so ppe_327.036 gehen wir von Anlage und Umweltanpassung bereits zu den Bildungseinflüssen ppe_327.037 weiter. Dazwischen liegt, was an Mythen, Sagen, Märchen ppe_327.038 und Liedern der Heimat mit der Landschaft verbunden ist und zugetragen, ppe_327.039 zugeraunt und zugesungen wird. Die gruseligen Geschichten, ppe_327.040 die der kleine Grillparzer von Mägden erzählt bekam, die schreckerregende ppe_327.041 Ballade von der „Großmutter Schlangenköchin“, die die
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/351>, abgerufen am 22.11.2024.
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