ppe_329.001 ist Klopstocks Valediktion in Schulpforta, die den werdenden ppe_329.002 Messias-Dichter mit erstaunlicher Zielbewußtheit in die Zukunft ppe_329.003 blicken läßt, gegen jeden Einwand gesichert. Goethes "Labores juveniles" ppe_329.004 reizen in der Handschrift des Knaben zur graphologischen Untersuchung, ppe_329.005 ob in den Ergebnissen des Schönschreibunterrichts bereits ppe_329.006 selbständige Charakterzüge zu finden sind. Ebenso stellt der Inhalt vor ppe_329.007 die Frage, ob es sich um Diktat handelt, oder ob eine muntere Erfindungsgabe ppe_329.008 sich frei betätigte.
ppe_329.009 Aus der Stuttgarter Militärakademie sind viele Schulreden überliefert, ppe_329.010 in denen die Zöglinge vom Herzog gestellte Themen zu behandeln ppe_329.011 hatten. Nur wo es protokollarisch feststeht, daß Schiller der Redner ppe_329.012 war, darf ihm der Text zugeschrieben werden. Alle diese oratorischen ppe_329.013 Übungen sind uniformiert und tragen des Herzogs Rock; sucht man ppe_329.014 das Schillersche darin, so wird man das gestaute Pathos der Auflehnung ppe_329.015 eher aus dem, was nicht gesagt wird, heraushören. Der Psychiater ppe_329.016 Kretschmer spricht von biologischen Entwicklungshemmungen ppe_329.017 des Pubertätsablaufes, die den üblichen Protest gegen die Autorität, ppe_329.018 der sonst nur eine kurze Durchgangsphase bildet, bei Schiller fortdauern ppe_329.019 lassen als Leitmotiv seines ganzen Schaffens und persönlichen ppe_329.020 Empfindens bis zum ethischen Freiheitsidealismus der Reifezeit. Wenn ppe_329.021 diese Diagnose richtig ist, so wäre das ganze Leben und Dichten eine ppe_329.022 fortgesetzte Selbstbefreiung von dem in jungen Jahren erlittenen Zwang ppe_329.023 gewesen.
ppe_329.024 Belege des positiven Wertes der Karlsschulbildung sind dagegen ppe_329.025 in nachgeschriebenen Kollegheften erhalten, die zeigen, in welchem ppe_329.026 Maße der Hochschulcharakter der Anstalt bereits für Schillers spätere ppe_329.027 historische und ästhetische Schriftstellerei den Grund legte. Ein Vergleich ppe_329.028 mit den eigenen Veröffentlichungen der nicht unbedeutenden ppe_329.029 Lehrkräfte läßt erkennen, daß der Jenaer Professor noch für kleine ppe_329.030 historische Aufsätze seiner "Neuen Thalia" die Vorlesungen seines ppe_329.031 Lehrers Nast nutzte, während der als engelgleicher Mann verehrte ppe_329.032 Professor Abel ihm ein Fundament ästhetischer Anschauungen vermittelt ppe_329.033 hat, das englische und schottische Grundsätze eklektisch zusammenzog ppe_329.034 und das er noch beim Übergang zur Kantschen Ästhetik ppe_329.035 brauchen konnte. Die neueste Schiller-Biographie von Reinhard Buchwald ppe_329.036 tat recht daran, die Mittlertätigkeit dieses Lehrers auf Grund ppe_329.037 seiner eigenen Schriften in neues Licht zu setzen, während die Nachlese, ppe_329.038 die aus Karlsschulakten noch zu den persönlichen Verhältnissen ppe_329.039 des Eleven Schiller beigebracht werden konnten, das Bild der Anstalt ppe_329.040 und ihres Einflusses nicht mehr wesentlich verändert.
ppe_329.041 Die Gemeinschaftserziehung im Internat, gleichviel ob sie militärisch,
ppe_329.001 ist Klopstocks Valediktion in Schulpforta, die den werdenden ppe_329.002 Messias-Dichter mit erstaunlicher Zielbewußtheit in die Zukunft ppe_329.003 blicken läßt, gegen jeden Einwand gesichert. Goethes „Labores juveniles“ ppe_329.004 reizen in der Handschrift des Knaben zur graphologischen Untersuchung, ppe_329.005 ob in den Ergebnissen des Schönschreibunterrichts bereits ppe_329.006 selbständige Charakterzüge zu finden sind. Ebenso stellt der Inhalt vor ppe_329.007 die Frage, ob es sich um Diktat handelt, oder ob eine muntere Erfindungsgabe ppe_329.008 sich frei betätigte.
ppe_329.009 Aus der Stuttgarter Militärakademie sind viele Schulreden überliefert, ppe_329.010 in denen die Zöglinge vom Herzog gestellte Themen zu behandeln ppe_329.011 hatten. Nur wo es protokollarisch feststeht, daß Schiller der Redner ppe_329.012 war, darf ihm der Text zugeschrieben werden. Alle diese oratorischen ppe_329.013 Übungen sind uniformiert und tragen des Herzogs Rock; sucht man ppe_329.014 das Schillersche darin, so wird man das gestaute Pathos der Auflehnung ppe_329.015 eher aus dem, was nicht gesagt wird, heraushören. Der Psychiater ppe_329.016 Kretschmer spricht von biologischen Entwicklungshemmungen ppe_329.017 des Pubertätsablaufes, die den üblichen Protest gegen die Autorität, ppe_329.018 der sonst nur eine kurze Durchgangsphase bildet, bei Schiller fortdauern ppe_329.019 lassen als Leitmotiv seines ganzen Schaffens und persönlichen ppe_329.020 Empfindens bis zum ethischen Freiheitsidealismus der Reifezeit. Wenn ppe_329.021 diese Diagnose richtig ist, so wäre das ganze Leben und Dichten eine ppe_329.022 fortgesetzte Selbstbefreiung von dem in jungen Jahren erlittenen Zwang ppe_329.023 gewesen.
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/353>, abgerufen am 22.11.2024.
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