ppe_388.001 etwas Eignes hineingelesen. Wenn auch ihre Ergebnisse nicht so weit ppe_388.002 auseinandergehen, wie die oben (S. 46) erwähnten vier verschiedenen ppe_388.003 Kleistbilder, so scheint doch kaum ein sicherer Weg des Ausgleichs ppe_388.004 zu bestehen, wie ihn Gerhard Frickes Kritik der Gegensätze ppe_388.005 schließlich für Heinrich v. Kleist eingeschlagen hat.
ppe_388.006 Allerdings liegen die Probleme des Kleistschen Weltbildes wesentlich ppe_388.007 anders. Der Introvertierte schrieb 1807 an die Frau seines Vetters: ppe_388.008 "Sie haben mich immer in der Zurückgezogenheit meiner ppe_388.009 Lebensart für isoliert von der Welt gehalten und doch ist vielleicht ppe_388.010 niemand inniger damit verbunden als ich." Gefühl und Schicksal ppe_388.011 wurden durch Gerhard Fricke als die zwei Brennpunkte des Kleistschen ppe_388.012 Weltbildes erfaßt, das im Erlebnis der heiligen und unbedingten ppe_388.013 Wirklichkeit des Ich seinen Existenzgrund findet. Damit ist die ppe_388.014 weiteste Spannung zwischen Irrationalismus und Wirklichkeitssinn ppe_388.015 bezeichnet. Sie schließt sich aber nicht erst zu einem theoretischen ppe_388.016 System zusammen, sondern selbst da, wo Ansätze zu einem solchen ppe_388.017 sich finden, wie in dem Aufsatz "Über das Marionettentheater", ist ppe_388.018 sie auf die Verkörperung eigener Seelenlage in menschlichen Charakteren ppe_388.019 und Situationen gerichtet; schon das Erlebnis zielt über das ppe_388.020 Weltbild hinaus auf dramatische Auseinandersetzung und auf die ppe_388.021 Phantasiekraft dichterischer Gestaltung.
ppe_388.022
4. Phantasie, Traum-und Gefühlsleben
ppe_388.023
a) Phantasie
ppe_388.024 Wenn Wilhelm Dilthey in der Phantasie, die das Erlebnis nachbildet, ppe_388.025 das eigenste Gebiet des Dichters und den Mittelpunkt der ppe_388.026 Literaturgeschichte erblickte, so stellte er sich in offenen Widerspruch ppe_388.027 zu jener Psychologie, der es genügte, das Wesen der Einbildungskraft ppe_388.028 unabhängig von ihrer künstlerischen Funktion zu ergründen. ppe_388.029 Die Experimentalpsychologie ging dabei von festen Vorstellungen ppe_388.030 aus, in deren Veränderung durch Assoziation, Verschmelzung ppe_388.031 und Apperzeption ein klarer Mechanismus zu spielen schien.
ppe_388.032 War die Phantasie in der spekulativen Ästhetik eines Fr. Th. ppe_388.033 Vischer metaphysisch als die "subjektive Existenz des Schönen" gedeutet ppe_388.034 worden, so ist sie umgekehrt in einem psychologischen Lehrbuch ppe_388.035 wie dem "Grundriß" von Oswald Külpe nur als "neue Anordnung ppe_388.036 und Verbindung der nämlichen Bewußtseinselemente, die bereits ppe_388.037 in der sinnlichen Wahrnehmung enthalten waren", also als eine ppe_388.038 Art Umgruppierung des Gedächtnisses erklärt. Ähnlich hatte Wilh.
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ppe_388.032 War die Phantasie in der spekulativen Ästhetik eines Fr. Th. ppe_388.033 Vischer metaphysisch als die „subjektive Existenz des Schönen“ gedeutet ppe_388.034 worden, so ist sie umgekehrt in einem psychologischen Lehrbuch ppe_388.035 wie dem „Grundriß“ von Oswald Külpe nur als „neue Anordnung ppe_388.036 und Verbindung der nämlichen Bewußtseinselemente, die bereits ppe_388.037 in der sinnlichen Wahrnehmung enthalten waren“, also als eine ppe_388.038 Art Umgruppierung des Gedächtnisses erklärt. Ähnlich hatte Wilh.
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/412>, abgerufen am 22.11.2024.
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