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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Nietzsche selbst wurde auf diese Weise bei einem Spaziergang in ppe_414.002
Rapallo von seinem Zarathustra überfallen.

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Solche schöpferische Inspiration kann vor allem dem Musiker zuteil ppe_414.004
werden, wie in Hans Pfitzners "Palestrina" wundervoll dargestellt ppe_414.005
ist. Der Himmel öffnet sich, die Engel steigen herab, kosmische ppe_414.006
Sphärenharmonien ertönen, und am Morgen ist die große Messe ppe_414.007
fertig. So entstand Mozarts Don-Juan-Ouvertüre in einer Nacht; so ppe_414.008
fand Händel als Traumeingebung den Schluß des "Messias", und als ppe_414.009
Haydn die Töne vernahm, durch die er das Werden des Lichtes in ppe_414.010
der "Schöpfung" dargestellt hatte, rief er mit ausgebreiteten Armen: ppe_414.011
"Das kommt nicht von mir, das kommt von oben."

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Einen heiligen Moment dieser Art erlebte Klopstock, nachdem er ppe_414.013
den letzten Gesang seines "Messias" an den Verleger gesandt hatte. ppe_414.014
Seine Frau erzählte, wie sie ihn mit ungewöhnlichem Ernst, die Hände ppe_414.015
auf dem Rücken, im Zimmer stehen sah. Plötzlich stürzten ihm Tränen ppe_414.016
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war sein Dank aus dem Herzen hingeströmt in der Ode "An den ppe_414.018
Erlöser":

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Beginn den ersten Harfenlaut, ppe_414.020
Heißer, geflügelter, ewiger Dank! ppe_414.021
Beginn, beginn, mir strömt das Herz! ppe_414.022
Und ich weine vor Wonne!

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Auch Goethe gibt eine dichterische Selbstdarstellung solcher plötzlichen ppe_414.024
Inspiration in den schon oben (S. 75) zitierten ersten Versen ppe_414.025
des "Ewigen Juden". In diesem Fall ist es bei dem ersten Anlauf ppe_414.026
geblieben, und die Stimmung zur Fortsetzung hat sich verloren. Nach ppe_414.027
langer Pause kann eine neue Eingebung folgen, die aber anderer Art ppe_414.028
ist. So berichtete z. B. Graf Leopardi, daß er bei Eintreten der Inspiration ppe_414.029
Grundzüge und Einteilung des ganzen Gegenstandes in zwei ppe_414.030
Minuten niederlegen könne, daß er dann aber auf einen anderen ppe_414.031
glücklichen Augenblick warten müsse, der gewöhnlich erst nach ppe_414.032
Monaten sich einstelle: "Dann fange ich an zu entwickeln, aber so ppe_414.033
langsam, daß ich auch ein kurzes Gedicht kaum eher als in zwei bis ppe_414.034
drei Monaten erledigt habe. Dies ist meine Arbeitsweise. Wenn die ppe_414.035
Inspiration nicht da ist, könnte leichter Wasser aus einem trockenen ppe_414.036
Holzklotz herauskommen als ein einziger Vers aus meinem Kopfe."

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Die Inspiration der Ausarbeitung ist eine andere als die der Konzeption. ppe_414.038
Namentlich Schriftstellerinnen, z. B. Harriet Beecher-Stowe, ppe_414.039
George Elliot, George Sand, Clara Blüthgen haben bekannt, daß sie ppe_414.040
während des Schreibens das Bewußtsein hätten, ein fremdes Wesen ppe_414.041
habe von ihnen Besitz genommen und führe ihnen die Feder. Von

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Nietzsche selbst wurde auf diese Weise bei einem Spaziergang in ppe_414.002
Rapallo von seinem Zarathustra überfallen.

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Auch Goethe gibt eine dichterische Selbstdarstellung solcher plötzlichen ppe_414.024
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/438>, abgerufen am 22.11.2024.