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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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in sich aufnimmt und das seinem Dasein Gewicht, seiner Haltung ppe_443.002
Gleichgewicht gibt. Was er als tiefen Zusammenhang des Geschehens ppe_443.003
erkennt, wird seine Schicksalsdeutung. Was er als Sinn in die Dinge ppe_443.004
hineinschaut, ist für ihn Gesetz, selbsterrungene Ethik, Richtschnur ppe_443.005
und Schwerpunkt seines Daseins.

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Dem "Freund der Götter" aber, dessen Blick nach oben gerichtet ppe_443.007
ist, winkt Erlösung von drückender Lebenslast und Erhöhung des ppe_443.008
Daseins durch die Dichtung. Dem in Qual Verstummenden gibt ein ppe_443.009
Gott, zu sagen, was er leidet. Des Erdenlebens schweres Traumbild ppe_443.010
sinkt und sinkt, wenn Herakles die Angst des Irdischen von sich ppe_443.011
wirft und zur Göttlichkeit aufsteigt, wenn Ganymed, der Götterliebling, ppe_443.012
emporgetragen wird in die Arme des alliebenden Vaters, ppe_443.013
wenn der Florentiner verzückt aufschaut in das Licht des Empyreums, ppe_443.014
wenn Faust die entgegenkommende himmlische Gnade und ewige ppe_443.015
Liebe erfährt, oder wenn der andächtige Beter des "Stundenbuches" ppe_443.016
um Gott kreist -- zahllos sind die Sinnbilder für Gottsuchertum und ppe_443.017
Gottbegegnung, die der Existenz des Dichters ihren religiösen ppe_443.018
Inhalt verleihen und Erfüllung finden in seinem Glauben.

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Der "Freund der Menschen" aber gelangt zu jener in "Wilhelm ppe_443.020
Meisters Wanderjahren" verkündeten Ehrfurcht vor denen, die uns ppe_443.021
gleich sind; "Nun steht er stark und kühn, nicht etwa selbstisch vereinzelt; ppe_443.022
nur in der Verbindung mit seinesgleichen macht er Fronte ppe_443.023
gegen die Welt." Sein Umblick wendet sich zu denen, die in Schicksalsgemeinschaft ppe_443.024
sich an seine Seite heften und hinter ihm stehen. ppe_443.025
Er ist ihr aller Vorsprecher, als führende Stimme des Chores, als der ppe_443.026
Vorfühlende der Gemeinschaft und ihres Empfindens. So lebt er im ppe_443.027
kosmischen Sinn allein in der Wahrheit als Mittler zwischen Gott und ppe_443.028
Volk, und in diesem volkhaften Wirken besteht seine heilige ppe_443.029
Sendung, wie sie ihren herrlichsten Ausdruck in Hölderlins ppe_443.030
Versen gefunden hat:

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Doch uns gebührt es, unter Gottes Gewittern, ppe_443.032
Ihr Dichter! mit entblößtem Haupte zu stehen, ppe_443.033
Des Vaters Strahl, ihn selbst, mit eigner Hand ppe_443.034
Zu fassen und dem Volk ins Lied ppe_443.035
Gehüllt die himmlische Gabe zu reichen.

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Wenn in den aufgezählten Hauptrichtungen die Existenz des Dichters ppe_443.037
sich auswirkt, so steht man, um das Ganze im Einzelnen zu begreifen, ppe_443.038
vor einem Nebeneinander jener vier Begriffe, in denen Faust ppe_443.039
nacheinander den Logos des Evangeliums erfassen wollte: Wort, Sinn, ppe_443.040
Kraft, Tat. Jede dieser Ausstrahlungen aber kann eine weitere

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/467>, abgerufen am 22.11.2024.