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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Brechung und Lichtspaltung erfahren nach denselben drei Dimensionen, ppe_444.002
die im ersten Buch auf die Bewertung des einzelnen Werkes ppe_444.003
als Maßstäbe angewandt wurden: Echtheit, Größe, Sinnbildhaftigkeit.

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2. Sprache
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a) Echtheit

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Der italienische Sprachphilosoph G. Bertoni hat in seinem Buch ppe_444.007
"Lingua e pensiero" einen Unterschied gemacht zwischen "lingua" ppe_444.008
als der allgemeinen Verständigungsmöglichkeit, die einem ganzen ppe_444.009
Volke gemeinsam ist, und "linguaggio", der eigenen Ausdrucksform, ppe_444.010
die als fortwährende Neuschöpfung eins ist mit der künstlerischen ppe_444.011
Persönlichkeit. Im Deutschen gibt es keine Möglichkeit solcher ppe_444.012
trennenden Wortbildung, aber wir unterscheiden bereits durch die ppe_444.013
bloße Betonung. Wenn wir von einem Dichter reden, so ist seine ppe_444.014
Sprache der allgemeine Ausdruck seines Volkstums und der Werkstoff, ppe_444.015
den sein Künstlertum zu formen hat. Was er aus diesem ppe_444.016
Instrument hervorlockt, ist seine Sprache, die aus der allgemeinen ppe_444.017
Ausdrucksweise als sein eigenster Ton hervorklingt, über den er allein ppe_444.018
verfügt als sprachliche Verwirklichung seines Wesens.

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Ob es nun wirklich seine Sprache ist, sein unverkennbarer persönlicher ppe_444.020
Stil und sein unverfälschter Wesensausdruck, diese Frage ppe_444.021
führt wieder zu dem Kriterium der Echtheit hin. Der Dichter ppe_444.022
ist sprachlicher Eigenschöpfer nicht allein als Neutöner, der bisher ppe_444.023
ungebräuchliche Wortbildungen und Wortzusammensetzungen in ppe_444.024
Kurs bringt, sondern er kann ältestes Sprachgut aufwerten, indem ppe_444.025
sein Gebrauch die sinnliche Urkraft wiederherstellt; er kann dem ppe_444.026
Wort sein eigenstes Leben einhauchen durch den Platz, den er ihm ppe_444.027
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Nachdruck, den es damit erhält, und durch den Sinn, den es im Verhältnis ppe_444.029
zu seiner sprachlichen Umgebung ausspricht. Die Dichtersprache ppe_444.030
muß von einer eindeutigen Dichte und Festigkeit sein, die ppe_444.031
keine windige Nebenluft durchläßt; das Wort muß die Prüfung auf ppe_444.032
einer Goldwaage bestehen, die jede Falschmünzerei entlarvt und abgegriffene ppe_444.033
Wertlosigkeit des Papiergeldes emporschnellen und davonwehen ppe_444.034
läßt, während der wahre Gefühlsgehalt in Ausdruckskraft sein ppe_444.035
Gewicht erweist. So sagt Schiller in einem seiner Kalliasbriefe, der ppe_444.036
Dichter müsse die Tendenz der Sprache zum Allgemeinen durch die ppe_444.037
Größe seiner Kunst überwinden und den Stoff durch die Form besiegen. ppe_444.038
Nicht das ist künstlerisch, was im Stoff des eigenen Lebens ppe_444.039
und Leidens stecken bleibt und nach einem Wort Rilkes geklagt

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/468>, abgerufen am 22.11.2024.