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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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S. 102.) Fehlen alle Handhaben dieser Art, so können Sprache, ppe_480.002
Mundart, Technik, Stil zu einer räumlichen und zeitlichen Einkreisung ppe_480.003
führen, die zwar keine bestimmte Person erreicht, wohl aber ppe_480.004
einen Typus, dem der Unbekannte zuzurechnen ist. Unbekannte ppe_480.005
Dichter treten überhaupt nur als Typen vor uns, aber jeder Typus, ppe_480.006
dem wir sie zurechnen, kann repräsentiert sein durch einen anderen ppe_480.007
bekannten Dichter, von dem der unbekannte vielleicht abhängig ist, ppe_480.008
mit dem er aber nicht bis zur Identifikation gleichgesetzt werden ppe_480.009
kann.

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Die Ermittelung eines Dichters kann schließlich über den erkannten ppe_480.011
Typus zum Individuum führen. Umgekehrt kann die erkannte ppe_480.012
Individualität einem Typus zugerechnet und dadurch in ihrer Wesensart ppe_480.013
verstanden werden.

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a) Typenreihen

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Der Dichter steht in dreierlei Gestalt vor uns: als Mensch hinterläßt ppe_480.016
er in jedem einzelnen seiner Werke persönlichen Lebensausdruck, ppe_480.017
Selbstausprägung und ein Bekenntnis, das im Zusammenhang ppe_480.018
mit seinem Dasein und dessen Geheimnissen begriffen werden muß; ppe_480.019
als Ideenträger und Mittler erfüllt er den Auftrag seines Zeitalters ppe_480.020
wie seines Volkes und steht sowohl wirkend als bewirkt, treibend und ppe_480.021
getrieben, mitten in den Wirren der Zeit, die in seiner Dichtung ppe_480.022
einen typischen Niederschlag finden; als Schöpfer gewinnt er in der ppe_480.023
Gesamtheit des durch ihn Hervorgebrachten eine je nach seiner Bedeutung ppe_480.024
dauernde Existenz, die von den Bedingungen des Werdens ppe_480.025
losgelöst und vieler individueller Züge entkleidet ist. In der ersten ppe_480.026
Gestalt ist er seinen eigenen Erlebnissen verpflichtet, die in der Vergangenheit ppe_480.027
liegen; in der zweiten hat er sich vor der Gegenwart zu ppe_480.028
verantworten, auf die er wirken will; in der dritten überantwortet er ppe_480.029
sich der Zukunft, die über ihn das Urteil zu sprechen hat. Dieser ppe_480.030
Weg bedeutet in zunehmender Entfernung von individuellem Erleben ppe_480.031
und Zeitbedingtheit nicht nur Mythisierung, sondern auch fortschreitende ppe_480.032
Typisierung.

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Wie schon ein einzelnes außergewöhnliches Werk in Deutung und ppe_480.034
Wertung Forschungsaufgaben stellen kann, die mit der Lotung unerschöpflicher ppe_480.035
Tiefen ins Unbegrenzte übergehen und ein ganzes ppe_480.036
wissenschaftliches Leben erschöpfen, so mag auch die überragende ppe_480.037
Erscheinung eines großen Dichters ausschließliche Hingabe fordern ppe_480.038
und im kultmäßigen Dienst zum Ausbau einer Eigenwissenschaft von ppe_480.039
besonderen Maßstäben führen. Homer-Forschung, Shakespeare- ppe_480.040
Forschung, Goethe-Forschung sind neben der Dante-Forschung Beispiele

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Der Dichter steht in dreierlei Gestalt vor uns: als Mensch hinterläßt ppe_480.016
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Weg bedeutet in zunehmender Entfernung von individuellem Erleben ppe_480.031
und Zeitbedingtheit nicht nur Mythisierung, sondern auch fortschreitende ppe_480.032
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[480/0504] ppe_480.001 S. 102.) Fehlen alle Handhaben dieser Art, so können Sprache, ppe_480.002 Mundart, Technik, Stil zu einer räumlichen und zeitlichen Einkreisung ppe_480.003 führen, die zwar keine bestimmte Person erreicht, wohl aber ppe_480.004 einen Typus, dem der Unbekannte zuzurechnen ist. Unbekannte ppe_480.005 Dichter treten überhaupt nur als Typen vor uns, aber jeder Typus, ppe_480.006 dem wir sie zurechnen, kann repräsentiert sein durch einen anderen ppe_480.007 bekannten Dichter, von dem der unbekannte vielleicht abhängig ist, ppe_480.008 mit dem er aber nicht bis zur Identifikation gleichgesetzt werden ppe_480.009 kann. ppe_480.010 Die Ermittelung eines Dichters kann schließlich über den erkannten ppe_480.011 Typus zum Individuum führen. Umgekehrt kann die erkannte ppe_480.012 Individualität einem Typus zugerechnet und dadurch in ihrer Wesensart ppe_480.013 verstanden werden. ppe_480.014 a) Typenreihen ppe_480.015 Der Dichter steht in dreierlei Gestalt vor uns: als Mensch hinterläßt ppe_480.016 er in jedem einzelnen seiner Werke persönlichen Lebensausdruck, ppe_480.017 Selbstausprägung und ein Bekenntnis, das im Zusammenhang ppe_480.018 mit seinem Dasein und dessen Geheimnissen begriffen werden muß; ppe_480.019 als Ideenträger und Mittler erfüllt er den Auftrag seines Zeitalters ppe_480.020 wie seines Volkes und steht sowohl wirkend als bewirkt, treibend und ppe_480.021 getrieben, mitten in den Wirren der Zeit, die in seiner Dichtung ppe_480.022 einen typischen Niederschlag finden; als Schöpfer gewinnt er in der ppe_480.023 Gesamtheit des durch ihn Hervorgebrachten eine je nach seiner Bedeutung ppe_480.024 dauernde Existenz, die von den Bedingungen des Werdens ppe_480.025 losgelöst und vieler individueller Züge entkleidet ist. In der ersten ppe_480.026 Gestalt ist er seinen eigenen Erlebnissen verpflichtet, die in der Vergangenheit ppe_480.027 liegen; in der zweiten hat er sich vor der Gegenwart zu ppe_480.028 verantworten, auf die er wirken will; in der dritten überantwortet er ppe_480.029 sich der Zukunft, die über ihn das Urteil zu sprechen hat. Dieser ppe_480.030 Weg bedeutet in zunehmender Entfernung von individuellem Erleben ppe_480.031 und Zeitbedingtheit nicht nur Mythisierung, sondern auch fortschreitende ppe_480.032 Typisierung. ppe_480.033 Wie schon ein einzelnes außergewöhnliches Werk in Deutung und ppe_480.034 Wertung Forschungsaufgaben stellen kann, die mit der Lotung unerschöpflicher ppe_480.035 Tiefen ins Unbegrenzte übergehen und ein ganzes ppe_480.036 wissenschaftliches Leben erschöpfen, so mag auch die überragende ppe_480.037 Erscheinung eines großen Dichters ausschließliche Hingabe fordern ppe_480.038 und im kultmäßigen Dienst zum Ausbau einer Eigenwissenschaft von ppe_480.039 besonderen Maßstäben führen. Homer-Forschung, Shakespeare- ppe_480.040 Forschung, Goethe-Forschung sind neben der Dante-Forschung Beispiele

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/504>, abgerufen am 22.11.2024.