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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Masse von gesprochener, gesungener oder geschriebener und schließlich ppe_511.002
gedruckter Überlieferung. Keine Bücherei der Welt wäre groß ppe_511.003
genug, auch nur den tausendsten Teil des im Laufe von Jahrtausenden ppe_511.004
Fabulierten und Versifizierten, soweit es erhalten ist, aufzunehmen, ppe_511.005
geschweige denn, daß es als Rohstoff der Wissenschaft jemals ppe_511.006
von einem Einzelnen oder sogar von dem organisierten Aufgebot der ppe_511.007
Gesamtheit zu registrieren, zu durchdringen, zu beherrschen oder gar ppe_511.008
darzustellen wäre. Wenn in der modernen Naturwissenschaft die ppe_511.009
Theorie eines wachsenden Universums aufgestellt worden ist, so steht ppe_511.010
für das All der Dichtung diese unendliche Expansion außer Zweifel. ppe_511.011
Um so weniger ist es möglich, diese geistige Welt als Summe einzelner ppe_511.012
Teile zu erfassen. Es wäre ein ebenso unmögliches als wertloses ppe_511.013
Unterfangen. Jede Sammlung setzt Sichtung, Zusammenziehung, ppe_511.014
Umwechselung der Scheidemünzen in Gold oder große ppe_511.015
Schatzanweisungen voraus.

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Von der Unsumme muß zu den Werten fortgeschritten werden, von ppe_511.017
der Quantität zur Qualität. Diese Umwandlung der Zahl in ppe_511.018
den Wert liegt bereits hinter uns durch die jahrhundertelange Tätigkeit ppe_511.019
einer teils unbewußten, teils bewußten Kritik, die auf dem ppe_511.020
Dreschboden des Geschmacks die echte Dichtkunst und die charakteristische ppe_511.021
Literatur von der wesenlosen Spreu abgesondert hat. Es gilt ppe_511.022
das Gleichnis vom Sämann. Was sich nicht als fruchtbar erwiesen ppe_511.023
hat, bleibt tot. Was verbrannt, verdorrt, verfault oder vom Winde ppe_511.024
verweht ist, kann nicht wieder aufgelesen werden. Was aber standhielt, ppe_511.025
bedarf der Pflege und muß vor Unkraut und Entartung bewahrt ppe_511.026
werden; die Befreiung von Entstellungen und die Wiederherstellung ppe_511.027
der echten Form ist Sache der wissenschaftlichen Kritik.

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Ist diese Arbeit an den einzelnen Werken getan, so bleibt noch ppe_511.029
immer eine unübersehbare Masse, die der Gliederung bedarf und ppe_511.030
einer ordnenden Erkenntnis der Zusammenhänge zu unterwerfen ist. ppe_511.031
Gliederung bedeutet nicht eine Übersicht, die aus der Zusammenstellung ppe_511.032
formaler Gleichheiten übereinstimmender Motive oder gleichartiger ppe_511.033
Typen zu gewinnen ist, sondern einen alle Gegensätze und ppe_511.034
Spannungen berücksichtigenden Aufriß des Organischen nach seinen ppe_511.035
Entstehungsbedingungen. Wir gelangen damit zur Kategorie der ppe_511.036
Relation.

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Die scheinbar äußerlichste, ohne weiteres gegebene und den Sinnen ppe_511.038
erkennbare Einteilung liegt in der Sprache, die ein vom Dichter in ppe_511.039
Höchstleistung verfeinertes und verstärktes Gut der Allgemeinheit ist. ppe_511.040
Das Instrument, aus dem er Töne hervorzaubert, die nur ihm eigen ppe_511.041
zu sein scheinen, ist entlehnt. Als ein Pfund, mit dem er zu wuchern

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Masse von gesprochener, gesungener oder geschriebener und schließlich ppe_511.002
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Von der Unsumme muß zu den Werten fortgeschritten werden, von ppe_511.017
der Quantität zur Qualität. Diese Umwandlung der Zahl in ppe_511.018
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immer eine unübersehbare Masse, die der Gliederung bedarf und ppe_511.030
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/535>, abgerufen am 22.11.2024.