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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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diese Horizontalstruktur des Stammbaums durch die Beobachtung ppe_528.002
einer gewissen Regelmäßigkeit im Altersabstand zwischen Vater und ppe_528.003
Sohn. Wenn schon Herodot sich von ägyptischen Priestern das Geheimnis ppe_528.004
verkünden ließ, daß drei Generationen gerade ein Jahrhundert ppe_528.005
ausmachten, so ist die Voraussetzung ein Durchschnittsmaß ppe_528.006
von 33 1/3 Jahren für diesen Altersunterschied. Eine statistische Nachprüfung, ppe_528.007
wie sie Gustav Rümelin in seinem Aufsatz "Über den Begriff ppe_528.008
und die Dauer einer Generation" (Reden und Aufsätze. Freiburg ppe_528.009
i. B. 1875, S. 285 bis 304) vorgenommen hat, kam zu dem Ergebnis, ppe_528.010
daß dieser Durchschnitt nach Zeit und Volk jeweils ein anderer ppe_528.011
sei, daß er im neuzeitlichen Europa etwa zwischen 32 und ppe_528.012
39 Jahren liege (für Deutschland damals 361/2, für England 351/2, für ppe_528.013
Frankreich 341/2), daß in Ländern früherer Mannbarkeit oder polygamer ppe_528.014
Sitte aber ein ganz anderes Zahlenverhältnis herrschen müsse, ppe_528.015
und daß die herodotische Berechnung zwar für sein Zeitalter richtig ppe_528.016
gewesen sein mag, aber in keiner Weise ein allgemeingültiges unveränderliches ppe_528.017
Zeitmaß darstellen kann.

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Dazu kommt nun, daß für geschichtliches Zusammenwirken es ppe_528.019
ziemlich bedeutungslos ist, ob ein Urenkel etwa genau ein Jahrhundert ppe_528.020
nach seinem Urgroßvater das Licht der Welt erblickt oder ppe_528.021
etwas später; viel wichtiger ist die Tatsache, daß das Jahrhundert ppe_528.022
die Wirksamkeit von fünf Generationen in sich schließt, indem Vater ppe_528.023
und Großvater jenes am Anfang des Jahrhunderts geborenen Urgroßvaters ppe_528.024
noch eine gute Weile das Wachstum des Sprößlings und seiner ppe_528.025
Kinder begleiten und leiten konnten. Und in diesem Übereinandergreifen ppe_528.026
ohne Ablösung liegt eine schon von David Hume hervorgehobene ppe_528.027
Besonderheit der menschlichen Generationsfolge gegenüber ppe_528.028
der tierischen. Eltern und Großeltern sind in der Lage, alle ihre ppe_528.029
Lebenserfahrung auf die Nachkommen zu übertragen. Diese Übermittlung ppe_528.030
wird aber nicht selten zu einer Aufdrängung, die der ppe_528.031
Jugend das Recht auf eigene Lebenserfahrung verkürzt und sie zur ppe_528.032
Auflehnung gegen die Tradition herausfordert.

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In einer anderen Weise hat man das Zeitmaß des Dritteljahrhunderts ppe_528.034
als das einer Generation zu stützen gesucht, nämlich durch ppe_528.035
den Grundsatz der "Lebenswirksamkeit" des Einzelnen. Sie soll unter ppe_528.036
jenen in den Rahmen eines Jahrhunderts fallenden fünf Familiengenerationen ppe_528.037
nur dreien gegeben sein; denn die historische Wirksamkeit ppe_528.038
des Menschen soll im Durchschnitt mit dem 30. Lebensjahr beginnen ppe_528.039
und zwischen dem 60. und 70. enden; also ist der Urgroßvater ppe_528.040
in der letzten Spanne seines Lebens, die noch in dieses Jahrhundert ppe_528.041
reicht, nicht mehr lebenswirksam, und der Enkel ist es in seiner

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diese Horizontalstruktur des Stammbaums durch die Beobachtung ppe_528.002
einer gewissen Regelmäßigkeit im Altersabstand zwischen Vater und ppe_528.003
Sohn. Wenn schon Herodot sich von ägyptischen Priestern das Geheimnis ppe_528.004
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und daß die herodotische Berechnung zwar für sein Zeitalter richtig ppe_528.016
gewesen sein mag, aber in keiner Weise ein allgemeingültiges unveränderliches ppe_528.017
Zeitmaß darstellen kann.

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Dazu kommt nun, daß für geschichtliches Zusammenwirken es ppe_528.019
ziemlich bedeutungslos ist, ob ein Urenkel etwa genau ein Jahrhundert ppe_528.020
nach seinem Urgroßvater das Licht der Welt erblickt oder ppe_528.021
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wird aber nicht selten zu einer Aufdrängung, die der ppe_528.031
Jugend das Recht auf eigene Lebenserfahrung verkürzt und sie zur ppe_528.032
Auflehnung gegen die Tradition herausfordert.

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In einer anderen Weise hat man das Zeitmaß des Dritteljahrhunderts ppe_528.034
als das einer Generation zu stützen gesucht, nämlich durch ppe_528.035
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 528. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/552>, abgerufen am 22.11.2024.