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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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sich aufgenommen. Ein Dritteljahrhundert danach aber ist es dem ppe_559.002
organisatorischen Bildungswillen Karl Eugens von Württemberg zu ppe_559.003
danken, daß eine ganze Generation großer Schwaben mit Schiller ppe_559.004
(1759), Hölderlin, Hegel (1770), Schelling (1775) heranwuchs, von ppe_559.005
denen gleichwohl keiner im engeren Vaterland seine Entwicklung ppe_559.006
vollenden konnte.

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Dazwischen aber findet sich eine Generation, die weder durch ppe_559.008
gleiche Schulbildung noch durch landschaftliche Gemeinschaft vereinigt ppe_559.009
ist; sie treffen zusammen wie die heiligen drei Könige, ohne ppe_559.010
voneinander zu wissen, aus verschiedenen Himmelsrichtungen kommend, ppe_559.011
aber vom gleichen Stern geleitet. Hamann (1730) war ihr ppe_559.012
Vorläufer in der vorausgehenden Generation; nun nahen sie in ppe_559.013
Scharen: vom äußersten Osten Herder (1744) und Lenz (1751), vom ppe_559.014
Norden Gerstenberg (1737), Claudius (1740), die Grafen Stolberg ppe_559.015
(1748/50); in Mitteldeutschland Goue (1742), Heinse, Gotter (1746) ppe_559.016
und Bürger (1747); vom Süden Schubart (1739) und Miller (1749), ppe_559.017
Lavater, Füessli (1741) und Sarasin (1742); vom Westen Jung-Stilling ppe_559.018
(1740), Friedr. Heinr. Jacobi (1743), Heinr. Leop. Wagner (1747), ppe_559.019
Goethe, Maler Müller (1749) und Klinger (1752). Sie stammen aus ppe_559.020
ganz verschiedenen Kreisen: der Graf, der Patriziersohn, der Sohn ppe_559.021
einer Waschfrau; wo sie sich finden, sei es in Göttingen, in Straßburg, ppe_559.022
in Darmstadt, in Wetzlar, in Düsseldorf oder in Münster, fühlen sie ppe_559.023
sich eines Geistes. Sie erleben, auch ohne persönliche Berührung, so ppe_559.024
sehr die gleiche Problemstellung, daß die drei Dramen, die auf das ppe_559.025
Schrödersche Preisausschreiben von 1774 einlaufen, in gleicher Weise ppe_559.026
das Thema des Bruderzwistes behandeln, ohne daß ein Verfasser von ppe_559.027
dem andern wußte. Solches Thema bietet sich in Zeiten der Generationsspannung ppe_559.028
und wird ihr besonderer Ausdruck, insofern mangelndem ppe_559.029
Verständnis der Väter für ihre Söhne die Schuld am Bruderzwist ppe_559.030
beigemessen wird.

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Die Jungen, die um 1770 auftreten, danken ihre Gemeinschaft ppe_559.032
keiner Schule, aber sie sind einmütig im Widerwillen gegen Schulstaub ppe_559.033
und Bücherwelt; aufgerüttelt durch Rousseaus Verneinung der ppe_559.034
Kultur suchen sie formende Kräfte im Chaos; einig im Ruf nach ppe_559.035
Natur und ungebundener Schöpferkraft, schlürfen sie Höhenluft der ppe_559.036
Freiheit, sei es, daß sie sich ihnen bietet in der Bibel oder in Ossians ppe_559.037
alten Gesängen, in den Balladen Schottlands oder im deutschen ppe_559.038
Volkslied, in Shakespeares Wildheit oder in der Naivität Homers, in ppe_559.039
der Vermessenheit der Gotik, in der Blutfülle italienischer Renaissancekunst ppe_559.040
oder in der pantheistischen Philosophie Giordano Brunos, ppe_559.041
Spinozas und Shaftesburys. Fast scheint es, daß nicht sie die Produkte

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 559. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/583>, abgerufen am 22.11.2024.