ppe_050.001 zu, wenn die Darstellung des Weltkriegs in der Gegenwartsliteratur ppe_050.002 zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung gemacht wird ppe_050.003 (Cysarz, Pongs). Konnte man früher bezweifeln, ob die Dichtung der ppe_050.004 Lebenden überhaupt wissenschaftlicher Behandlung zugänglich sei ppe_050.005 und nicht vielmehr vorläufig nur den Gegenstand einer wandelbaren ppe_050.006 Kritik bilde, so mag das für in voller Entwicklung befindliche Dichterpersönlichkeiten ppe_050.007 nach wie vor gültig sein, aber nicht für diesen ungeheuren ppe_050.008 Erlebnisstoff und seine Probleme. Der ist abgeschlossen, ppe_050.009 und die Beobachtung, wie solches Geschehen allmählich entstofflicht, ppe_050.010 symbolisiert, zum Mythos umgebildet wird, bietet eine einzigartige ppe_050.011 Gelegenheit, nicht nur das Verhalten der verschiedenen Völker gegenüber ppe_050.012 gleichartigem Erleben zu vergleichen, sondern auch Rätsel der ppe_050.013 Urzeit, die in der Entstehung großer Heldensagen und Volksepen ppe_050.014 gegeben sind, durch erlebte Analogie der Lösung näherzubringen.
ppe_050.015 Vor allem aber hat der Existenzkampf des Weltkriegs und seiner ppe_050.016 Nachwirkungen Völker und Menschen der Gegenwart vor Wirklichkeitserkenntnisse ppe_050.017 und Fragen des eigenen Seins geführt, die über ppe_050.018 ästhetische Maßstäbe hinaus Selbstbesinnung, Gewissensentscheidung, ppe_050.019 Glaubensverantwortung und Wertung tiefster Innerlichkeit verlangen. ppe_050.020 Eine existentielle Philosophie zieht mit der Ganzheit des Menschen ppe_050.021 auch seine Kunst und die ihr gewidmete Wissenschaft in ihren Bereich. ppe_050.022 Eine sich als "existentiell" bezeichnende Literaturwissenschaft ppe_050.023 will den ausschließlichen Ästhetizismus des "l'art pour l'art" durch ppe_050.024 die Frage nach der Existenzmöglichkeit des Werkes bekämpfen, ppe_050.025 indem sie den Künstler mit seinem ganzen Sein schicksalmäßig eingeordnet ppe_050.026 sieht in seinem Volk: "in Rasse und Blut, im Geist der ppe_050.027 Ahnen, im Einwirken von Umwelt und Mitwelt, in der Muttersprache, ppe_050.028 im Jasagen zum Kulturwillen des Volkes, das ihn trägt, in allen unbewußten ppe_050.029 Grundkräften, die die letzten Entscheidungen im Leben ppe_050.030 lenken." (Pongs.)
ppe_050.031 Alle Verheißungen geben von den neuen Richtungen vorerst mehr ppe_050.032 das Bild dessen, was sie sein wollen, als dessen, was sie heute schon ppe_050.033 sind. Die vielseitige Bereicherung und Vertiefung der Wissenschaftsaufgaben ppe_050.034 führt dahin, daß von allen Seiten ein neuer Vormarsch in ppe_050.035 unentdecktes oder aus dem Auge verlorenes Gebiet beginnt. Wieder ppe_050.036 handelt es sich zunächst um Sammlung und Erschließung von ppe_050.037 Material; wieder muß Kritik das Wesentliche herausheben; wieder ppe_050.038 muß die Gliederung des Ganzen überprüft und im Blickpunkt der ppe_050.039 Gegenwart neu geordnet werden; wieder ist Umwertung und erlebnismäßige ppe_050.040 Deutung des Einzelnen im großen Zusammenhang des Ganzen ppe_050.041 das Letzte.
ppe_050.001 zu, wenn die Darstellung des Weltkriegs in der Gegenwartsliteratur ppe_050.002 zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung gemacht wird ppe_050.003 (Cysarz, Pongs). Konnte man früher bezweifeln, ob die Dichtung der ppe_050.004 Lebenden überhaupt wissenschaftlicher Behandlung zugänglich sei ppe_050.005 und nicht vielmehr vorläufig nur den Gegenstand einer wandelbaren ppe_050.006 Kritik bilde, so mag das für in voller Entwicklung befindliche Dichterpersönlichkeiten ppe_050.007 nach wie vor gültig sein, aber nicht für diesen ungeheuren ppe_050.008 Erlebnisstoff und seine Probleme. Der ist abgeschlossen, ppe_050.009 und die Beobachtung, wie solches Geschehen allmählich entstofflicht, ppe_050.010 symbolisiert, zum Mythos umgebildet wird, bietet eine einzigartige ppe_050.011 Gelegenheit, nicht nur das Verhalten der verschiedenen Völker gegenüber ppe_050.012 gleichartigem Erleben zu vergleichen, sondern auch Rätsel der ppe_050.013 Urzeit, die in der Entstehung großer Heldensagen und Volksepen ppe_050.014 gegeben sind, durch erlebte Analogie der Lösung näherzubringen.
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/74>, abgerufen am 21.11.2024.
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