ppe_052.006 Die fortschreitende Sublimierung der geistesgeschichtlichen Aufgaben, ppe_052.007 die zur Sicht metaphysischer Probleme aufsteigt, könnte es ppe_052.008 beinahe vergessen lassen, daß die Literaturwissenschaft ihr Arbeitsmaterial ppe_052.009 nicht unmittelbar im Geist, sondern zuerst im Buchstaben ppe_052.010 findet. Nach Ausgangspunkt und Grundlagen kann sie nichts anderes ppe_052.011 sein als Wissenschaft von der Literatur, Erforschung des Geschriebenen ppe_052.012 und seiner Zusammenhänge. Der Gegenstand besteht aus Wortkunstwerken, ppe_052.013 die in Handschrift oder Druck überliefert sind.
ppe_052.014 Neben der Literatur stehen Sage, Märchen und Volkslied, die in ppe_052.015 mündlicher Übertragung sich fortpflanzen. Sie können schon einmal ppe_052.016 Literatur gewesen sein und werden es aufs neue, sobald sie zur Aufzeichnung ppe_052.017 kommen. Dabei wahren sie aber ihre eigene literarische ppe_052.018 Form, die sich aus der ursprünglich mündlichen Überlieferung erklärt.
ppe_052.019 Außerhalb der Literatur steht das Brauchtum, aus dem derartige ppe_052.020 Volksüberlieferung hervorgegangen ist. Dieser vorliterarischen Voraussetzung, ppe_052.021 die bis in die Frühgeschichte und Vorgeschichte zurückgeht, ppe_052.022 steht endlich eine nachliterarische Wirkung gegenüber, bei der ppe_052.023 es sich um Werke handelt, die einmal überliefert waren und inzwischen ppe_052.024 verloren gingen. Uralte Heldendichtung kann mit ihren ppe_052.025 ethischen Idealen erziehend und formend auf den Volksgeist weitergewirkt ppe_052.026 haben, aus dem sie hervorging. Was sich aber von dem geschichtlichen ppe_052.027 Nachleben aller verlorenen Dichtung, sei es, daß sie der ppe_052.028 frühesten oder einer späteren Zeit angehörte, erfassen läßt, ist lediglich ppe_052.029 literarische Überlieferung, Niederschlag des Eindrucks in Ruhm ppe_052.030 oder Klage, in Nachahmungen oder Gegenbildern.
ppe_052.031 Wie die Wortkunst selbst, so führt der Gang der ihr gewidmeten ppe_052.032 Forschung nach und nach dahin, alles Geschriebene, das Bedeutung ppe_052.033 hat, zur Vervielfältigung zu bringen; wir scheinen uns also einem ppe_052.034 Zeitpunkt zu nähern, da die Literaturwissenschaft es im wesentlichen
ppe_052.001
ERSTES BUCH: DAS WERK
ppe_052.002
ERSTER HAUPTTEIL
ppe_052.003
ÜBERLIEFERUNG UND AUSWAHL
ppe_052.004
„Im Anfang war das Wort.“
ppe_052.005
a) Wesen und Umfang
ppe_052.006 Die fortschreitende Sublimierung der geistesgeschichtlichen Aufgaben, ppe_052.007 die zur Sicht metaphysischer Probleme aufsteigt, könnte es ppe_052.008 beinahe vergessen lassen, daß die Literaturwissenschaft ihr Arbeitsmaterial ppe_052.009 nicht unmittelbar im Geist, sondern zuerst im Buchstaben ppe_052.010 findet. Nach Ausgangspunkt und Grundlagen kann sie nichts anderes ppe_052.011 sein als Wissenschaft von der Literatur, Erforschung des Geschriebenen ppe_052.012 und seiner Zusammenhänge. Der Gegenstand besteht aus Wortkunstwerken, ppe_052.013 die in Handschrift oder Druck überliefert sind.
ppe_052.014 Neben der Literatur stehen Sage, Märchen und Volkslied, die in ppe_052.015 mündlicher Übertragung sich fortpflanzen. Sie können schon einmal ppe_052.016 Literatur gewesen sein und werden es aufs neue, sobald sie zur Aufzeichnung ppe_052.017 kommen. Dabei wahren sie aber ihre eigene literarische ppe_052.018 Form, die sich aus der ursprünglich mündlichen Überlieferung erklärt.
ppe_052.019 Außerhalb der Literatur steht das Brauchtum, aus dem derartige ppe_052.020 Volksüberlieferung hervorgegangen ist. Dieser vorliterarischen Voraussetzung, ppe_052.021 die bis in die Frühgeschichte und Vorgeschichte zurückgeht, ppe_052.022 steht endlich eine nachliterarische Wirkung gegenüber, bei der ppe_052.023 es sich um Werke handelt, die einmal überliefert waren und inzwischen ppe_052.024 verloren gingen. Uralte Heldendichtung kann mit ihren ppe_052.025 ethischen Idealen erziehend und formend auf den Volksgeist weitergewirkt ppe_052.026 haben, aus dem sie hervorging. Was sich aber von dem geschichtlichen ppe_052.027 Nachleben aller verlorenen Dichtung, sei es, daß sie der ppe_052.028 frühesten oder einer späteren Zeit angehörte, erfassen läßt, ist lediglich ppe_052.029 literarische Überlieferung, Niederschlag des Eindrucks in Ruhm ppe_052.030 oder Klage, in Nachahmungen oder Gegenbildern.
ppe_052.031 Wie die Wortkunst selbst, so führt der Gang der ihr gewidmeten ppe_052.032 Forschung nach und nach dahin, alles Geschriebene, das Bedeutung ppe_052.033 hat, zur Vervielfältigung zu bringen; wir scheinen uns also einem ppe_052.034 Zeitpunkt zu nähern, da die Literaturwissenschaft es im wesentlichen
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[E52/0076]
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Neben der Literatur stehen Sage, Märchen und Volkslied, die in ppe_052.015
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Nachleben aller verlorenen Dichtung, sei es, daß sie der ppe_052.028
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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. E52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/76>, abgerufen am 21.11.2024.
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