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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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nur noch mit Gedrucktem zu tun haben wird. Der einzelne Forscher ppe_053.002
mußte sich von jeher die wissenschaftliche Bearbeitung und dauernde ppe_053.003
Benutzung der Manuskripte durch Abschriften sichern; an deren ppe_053.004
Stelle tritt neuerdings das leichter zu beschaffende und zuverlässigere ppe_053.005
Hilfsmittel der Photokopie. Der Gemeinschaftsarbeit wird das handschriftliche ppe_053.006
Material dagegen erst zugänglich durch Faksimilierung, ppe_053.007
und die letzte, endgültige Form des Weiterlebens aller Texte ist die ppe_053.008
mit wissenschaftlicher Kritik geprüfte Druckausgabe. Fast scheint es ppe_053.009
also, daß bei dieser Entwicklung der Arbeitstechnik, bei dieser ständigen ppe_053.010
Metamorphose von Wort in Schrift und Schrift in Druck das ppe_053.011
Fundament der Literaturwissenschaft am sinnfälligsten durch das holländische ppe_053.012
Wort "Letterkunde" umschrieben wäre.

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Allerdings bleibt neben der schriftlichen Überlieferung noch eine ppe_053.014
mündliche, die sich nicht nur auf die Volkskunde beschränkt; sie ppe_053.015
kann auch im Einzelnen weiterleben als Erinnerung an gesungene ppe_053.016
Lieder oder erzählte Märchen der Kindheit, an Improvisationen eines ppe_053.017
Dichters, an den Vortrag eines Redners, an die Kunst eines Sprechmeisters, ppe_053.018
an das Erlebnis eines Schauspiels. Es gibt also die verschiedenartigsten ppe_053.019
Vermittlungsmöglichkeiten eines ungedruckten Textes. ppe_053.020
Aber für wissenschaftliche Behandlung braucht das Gedächtnis ppe_053.021
des einzelnen eine Stütze, und die Mitarbeit der vielen benötigt eine ppe_053.022
zuverlässige Vorlage. Auch bei der mündlichen Überlieferung ist es ppe_053.023
also nicht anders: jeder Text tritt in den Bereich wissenschaftlicher ppe_053.024
Betrachtung erst dadurch, daß er aufgezeichnet wird, sei es von dem ppe_053.025
Vortragenden selbst, sei es von bestellten Stenographen, sei es von ppe_053.026
einem Herausgeber zum Zweck der Veröffentlichung. Auch die Schallplattenaufnahme ppe_053.027
eines Volksliedes, die dem Eindruck mündlicher ppe_053.028
Überlieferung durch mechanische Vervielfältigung Dauer gibt, wird ppe_053.029
dem Studium erst erschlossen durch Übertragung der Worte und Töne ppe_053.030
in Buchstaben und Noten.

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Selbst ein Theaterstück kann, indem es gespielt wird, nicht zur ppe_053.032
Literatur gerechnet werden, sondern gehört einem eigenen Kunstgebiet ppe_053.033
an, auf dem vielerlei andersartige künstlerische Kräfte mitwirken, ppe_053.034
nicht nur im Dienste der Dichtung, sondern mit dem Anspruch, ppe_053.035
als eigenschöpferisch anerkannt zu werden. Als nichtliterarische ppe_053.036
Produktionsform steht das Theater in ähnlichem Verhältnis ppe_053.037
zur dramatischen Dichtung wie Liedvertonung und Gesang zur Lyrik, ppe_053.038
Buchillustration und Verfilmung zum Roman. Aber Bühnenmanuskript ppe_053.039
und Liedtext fügen sich in die Literatur ein, sobald sie als Aufzeichnungen ppe_053.040
zugänglich werden. Dabei enthält das Buchdrama ebenso wie ppe_053.041
das Bühnenmanuskript allerdings in seinen der Vorstellung (im dopdelten

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Wort „Letterkunde“ umschrieben wäre.

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des einzelnen eine Stütze, und die Mitarbeit der vielen benötigt eine ppe_053.022
zuverlässige Vorlage. Auch bei der mündlichen Überlieferung ist es ppe_053.023
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Selbst ein Theaterstück kann, indem es gespielt wird, nicht zur ppe_053.032
Literatur gerechnet werden, sondern gehört einem eigenen Kunstgebiet ppe_053.033
an, auf dem vielerlei andersartige künstlerische Kräfte mitwirken, ppe_053.034
nicht nur im Dienste der Dichtung, sondern mit dem Anspruch, ppe_053.035
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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/77>, abgerufen am 21.11.2024.