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Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944.

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Sinne: des Theaters und der Leserschaft) gewidmeten Regiebemerkungen ppe_054.002
einen eingeklammerten Nebentext, der auf der Bühne ppe_054.003
nicht gesprochen, sondern gespielt wird und deshalb streng genommen ppe_054.004
nicht zur dramatischen Dichtung als Wortkunst gehört. Man erkennt ppe_054.005
daraus, daß nicht alles im Dienst der Kunst Geschriebene literarisches ppe_054.006
Kunstwerk ist; wohl aber bleibt es gewiß, daß alles, was Gegenstand ppe_054.007
der Literaturwissenschaft bildet, einmal geschrieben sein muß. Literatur ppe_054.008
ist Sprache gewordener Geist, aber sie ist zugleich Schrift gewordener ppe_054.009
Sprachausdruck.

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So befindet sich das Wortkunstwerk in einem Schwebezustand ppe_054.011
zwischen Buchstabe und Geist. Es gleicht dem Fesselballon, den wir ppe_054.012
zur Erde herunterholen müssen, ehe wir mit ihm aufsteigen. Vor ppe_054.013
der ersten Fahrt liegt die leere Hülle (nichts anderes ist die buchstäbliche ppe_054.014
Überlieferung) auf dem Boden ausgebreitet und muß geprüft ppe_054.015
und geflickt werden, damit sie die Zuverlässigkeitsprobe der Dichtigkeit ppe_054.016
bestehen kann. Je älter die Hülle ist, desto mehr Flickarbeit ppe_054.017
muß geleistet werden. Mit der pneumatischen Füllung tritt erst die ppe_054.018
Struktur in Erscheinung. Der Gehalt gibt Form; die Form öffnet sich ppe_054.019
dem Gehalt. Und schließlich wird der Aufstieg zum Erlebnis. So weit ppe_054.020
indessen da oben der Blick in die Welt reicht, so ist der Himmelfahrt ppe_054.021
schließlich doch durch gefesselte Erdgebundenheit eine Grenze gezogen. ppe_054.022
Wird die Fessel abgeschnitten, so entschwebt das Fahrzeug in ppe_054.023
den Äther, um schließlich, wenn es gut geht, aus der dünnen Eisluft ppe_054.024
der Stratosphäre verschrumpft und ausgepumpt zurückzukehren.

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Damit ist gleichnishaft der Weg gewiesen, der von der überlieferten ppe_054.026
Schrift zur emportragenden Sprache und vom Aufschwung der ppe_054.027
Sprache zum Ausblick ins geistig Bedeutsame vordringt. Die erste ppe_054.028
Etappe ist bei unverständlichen Schriftzeichen und Lauten einer toten ppe_054.029
Sprache zunächst technische Entzifferungsaufgabe der Sprachwissenschaft ppe_054.030
oder der Völkerkunde. Bei Texten, deren äußeres sprachliches ppe_054.031
Verständnis keine Schwierigkeiten bereitet, ist die erste Interpretation ppe_054.032
bereits eine Sache der Vortragskunst, die Klanggebung mit Sinndeutung ppe_054.033
vereinigt. Auch das stille Lesen ist eine Reproduktion, eine ppe_054.034
stumme Vortragskunst ohne Zuhörer, die nach innen gerichtet ist und ppe_054.035
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innere Anschauung vermittelt. Beides gehört zum Verstehen, das nun ppe_054.037
von unbewußter Eingebung zur bewußten Klarheit wissenschaftlicher ppe_054.038
Kunsterkenntnis gesteigert werden kann. Dazu gehört allerdings die ppe_054.039
Heranziehung weiterer Literatur, die nicht mit dem Werk selbst überliefert ppe_054.040
ist. Dieser Ballast füllt die dem Ballon angehängte Gondel, ppe_054.041
die alle Apparate der Beobachtung enthält. Da sind die Lebenserzeugnisse

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Zitationshilfe: Petersen, Julius: Die Wissenschaft von der Dichtung. System und Methodenlehre der Literaturwissenschaft. 2. Auflage. Berlin, 1944, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/petersen_poetik_1944/78>, abgerufen am 24.11.2024.