Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

blos alle Gäste aus einer Schüssel essen, sondern daß auch alle Gerichte in einer Schüssel aufgetischt werden. Da liegen Bohnen und Reis, Kartoffeln und Rinderbraten, Paradiesäpfel und Zwiebeln u.s.w. ganz friedlich neben einander und werden mit großem Appetite bei tiefster Stille verzehrt. Am Ende der Mahlzeit kömmt der Humpen an die Reihe, der von Hand zu Hand geht und mit Wein oder auch nur mit Wasser gefüllt ist. Dann erst fängt die Gesellschaft an zu sprechen. -- Des Abends wird in diesen Lokalen bei einer Guitarre auch fleißig getanzt. Leider war gerade Fastenzeit, während welcher alle öffentlichen Unterhaltungen verboten sind. Die Leute nahmen es jedoch nicht so genau und waren für einige Reaux gleich bereit, mir in einem Hinterstübchen eine Aufführung ihrer Nationaltänze, der Sammaquecca und Refolosa zum besten zu geben. Ich hatte bald geng, so über alle Maßen unanständig waren die Geberden und Bewegungen der Tänzer, und mich dauerte nur die Jugend, deren angeborenes Zartgefühl durch Anschauung dieser Tänze schon im ersten Reime erstickt wird.

Nicht minder mißfiel mir eine hier herrschende sonderbare Sitte, in Folge welcher der Tod eines kleinen Kindes von den Eltern als Freudenfest gefeiert wird. Sie nennen das verstorbene Kind einen Angelito (Engelchen) und schmücken es auf alle Weise aus. Die Augen werden ihm nicht geschlossen, sondern im Gegentheil so weit als möglich geöffnet, die Backen roth gefärbt, es wird mit den schönsten Kleidern angethan, mit Blumen bekränzt und auf einem kleinen Stuhle in eine Art Nische gesetzt, die ebenfalls mit Blumen geschmückt ist. Nun

blos alle Gäste aus einer Schüssel essen, sondern daß auch alle Gerichte in einer Schüssel aufgetischt werden. Da liegen Bohnen und Reis, Kartoffeln und Rinderbraten, Paradiesäpfel und Zwiebeln u.s.w. ganz friedlich neben einander und werden mit großem Appetite bei tiefster Stille verzehrt. Am Ende der Mahlzeit kömmt der Humpen an die Reihe, der von Hand zu Hand geht und mit Wein oder auch nur mit Wasser gefüllt ist. Dann erst fängt die Gesellschaft an zu sprechen. — Des Abends wird in diesen Lokalen bei einer Guitarre auch fleißig getanzt. Leider war gerade Fastenzeit, während welcher alle öffentlichen Unterhaltungen verboten sind. Die Leute nahmen es jedoch nicht so genau und waren für einige Reaux gleich bereit, mir in einem Hinterstübchen eine Aufführung ihrer Nationaltänze, der Sammaquecca und Refolosa zum besten zu geben. Ich hatte bald geng, so über alle Maßen unanständig waren die Geberden und Bewegungen der Tänzer, und mich dauerte nur die Jugend, deren angeborenes Zartgefühl durch Anschauung dieser Tänze schon im ersten Reime erstickt wird.

Nicht minder mißfiel mir eine hier herrschende sonderbare Sitte, in Folge welcher der Tod eines kleinen Kindes von den Eltern als Freudenfest gefeiert wird. Sie nennen das verstorbene Kind einen Angelito (Engelchen) und schmücken es auf alle Weise aus. Die Augen werden ihm nicht geschlossen, sondern im Gegentheil so weit als möglich geöffnet, die Backen roth gefärbt, es wird mit den schönsten Kleidern angethan, mit Blumen bekränzt und auf einem kleinen Stuhle in eine Art Nische gesetzt, die ebenfalls mit Blumen geschmückt ist. Nun

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0148" n="141"/>
blos <hi rendition="#g">alle Gäste</hi> aus einer Schüssel essen, sondern daß auch <hi rendition="#g">alle Gerichte</hi> in einer Schüssel aufgetischt werden. Da liegen Bohnen und Reis, Kartoffeln und Rinderbraten, Paradiesäpfel und Zwiebeln u.s.w. ganz friedlich neben einander und werden mit großem Appetite bei tiefster Stille verzehrt. Am Ende der Mahlzeit kömmt der Humpen an die Reihe, der von Hand zu Hand geht und mit Wein oder auch nur mit Wasser gefüllt ist. Dann erst fängt die Gesellschaft an zu sprechen. &#x2014; Des Abends wird in diesen Lokalen bei einer Guitarre auch fleißig getanzt. Leider war gerade Fastenzeit, während welcher alle öffentlichen Unterhaltungen verboten sind. Die Leute nahmen es jedoch nicht so genau und waren für einige <hi rendition="#aq">Reaux</hi> gleich bereit, mir in einem Hinterstübchen eine Aufführung ihrer Nationaltänze, der Sammaquecca und <hi rendition="#aq">Refolosa</hi> zum besten zu geben. Ich hatte bald geng, so über alle Maßen unanständig waren die Geberden und Bewegungen der Tänzer, und mich dauerte nur die Jugend, deren angeborenes Zartgefühl durch Anschauung dieser Tänze schon im ersten Reime erstickt wird.</p>
          <p> Nicht minder mißfiel mir eine hier herrschende sonderbare Sitte, in Folge welcher der Tod eines kleinen Kindes von den Eltern als Freudenfest gefeiert wird. Sie nennen das verstorbene Kind einen <hi rendition="#aq">Angelito</hi> (Engelchen) und schmücken es auf alle Weise aus. Die Augen werden ihm nicht geschlossen, sondern im Gegentheil so weit als möglich geöffnet, die Backen roth gefärbt, es wird mit den schönsten Kleidern angethan, mit Blumen bekränzt und auf einem kleinen Stuhle in eine Art Nische gesetzt, die ebenfalls mit Blumen geschmückt ist. Nun
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0148] blos alle Gäste aus einer Schüssel essen, sondern daß auch alle Gerichte in einer Schüssel aufgetischt werden. Da liegen Bohnen und Reis, Kartoffeln und Rinderbraten, Paradiesäpfel und Zwiebeln u.s.w. ganz friedlich neben einander und werden mit großem Appetite bei tiefster Stille verzehrt. Am Ende der Mahlzeit kömmt der Humpen an die Reihe, der von Hand zu Hand geht und mit Wein oder auch nur mit Wasser gefüllt ist. Dann erst fängt die Gesellschaft an zu sprechen. — Des Abends wird in diesen Lokalen bei einer Guitarre auch fleißig getanzt. Leider war gerade Fastenzeit, während welcher alle öffentlichen Unterhaltungen verboten sind. Die Leute nahmen es jedoch nicht so genau und waren für einige Reaux gleich bereit, mir in einem Hinterstübchen eine Aufführung ihrer Nationaltänze, der Sammaquecca und Refolosa zum besten zu geben. Ich hatte bald geng, so über alle Maßen unanständig waren die Geberden und Bewegungen der Tänzer, und mich dauerte nur die Jugend, deren angeborenes Zartgefühl durch Anschauung dieser Tänze schon im ersten Reime erstickt wird. Nicht minder mißfiel mir eine hier herrschende sonderbare Sitte, in Folge welcher der Tod eines kleinen Kindes von den Eltern als Freudenfest gefeiert wird. Sie nennen das verstorbene Kind einen Angelito (Engelchen) und schmücken es auf alle Weise aus. Die Augen werden ihm nicht geschlossen, sondern im Gegentheil so weit als möglich geöffnet, die Backen roth gefärbt, es wird mit den schönsten Kleidern angethan, mit Blumen bekränzt und auf einem kleinen Stuhle in eine Art Nische gesetzt, die ebenfalls mit Blumen geschmückt ist. Nun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850/148
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 1. Wien, 1850, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt01_1850/148>, abgerufen am 27.11.2024.