Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.gekehrt, und Young's Nachtgedanken stacken dazwischen. Einige Kupferstiche und Gemälde, die nach des guten Baboo Meinung, die Wände zieren sollten, waren weniger werth als die sie umgebenden Rahmen. Der reiche Mann ließ seine beiden Söhne kommen -- hübsche Jungen von sieben und vier Jahren, die er mir vorstellte. Ich frug, obwohl der Sitte ganz entgegen, nach seiner Frau und seinen Töchtern. Unser armes Geschlecht steht in der Meinung der Hindus so tief, daß eine Frage nach ihm schon einer halben Beleidigung gleicht. Er nahm es jedoch mit mir Europäerin nicht so strenge und ließ sogleich seine Mädchen kommen. Das jüngste, ein allerliebstes Kindchen von sechs Monaten, war ziemlich weiß und hatte große, schöne Augen, deren Feuer durch die schwarzblauen, feinen Ränder, die um jene gemalt waren, sehr gesteigert wurde. Die älteste Tochter (9 Jahre alt) hatte ein etwas gemeines, plumpes Gesicht. Der Vater *) stellte sie mir als Braut vor und lud mich zur Hochzeit ein, die in sechs Wochen statt haben sollte. Ich war über diese zeitliche Heirath so sehr erstaunt, daß ich sagte, er werde wohl Verlobung und nicht Hochzeit meinen; er versicherte mir aber, daß das Mädchen dem Manne vermählt und ihm übergeben werde. Als ich frug, ob das Mädchen den Bräutigam auch liebe, erfuhr ich, daß beide sich zum ersten Male bei der Hochzeit zu sehen bekämen. Der Baboo erzählte mir weiter, daß sich bei seinem Volke jeder Vater so zeitlich *) Der Mann sprach ziemlich verständlich die englische Sprache.
gekehrt, und Young’s Nachtgedanken stacken dazwischen. Einige Kupferstiche und Gemälde, die nach des guten Baboo Meinung, die Wände zieren sollten, waren weniger werth als die sie umgebenden Rahmen. Der reiche Mann ließ seine beiden Söhne kommen — hübsche Jungen von sieben und vier Jahren, die er mir vorstellte. Ich frug, obwohl der Sitte ganz entgegen, nach seiner Frau und seinen Töchtern. Unser armes Geschlecht steht in der Meinung der Hindus so tief, daß eine Frage nach ihm schon einer halben Beleidigung gleicht. Er nahm es jedoch mit mir Europäerin nicht so strenge und ließ sogleich seine Mädchen kommen. Das jüngste, ein allerliebstes Kindchen von sechs Monaten, war ziemlich weiß und hatte große, schöne Augen, deren Feuer durch die schwarzblauen, feinen Ränder, die um jene gemalt waren, sehr gesteigert wurde. Die älteste Tochter (9 Jahre alt) hatte ein etwas gemeines, plumpes Gesicht. Der Vater *) stellte sie mir als Braut vor und lud mich zur Hochzeit ein, die in sechs Wochen statt haben sollte. Ich war über diese zeitliche Heirath so sehr erstaunt, daß ich sagte, er werde wohl Verlobung und nicht Hochzeit meinen; er versicherte mir aber, daß das Mädchen dem Manne vermählt und ihm übergeben werde. Als ich frug, ob das Mädchen den Bräutigam auch liebe, erfuhr ich, daß beide sich zum ersten Male bei der Hochzeit zu sehen bekämen. Der Baboo erzählte mir weiter, daß sich bei seinem Volke jeder Vater so zeitlich *) Der Mann sprach ziemlich verständlich die englische Sprache.
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gekehrt, und Young’s Nachtgedanken stacken dazwischen. Einige Kupferstiche und Gemälde, die nach des guten Baboo Meinung, die Wände zieren sollten, waren weniger werth als die sie umgebenden Rahmen.
Der reiche Mann ließ seine beiden Söhne kommen — hübsche Jungen von sieben und vier Jahren, die er mir vorstellte. Ich frug, obwohl der Sitte ganz entgegen, nach seiner Frau und seinen Töchtern. Unser armes Geschlecht steht in der Meinung der Hindus so tief, daß eine Frage nach ihm schon einer halben Beleidigung gleicht. Er nahm es jedoch mit mir Europäerin nicht so strenge und ließ sogleich seine Mädchen kommen. Das jüngste, ein allerliebstes Kindchen von sechs Monaten, war ziemlich weiß und hatte große, schöne Augen, deren Feuer durch die schwarzblauen, feinen Ränder, die um jene gemalt waren, sehr gesteigert wurde. Die älteste Tochter (9 Jahre alt) hatte ein etwas gemeines, plumpes Gesicht. Der Vater *) stellte sie mir als Braut vor und lud mich zur Hochzeit ein, die in sechs Wochen statt haben sollte. Ich war über diese zeitliche Heirath so sehr erstaunt, daß ich sagte, er werde wohl Verlobung und nicht Hochzeit meinen; er versicherte mir aber, daß das Mädchen dem Manne vermählt und ihm übergeben werde.
Als ich frug, ob das Mädchen den Bräutigam auch liebe, erfuhr ich, daß beide sich zum ersten Male bei der Hochzeit zu sehen bekämen. Der Baboo erzählte mir weiter, daß sich bei seinem Volke jeder Vater so zeitlich
*) Der Mann sprach ziemlich verständlich die englische Sprache.
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/141>, abgerufen am 16.07.2024. |