Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.soll und von welchen jede Delhi hieß. So oft nämlich die Paläste, Festungsmauern, Moscheen u. s. w. baufällig wurden, ließ man sie in Ruinen zerfallen und führte neue Bauten neben den alten auf. Auf diese Art häuften sich hier Ruinen über Ruinen, welche über sechs engl. Meilen in der Breite und achtzehn in der Länge einnehmen sollen. Wenn nicht schon ein großer Theil davon mit einer dünnen Erdschichte überdeckt wäre, würden diese Ruinen gewiß die ausgebreitesten der Welt sein. Neu-Delhi liegt am Jumna; es hat nach Brückners Erdbeschreibung eine Bevölkerung von 500,000 Seelen *); soll aber in Wirklichkeit nur wenig über 100,000 zählen, darunter hundert Europäer. Die Straßen sind so breit und schön, wie ich deren noch in keiner indischen Stadt gesehen habe. Die Hauptstraße, Tschandni-Tschauk, würde jeder europäischen Stadt Ehre machen: sie ist bei drei Viertel engl. Meilen lang und an hundert Fuß breit; ein schmaler, wasserarmer, halb verschütteter Kanal durchschneidet sie der Länge nach. Die Häuser in der Hauptstraße zeichnen sich weder durch Größe noch Pracht aus, sie sind höchstens stockhoch und unten mit erbärmlichen Vordächern oder Arkaden versehen, unter welchen werthlose Waaren ausgestellt sind. Von den kostbaren Waarenlagern, von den vielen Edelsteinen, die des Abends bei Lampen und Lichtern, wie viele Reisende erzählen, so unvergleichlich schimmern sollen, sah ich nichts. Die hübschen Häuser und die reichen Waarenlager muß man in den am Bazar gelegenen Seitengassen suchen. Die *) Zur Zeit der höchsten Blüthe hatte es zwei Millionen.
soll und von welchen jede Delhi hieß. So oft nämlich die Paläste, Festungsmauern, Moscheen u. s. w. baufällig wurden, ließ man sie in Ruinen zerfallen und führte neue Bauten neben den alten auf. Auf diese Art häuften sich hier Ruinen über Ruinen, welche über sechs engl. Meilen in der Breite und achtzehn in der Länge einnehmen sollen. Wenn nicht schon ein großer Theil davon mit einer dünnen Erdschichte überdeckt wäre, würden diese Ruinen gewiß die ausgebreitesten der Welt sein. Neu-Delhi liegt am Jumna; es hat nach Brückners Erdbeschreibung eine Bevölkerung von 500,000 Seelen *); soll aber in Wirklichkeit nur wenig über 100,000 zählen, darunter hundert Europäer. Die Straßen sind so breit und schön, wie ich deren noch in keiner indischen Stadt gesehen habe. Die Hauptstraße, Tschandni-Tschauk, würde jeder europäischen Stadt Ehre machen: sie ist bei drei Viertel engl. Meilen lang und an hundert Fuß breit; ein schmaler, wasserarmer, halb verschütteter Kanal durchschneidet sie der Länge nach. Die Häuser in der Hauptstraße zeichnen sich weder durch Größe noch Pracht aus, sie sind höchstens stockhoch und unten mit erbärmlichen Vordächern oder Arkaden versehen, unter welchen werthlose Waaren ausgestellt sind. Von den kostbaren Waarenlagern, von den vielen Edelsteinen, die des Abends bei Lampen und Lichtern, wie viele Reisende erzählen, so unvergleichlich schimmern sollen, sah ich nichts. Die hübschen Häuser und die reichen Waarenlager muß man in den am Bazar gelegenen Seitengassen suchen. Die *) Zur Zeit der höchsten Blüthe hatte es zwei Millionen.
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soll und von welchen jede Delhi hieß. So oft nämlich die Paläste, Festungsmauern, Moscheen u. s. w. baufällig wurden, ließ man sie in Ruinen zerfallen und führte neue Bauten neben den alten auf. Auf diese Art häuften sich hier Ruinen über Ruinen, welche über sechs engl. Meilen in der Breite und achtzehn in der Länge einnehmen sollen. Wenn nicht schon ein großer Theil davon mit einer dünnen Erdschichte überdeckt wäre, würden diese Ruinen gewiß die ausgebreitesten der Welt sein.
Neu-Delhi liegt am Jumna; es hat nach Brückners Erdbeschreibung eine Bevölkerung von 500,000 Seelen *); soll aber in Wirklichkeit nur wenig über 100,000 zählen, darunter hundert Europäer. Die Straßen sind so breit und schön, wie ich deren noch in keiner indischen Stadt gesehen habe. Die Hauptstraße, Tschandni-Tschauk, würde jeder europäischen Stadt Ehre machen: sie ist bei drei Viertel engl. Meilen lang und an hundert Fuß breit; ein schmaler, wasserarmer, halb verschütteter Kanal durchschneidet sie der Länge nach. Die Häuser in der Hauptstraße zeichnen sich weder durch Größe noch Pracht aus, sie sind höchstens stockhoch und unten mit erbärmlichen Vordächern oder Arkaden versehen, unter welchen werthlose Waaren ausgestellt sind. Von den kostbaren Waarenlagern, von den vielen Edelsteinen, die des Abends bei Lampen und Lichtern, wie viele Reisende erzählen, so unvergleichlich schimmern sollen, sah ich nichts. Die hübschen Häuser und die reichen Waarenlager muß man in den am Bazar gelegenen Seitengassen suchen. Die
*) Zur Zeit der höchsten Blüthe hatte es zwei Millionen.
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/215>, abgerufen am 16.02.2025. |