Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

Compaßnadel in gleicher Richtung stand -- zu dieser Arbeit benöthigten sie wenigstens eine Viertelstunde.

Der Sarg wurde hierauf mit großen Bogen weißen Papieres mehrfach überdeckt, und der Chinese, der sich mit den Messungen befaßt hatte, hielt eine kurze Rede, während welcher sich die Kinder des Verstorbenen am Grabe zur Erde warfen. Nach geendeter Rede streute der Redner einige Hände voll Reiskörner über den Sarg und bis an die Kinder hin. Diese hielten die Ecken der Oberkleider auf, um von den Körnern so viel als möglich zu erhaschen; da sie aber nur wenige bekamen, gab ihnen der Redner noch ein Paar Fingerhüte voll dazu. Sie banden sie sorgfältig in die Ecken der Oberkleider und nahmen sie mit sich.

Das Grab wurde endlich mit Erde angefüllt, wobei die Verwandten ein fürchterliches Geheul erhoben; so viel ich aber bemerkte, blieb jedes Auge trocken.

Nach dieser Ceremonie setzte man gekochte Hühner, Enten, Schweinefleisch, Früchte, Backwerk und ein Dutzend gefüllter Theetassen nebst der Kanne, in zwei Reihen auf das Grab. Man zündete sechs bemalte Wachskerzen an und steckte sie neben den Speisen in die Erde. Darauf brannte man beständig Gold- und Silberpapier an, bis große Haufen solchen Papieres vom Feuer verzehrt waren.

Der älteste Sohn trat nun wieder an's Grab, warf sich mehrmals davor nieder und berührte jedesmal mit der Stirne die Erde. Man reichte ihm sechs glimmende, wohlriechende Papierkerzchen, die er einigemal in die Luft schwang und dann zurückgab -- auch sie wurden in die

Compaßnadel in gleicher Richtung stand — zu dieser Arbeit benöthigten sie wenigstens eine Viertelstunde.

Der Sarg wurde hierauf mit großen Bogen weißen Papieres mehrfach überdeckt, und der Chinese, der sich mit den Messungen befaßt hatte, hielt eine kurze Rede, während welcher sich die Kinder des Verstorbenen am Grabe zur Erde warfen. Nach geendeter Rede streute der Redner einige Hände voll Reiskörner über den Sarg und bis an die Kinder hin. Diese hielten die Ecken der Oberkleider auf, um von den Körnern so viel als möglich zu erhaschen; da sie aber nur wenige bekamen, gab ihnen der Redner noch ein Paar Fingerhüte voll dazu. Sie banden sie sorgfältig in die Ecken der Oberkleider und nahmen sie mit sich.

Das Grab wurde endlich mit Erde angefüllt, wobei die Verwandten ein fürchterliches Geheul erhoben; so viel ich aber bemerkte, blieb jedes Auge trocken.

Nach dieser Ceremonie setzte man gekochte Hühner, Enten, Schweinefleisch, Früchte, Backwerk und ein Dutzend gefüllter Theetassen nebst der Kanne, in zwei Reihen auf das Grab. Man zündete sechs bemalte Wachskerzen an und steckte sie neben den Speisen in die Erde. Darauf brannte man beständig Gold- und Silberpapier an, bis große Haufen solchen Papieres vom Feuer verzehrt waren.

Der älteste Sohn trat nun wieder an’s Grab, warf sich mehrmals davor nieder und berührte jedesmal mit der Stirne die Erde. Man reichte ihm sechs glimmende, wohlriechende Papierkerzchen, die er einigemal in die Luft schwang und dann zurückgab — auch sie wurden in die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0091" n="84"/>
Compaßnadel in gleicher Richtung stand &#x2014; zu dieser Arbeit benöthigten sie wenigstens eine Viertelstunde.</p>
          <p>Der Sarg wurde hierauf mit großen Bogen weißen Papieres mehrfach überdeckt, und der Chinese, der sich mit den Messungen befaßt hatte, hielt eine kurze Rede, während welcher sich die Kinder des Verstorbenen am Grabe zur Erde warfen. Nach geendeter Rede streute der Redner einige Hände voll Reiskörner über den Sarg und bis an die Kinder hin. Diese hielten die Ecken der Oberkleider auf, um von den Körnern so viel als möglich zu erhaschen; da sie aber nur wenige bekamen, gab ihnen der Redner noch ein Paar Fingerhüte voll dazu. Sie banden sie sorgfältig in die Ecken der Oberkleider und nahmen sie mit sich.</p>
          <p>Das Grab wurde endlich mit Erde angefüllt, wobei die Verwandten ein fürchterliches Geheul erhoben; so viel ich aber bemerkte, blieb jedes Auge trocken.</p>
          <p>Nach dieser Ceremonie setzte man gekochte Hühner, Enten, Schweinefleisch, Früchte, Backwerk und ein Dutzend gefüllter Theetassen nebst der Kanne, in zwei Reihen auf das Grab. Man zündete sechs bemalte Wachskerzen an und steckte sie neben den Speisen in die Erde. Darauf brannte man beständig Gold- und Silberpapier an, bis große Haufen solchen Papieres vom Feuer verzehrt waren.</p>
          <p>Der älteste Sohn trat nun wieder an&#x2019;s Grab, warf sich mehrmals davor nieder und berührte jedesmal mit der Stirne die Erde. Man reichte ihm sechs glimmende, wohlriechende Papierkerzchen, die er einigemal in die Luft schwang und dann zurückgab &#x2014; auch sie wurden in die
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0091] Compaßnadel in gleicher Richtung stand — zu dieser Arbeit benöthigten sie wenigstens eine Viertelstunde. Der Sarg wurde hierauf mit großen Bogen weißen Papieres mehrfach überdeckt, und der Chinese, der sich mit den Messungen befaßt hatte, hielt eine kurze Rede, während welcher sich die Kinder des Verstorbenen am Grabe zur Erde warfen. Nach geendeter Rede streute der Redner einige Hände voll Reiskörner über den Sarg und bis an die Kinder hin. Diese hielten die Ecken der Oberkleider auf, um von den Körnern so viel als möglich zu erhaschen; da sie aber nur wenige bekamen, gab ihnen der Redner noch ein Paar Fingerhüte voll dazu. Sie banden sie sorgfältig in die Ecken der Oberkleider und nahmen sie mit sich. Das Grab wurde endlich mit Erde angefüllt, wobei die Verwandten ein fürchterliches Geheul erhoben; so viel ich aber bemerkte, blieb jedes Auge trocken. Nach dieser Ceremonie setzte man gekochte Hühner, Enten, Schweinefleisch, Früchte, Backwerk und ein Dutzend gefüllter Theetassen nebst der Kanne, in zwei Reihen auf das Grab. Man zündete sechs bemalte Wachskerzen an und steckte sie neben den Speisen in die Erde. Darauf brannte man beständig Gold- und Silberpapier an, bis große Haufen solchen Papieres vom Feuer verzehrt waren. Der älteste Sohn trat nun wieder an’s Grab, warf sich mehrmals davor nieder und berührte jedesmal mit der Stirne die Erde. Man reichte ihm sechs glimmende, wohlriechende Papierkerzchen, die er einigemal in die Luft schwang und dann zurückgab — auch sie wurden in die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/91
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 2. Wien, 1850, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt02_1850/91>, abgerufen am 24.11.2024.