Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.gesprungen, hatte einen der Bursche bei der Brust gepackt, hielt ihm die geladene Pistole vor's Gesicht und drohte, ihn zu erschießen. Dies war von unvergleichlicher Wirkung, die Wegelagerer ließen augenblicklich von uns ab und der Streit ging bald in eine friedliche Unterredung über, ja am Ende wiesen sie uns selbst einen guten Lagerplatz an, wofür sie sich aber einen kleinen Baksisch (Trinkgeld) erbaten, der ihnen auch nach einer allgemeinen Sammlung verabreicht wurde. -- Von mir, als zum weiblichen Geschlechte gehörend, forderte man nichts. Wir brachten hier die Nachtstunden zu, aber nicht ohne Wache zu halten, -- man traute dem Landfrieden nicht. 11. Juli. Um vier Uhr machten wir uns wieder auf den Weg und ritten sechs Stunden bis an das Dörfchen Selik. Wir kamen durch mehrere Dörfer, die aber ein ganz erbärmliches Aussehen hatten: die Hütten bestanden aus Rohr und Stroh, der leiseste Windstoß hätte sie umstoßen können. Die Tracht des Volkes neigt sich der orientalischen zu, alle waren höchst dürftig, schmutzig und zerrissen gekleidet. Bei Selik übberraschte uns der Anblick einiger Feigenbäume und eines andern größeren Baumes. Auch in deisem Lande gehören Bäume zu den Seltenheiten. Die uns umgebenden Gebirge waren nackt und kahl, und in den Thälern wucherten höchstens hin und wieder wildwachsende Artischocken oder schöne Distel- und Strohblumen. Der edle Pilgersmann unterstand sich, mir meinen Platz unter dem großen Baume, wo sich der ganze Troß lagerte, anweisen zu wollen. Ich würdigte ihn keiner Antwort gesprungen, hatte einen der Bursche bei der Brust gepackt, hielt ihm die geladene Pistole vor’s Gesicht und drohte, ihn zu erschießen. Dies war von unvergleichlicher Wirkung, die Wegelagerer ließen augenblicklich von uns ab und der Streit ging bald in eine friedliche Unterredung über, ja am Ende wiesen sie uns selbst einen guten Lagerplatz an, wofür sie sich aber einen kleinen Baksisch (Trinkgeld) erbaten, der ihnen auch nach einer allgemeinen Sammlung verabreicht wurde. — Von mir, als zum weiblichen Geschlechte gehörend, forderte man nichts. Wir brachten hier die Nachtstunden zu, aber nicht ohne Wache zu halten, — man traute dem Landfrieden nicht. 11. Juli. Um vier Uhr machten wir uns wieder auf den Weg und ritten sechs Stunden bis an das Dörfchen Selik. Wir kamen durch mehrere Dörfer, die aber ein ganz erbärmliches Aussehen hatten: die Hütten bestanden aus Rohr und Stroh, der leiseste Windstoß hätte sie umstoßen können. Die Tracht des Volkes neigt sich der orientalischen zu, alle waren höchst dürftig, schmutzig und zerrissen gekleidet. Bei Selik übberraschte uns der Anblick einiger Feigenbäume und eines andern größeren Baumes. Auch in deisem Lande gehören Bäume zu den Seltenheiten. Die uns umgebenden Gebirge waren nackt und kahl, und in den Thälern wucherten höchstens hin und wieder wildwachsende Artischocken oder schöne Distel- und Strohblumen. Der edle Pilgersmann unterstand sich, mir meinen Platz unter dem großen Baume, wo sich der ganze Troß lagerte, anweisen zu wollen. Ich würdigte ihn keiner Antwort <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0185" n="177"/> gesprungen, hatte einen der Bursche bei der Brust gepackt, hielt ihm die geladene Pistole vor’s Gesicht und drohte, ihn zu erschießen. Dies war von unvergleichlicher Wirkung, die Wegelagerer ließen augenblicklich von uns ab und der Streit ging bald in eine friedliche Unterredung über, ja am Ende wiesen sie uns selbst einen guten Lagerplatz an, wofür sie sich aber einen kleinen <hi rendition="#aq">Baksisch</hi> (Trinkgeld) erbaten, der ihnen auch nach einer allgemeinen Sammlung verabreicht wurde. — Von mir, als zum weiblichen Geschlechte gehörend, forderte man nichts.</p> <p>Wir brachten hier die Nachtstunden zu, aber nicht ohne Wache zu halten, — man traute dem Landfrieden nicht.</p> <p>11. Juli. Um vier Uhr machten wir uns wieder auf den Weg und ritten sechs Stunden bis an das Dörfchen <hi rendition="#aq">Selik</hi>. Wir kamen durch mehrere Dörfer, die aber ein ganz erbärmliches Aussehen hatten: die Hütten bestanden aus Rohr und Stroh, der leiseste Windstoß hätte sie umstoßen können. Die Tracht des Volkes neigt sich der orientalischen zu, alle waren höchst dürftig, schmutzig und zerrissen gekleidet.</p> <p>Bei <hi rendition="#aq">Selik</hi> übberraschte uns der Anblick einiger Feigenbäume und eines andern größeren Baumes. Auch in deisem Lande gehören Bäume zu den Seltenheiten. Die uns umgebenden Gebirge waren nackt und kahl, und in den Thälern wucherten höchstens hin und wieder wildwachsende Artischocken oder schöne Distel- und Strohblumen.</p> <p>Der edle Pilgersmann unterstand sich, mir meinen Platz unter dem großen Baume, wo sich der ganze Troß lagerte, anweisen zu wollen. Ich würdigte ihn keiner Antwort </p> </div> </body> </text> </TEI> [177/0185]
gesprungen, hatte einen der Bursche bei der Brust gepackt, hielt ihm die geladene Pistole vor’s Gesicht und drohte, ihn zu erschießen. Dies war von unvergleichlicher Wirkung, die Wegelagerer ließen augenblicklich von uns ab und der Streit ging bald in eine friedliche Unterredung über, ja am Ende wiesen sie uns selbst einen guten Lagerplatz an, wofür sie sich aber einen kleinen Baksisch (Trinkgeld) erbaten, der ihnen auch nach einer allgemeinen Sammlung verabreicht wurde. — Von mir, als zum weiblichen Geschlechte gehörend, forderte man nichts.
Wir brachten hier die Nachtstunden zu, aber nicht ohne Wache zu halten, — man traute dem Landfrieden nicht.
11. Juli. Um vier Uhr machten wir uns wieder auf den Weg und ritten sechs Stunden bis an das Dörfchen Selik. Wir kamen durch mehrere Dörfer, die aber ein ganz erbärmliches Aussehen hatten: die Hütten bestanden aus Rohr und Stroh, der leiseste Windstoß hätte sie umstoßen können. Die Tracht des Volkes neigt sich der orientalischen zu, alle waren höchst dürftig, schmutzig und zerrissen gekleidet.
Bei Selik übberraschte uns der Anblick einiger Feigenbäume und eines andern größeren Baumes. Auch in deisem Lande gehören Bäume zu den Seltenheiten. Die uns umgebenden Gebirge waren nackt und kahl, und in den Thälern wucherten höchstens hin und wieder wildwachsende Artischocken oder schöne Distel- und Strohblumen.
Der edle Pilgersmann unterstand sich, mir meinen Platz unter dem großen Baume, wo sich der ganze Troß lagerte, anweisen zu wollen. Ich würdigte ihn keiner Antwort
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Zitationshilfe: | Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/185>, abgerufen am 16.02.2025. |