Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

und nahm einen der Feigenbäume in Besitz. Ali, der weit besser war als er aussah, brachte mir einen Topf Buttermilch, und so gehörte der heutige Tag zu den besseren.

Mehrere Weiber vom Dorfe besuchten mich und baten mich um Geld; ich gab ihnen aber keines, weil ich aus Erfahrung wußte, wie man von allen bestürmt wird, wenn man einer etwas gibt. -- Ich schenkte einst einem Kinde ein Ringelchen, -- sogleich hatte ich nicht nur alle Kinder, sondern auch deren Mütter und Großmütter auf dem Halse. Es kostete mir Mühe, sie abzuhalten, daß sie nicht gewaltthätig nach meinen Taschen langten. Seitdem ward ich vorsichtiger. Eine unter den Weibern hier veränderte ihre bittende Miene bald in eine so drohende, daß ich herzlich froh war, mich mit ihr nicht allein in Gesellschaft zu befinden.

Nachmittags vier Uhr verließen wir dies Oertchen. Der Pilger trennte sich von uns, und die Karavane bestand nun nur noch aus fünf Männern. Nach anderthalb Stunden erreichten wir eine Anhöhe, die uns die Uebersicht eines ausgedehnten, gut kultivirten Hügellandes gewährte. Der Boden in Kurdistan ist ungleich besser als in Mesopotamien, das Land ist daher auch mehr bevölkert, und man zieht häufig an Dörfern vorüber.

Noch vor Einbruch der Nacht kamen wir in ein Thal, das sich durch frische Reispflanzungen, schönes Gebüsch, Schilf und grünes Rohr hervorthat, ein munteres Bächlein rauschte uns zur Seite, die Hitze machte den Abendschatten Platz, und somit blieb uns für diesen Augenblick nichts zu wünschen übrig. Die Freude währte aber nicht

und nahm einen der Feigenbäume in Besitz. Ali, der weit besser war als er aussah, brachte mir einen Topf Buttermilch, und so gehörte der heutige Tag zu den besseren.

Mehrere Weiber vom Dorfe besuchten mich und baten mich um Geld; ich gab ihnen aber keines, weil ich aus Erfahrung wußte, wie man von allen bestürmt wird, wenn man einer etwas gibt. — Ich schenkte einst einem Kinde ein Ringelchen, — sogleich hatte ich nicht nur alle Kinder, sondern auch deren Mütter und Großmütter auf dem Halse. Es kostete mir Mühe, sie abzuhalten, daß sie nicht gewaltthätig nach meinen Taschen langten. Seitdem ward ich vorsichtiger. Eine unter den Weibern hier veränderte ihre bittende Miene bald in eine so drohende, daß ich herzlich froh war, mich mit ihr nicht allein in Gesellschaft zu befinden.

Nachmittags vier Uhr verließen wir dies Oertchen. Der Pilger trennte sich von uns, und die Karavane bestand nun nur noch aus fünf Männern. Nach anderthalb Stunden erreichten wir eine Anhöhe, die uns die Uebersicht eines ausgedehnten, gut kultivirten Hügellandes gewährte. Der Boden in Kurdistan ist ungleich besser als in Mesopotamien, das Land ist daher auch mehr bevölkert, und man zieht häufig an Dörfern vorüber.

Noch vor Einbruch der Nacht kamen wir in ein Thal, das sich durch frische Reispflanzungen, schönes Gebüsch, Schilf und grünes Rohr hervorthat, ein munteres Bächlein rauschte uns zur Seite, die Hitze machte den Abendschatten Platz, und somit blieb uns für diesen Augenblick nichts zu wünschen übrig. Die Freude währte aber nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0186" n="178"/>
und nahm einen der Feigenbäume in Besitz. Ali, der weit besser war als er aussah, brachte mir einen Topf Buttermilch, und so gehörte der heutige Tag zu den besseren.</p>
        <p>Mehrere Weiber vom Dorfe besuchten mich und baten mich um Geld; ich gab ihnen aber keines, weil ich aus Erfahrung wußte, wie man von allen bestürmt wird, wenn man einer etwas gibt. &#x2014; Ich schenkte einst einem Kinde ein Ringelchen, &#x2014; sogleich hatte ich nicht nur alle Kinder, sondern auch deren Mütter und Großmütter auf dem Halse. Es kostete mir Mühe, sie abzuhalten, daß sie nicht gewaltthätig nach meinen Taschen langten. Seitdem ward ich vorsichtiger. Eine unter den Weibern hier veränderte ihre bittende Miene bald in eine so drohende, daß ich herzlich froh war, mich mit ihr nicht allein in Gesellschaft zu befinden.</p>
        <p>Nachmittags vier Uhr verließen wir dies Oertchen. Der Pilger trennte sich von uns, und die Karavane bestand nun nur noch aus fünf Männern. Nach anderthalb Stunden erreichten wir eine Anhöhe, die uns die Uebersicht eines ausgedehnten, gut kultivirten Hügellandes gewährte. Der Boden in Kurdistan ist ungleich besser als in Mesopotamien, das Land ist daher auch mehr bevölkert, und man zieht häufig an Dörfern vorüber.</p>
        <p>Noch vor Einbruch der Nacht kamen wir in ein Thal, das sich durch frische Reispflanzungen, schönes Gebüsch, Schilf und grünes Rohr hervorthat, ein munteres Bächlein rauschte uns zur Seite, die Hitze machte den Abendschatten Platz, und somit blieb uns für diesen Augenblick nichts zu wünschen übrig. Die Freude währte aber nicht
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0186] und nahm einen der Feigenbäume in Besitz. Ali, der weit besser war als er aussah, brachte mir einen Topf Buttermilch, und so gehörte der heutige Tag zu den besseren. Mehrere Weiber vom Dorfe besuchten mich und baten mich um Geld; ich gab ihnen aber keines, weil ich aus Erfahrung wußte, wie man von allen bestürmt wird, wenn man einer etwas gibt. — Ich schenkte einst einem Kinde ein Ringelchen, — sogleich hatte ich nicht nur alle Kinder, sondern auch deren Mütter und Großmütter auf dem Halse. Es kostete mir Mühe, sie abzuhalten, daß sie nicht gewaltthätig nach meinen Taschen langten. Seitdem ward ich vorsichtiger. Eine unter den Weibern hier veränderte ihre bittende Miene bald in eine so drohende, daß ich herzlich froh war, mich mit ihr nicht allein in Gesellschaft zu befinden. Nachmittags vier Uhr verließen wir dies Oertchen. Der Pilger trennte sich von uns, und die Karavane bestand nun nur noch aus fünf Männern. Nach anderthalb Stunden erreichten wir eine Anhöhe, die uns die Uebersicht eines ausgedehnten, gut kultivirten Hügellandes gewährte. Der Boden in Kurdistan ist ungleich besser als in Mesopotamien, das Land ist daher auch mehr bevölkert, und man zieht häufig an Dörfern vorüber. Noch vor Einbruch der Nacht kamen wir in ein Thal, das sich durch frische Reispflanzungen, schönes Gebüsch, Schilf und grünes Rohr hervorthat, ein munteres Bächlein rauschte uns zur Seite, die Hitze machte den Abendschatten Platz, und somit blieb uns für diesen Augenblick nichts zu wünschen übrig. Die Freude währte aber nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/186
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/186>, abgerufen am 21.11.2024.