Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

sollen über hundert verschiedene Gattungen Reben gepflanzt sein.

Nach Jalta zurück gekommen mußte ich im Gasthofe noch über zwei Stunden verweilen, da die Herren, mit denen ich an Bord gehen sollte, ihr Trinkgelage noch nicht beendiget hatten. Als es endlich zum Aufbruche kam, war einer davon, ein Offizier vom Dampfer, so arg betrunken, daß er nicht gehen konnte. Zwei Herren schleiften ihn mit Hülfe des Wirthes nahe an's Ufer. Hier war zwar die Jolle des Dampfers; allein die Matrosen weigerten sich, uns überzuführen; die Jolle war für den Kapitän bestellt. Es mußte ein Boot gemiethet werden, wofür man zwanzig Kopeken Silber zu zahlen hatte. Die Herren wußten, daß ich nicht russisch sprach; allein sie wußten nicht, daß ich etwas bavon verstand. Ich vernahm ganz gut, wie der eine zum andern halb flüsternd sagte: "Ich habe keine Münze bei mir, lassen wir die Frau bezahlen." -- Darauf wandte er sich zu mir und sagte in französischer Sprache: Der Antheil, den Sie zu zahlen haben, beträgt zwanzig Kopeken in Silber. -- Das waren Herren, die Anspruch auf Erziehung und Bildung machten!

29. September. Heute hielten wir an der schönen und starken Festung Sewastopol. Die Festungswerke liegen theils an der Einfahrt des Hafens, theils im Hafen selbst, sind in massivem Stein aufgeführt, und so reich an Thürmen und Vorwerken, daß sie den Eingang in den Hafen mehrfach vertheidigen. Der Hafen selbst ist beinahe ganz von Hügeln eingeschlossen und einer der sichersten und trefflichsten der Welt. Er kann die größte Flotte aufnehmen und ist so tief, daß sich die mächtigsten Kriegsschiffe

sollen über hundert verschiedene Gattungen Reben gepflanzt sein.

Nach Jalta zurück gekommen mußte ich im Gasthofe noch über zwei Stunden verweilen, da die Herren, mit denen ich an Bord gehen sollte, ihr Trinkgelage noch nicht beendiget hatten. Als es endlich zum Aufbruche kam, war einer davon, ein Offizier vom Dampfer, so arg betrunken, daß er nicht gehen konnte. Zwei Herren schleiften ihn mit Hülfe des Wirthes nahe an’s Ufer. Hier war zwar die Jolle des Dampfers; allein die Matrosen weigerten sich, uns überzuführen; die Jolle war für den Kapitän bestellt. Es mußte ein Boot gemiethet werden, wofür man zwanzig Kopeken Silber zu zahlen hatte. Die Herren wußten, daß ich nicht russisch sprach; allein sie wußten nicht, daß ich etwas bavon verstand. Ich vernahm ganz gut, wie der eine zum andern halb flüsternd sagte: „Ich habe keine Münze bei mir, lassen wir die Frau bezahlen.“ — Darauf wandte er sich zu mir und sagte in französischer Sprache: Der Antheil, den Sie zu zahlen haben, beträgt zwanzig Kopeken in Silber. — Das waren Herren, die Anspruch auf Erziehung und Bildung machten!

29. September. Heute hielten wir an der schönen und starken Festung Sewastopol. Die Festungswerke liegen theils an der Einfahrt des Hafens, theils im Hafen selbst, sind in massivem Stein aufgeführt, und so reich an Thürmen und Vorwerken, daß sie den Eingang in den Hafen mehrfach vertheidigen. Der Hafen selbst ist beinahe ganz von Hügeln eingeschlossen und einer der sichersten und trefflichsten der Welt. Er kann die größte Flotte aufnehmen und ist so tief, daß sich die mächtigsten Kriegsschiffe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0305" n="297"/>
sollen über hundert verschiedene Gattungen Reben gepflanzt sein.</p>
        <p>Nach <hi rendition="#aq">Jalta</hi> zurück gekommen mußte ich im Gasthofe noch über zwei Stunden verweilen, da die Herren, mit denen ich an Bord gehen sollte, ihr Trinkgelage noch nicht beendiget hatten. Als es endlich zum Aufbruche kam, war einer davon, ein Offizier vom Dampfer, so arg betrunken, daß er nicht gehen konnte. Zwei Herren schleiften ihn mit Hülfe des Wirthes nahe an&#x2019;s Ufer. Hier war zwar die Jolle des Dampfers; allein die Matrosen weigerten sich, uns überzuführen; die Jolle war für den Kapitän bestellt. Es mußte ein Boot gemiethet werden, wofür man zwanzig Kopeken Silber zu zahlen hatte. Die Herren wußten, daß ich nicht russisch sprach; allein sie wußten nicht, daß ich etwas bavon verstand. Ich vernahm ganz gut, wie der eine zum andern halb flüsternd sagte: &#x201E;Ich habe keine Münze bei mir, lassen wir die Frau bezahlen.&#x201C; &#x2014; Darauf wandte er sich zu mir und sagte in französischer Sprache: Der Antheil, den Sie zu zahlen haben, beträgt zwanzig Kopeken in Silber. &#x2014; Das waren Herren, die Anspruch auf Erziehung und Bildung machten!</p>
        <p>29. September. Heute hielten wir an der schönen und starken Festung <hi rendition="#aq">Sewastopol</hi>. Die Festungswerke liegen theils an der Einfahrt des Hafens, theils im Hafen selbst, sind in massivem Stein aufgeführt, und so reich an Thürmen und Vorwerken, daß sie den Eingang in den Hafen mehrfach vertheidigen. Der Hafen selbst ist beinahe ganz von Hügeln eingeschlossen und einer der sichersten und trefflichsten der Welt. Er kann die größte Flotte aufnehmen und ist so tief, daß sich die mächtigsten Kriegsschiffe
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0305] sollen über hundert verschiedene Gattungen Reben gepflanzt sein. Nach Jalta zurück gekommen mußte ich im Gasthofe noch über zwei Stunden verweilen, da die Herren, mit denen ich an Bord gehen sollte, ihr Trinkgelage noch nicht beendiget hatten. Als es endlich zum Aufbruche kam, war einer davon, ein Offizier vom Dampfer, so arg betrunken, daß er nicht gehen konnte. Zwei Herren schleiften ihn mit Hülfe des Wirthes nahe an’s Ufer. Hier war zwar die Jolle des Dampfers; allein die Matrosen weigerten sich, uns überzuführen; die Jolle war für den Kapitän bestellt. Es mußte ein Boot gemiethet werden, wofür man zwanzig Kopeken Silber zu zahlen hatte. Die Herren wußten, daß ich nicht russisch sprach; allein sie wußten nicht, daß ich etwas bavon verstand. Ich vernahm ganz gut, wie der eine zum andern halb flüsternd sagte: „Ich habe keine Münze bei mir, lassen wir die Frau bezahlen.“ — Darauf wandte er sich zu mir und sagte in französischer Sprache: Der Antheil, den Sie zu zahlen haben, beträgt zwanzig Kopeken in Silber. — Das waren Herren, die Anspruch auf Erziehung und Bildung machten! 29. September. Heute hielten wir an der schönen und starken Festung Sewastopol. Die Festungswerke liegen theils an der Einfahrt des Hafens, theils im Hafen selbst, sind in massivem Stein aufgeführt, und so reich an Thürmen und Vorwerken, daß sie den Eingang in den Hafen mehrfach vertheidigen. Der Hafen selbst ist beinahe ganz von Hügeln eingeschlossen und einer der sichersten und trefflichsten der Welt. Er kann die größte Flotte aufnehmen und ist so tief, daß sich die mächtigsten Kriegsschiffe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sophie: A digital library of works by german-speaking women: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition (2013-06-28T07:11:29Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.) sind nicht konsequent wie in der Vorlage gekennzeichnet



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/305
Zitationshilfe: Pfeiffer, Ida: Eine Frauenfahrt um die Welt, Band 3. Wien, 1850, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfeiffer_frauenfahrt03_1850/305>, abgerufen am 23.11.2024.