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Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

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winden gewesen. Aber das Wesentliche dieser deutschen Reichsver-
fassung ist doch in den Entwurf der drei Königreiche aufge-
nommen, und es liegen somit zwei positive Entwürfe einer deutschen,
die Einheit im Sinne der Centralität festhaltenden Reichs-
verfassung vor, während die Gegenpartei der Großdeutschen noch keinen
ins Einzelne eingehenden Vorschlag und Entwurf einer deutschen Reichs-
verfassung, auf der Grundlage der Totalität Deutschlands,
aufzustellen vermocht hat.

Dagegen hat Oestreich, dessen Aufnahme in die deutsche Einheit
den Großdeutschen am Herzen liegt, durch die von ihm seinen sämmt-
lichen Völkern und Staaten verliehene einheitliche Verfassung, in
welcher vom Verhältniß zu Deutschland nicht mit einem Wort die Rede
ist, sich, d. h. seine deutschen Provinzen, von Deutschland zurückgezogen und
abgeschlossen, während es daneben immer noch die erste Stelle in Deutsch-
land, auf Grundlage der alten Bundesakte und der Verträge von 1815
in Anspruch nimmt. Wie die östreichische Regierung sich die neue
Gestaltung Deutschlands vorstellt, darüber hat sie sich noch nie offen
und ausführlich, sondern nur in einzelnen geheimnißvollen und nebel-
haften Andeutungen vernehmen lassen. Aber die Berufung auf die
Bundesakte, das Bündniß mit Rußland, der ganze Charakter der Re-
gierung, so wie einzelne bestimmte Erklärungen lassen kaum bezweifeln,
daß Oestreich den gerechten Forderungen politischer Freiheit Deutschlands
nichts weniger als günstig ist, daß es ein Volkshaus verwirft und daß
es im Wesentlichen die Herstellung des alten deutschen Bundes als Ziel
seiner Bestrebungen betrachtet.

Es soll jedoch dem Umstand, daß die Partei des Bundesstaats, die
sogenannte kleindeutsche, eine Verfassung aufgestellt hat, welcher die
Möglichkeit der Ausführung selbst von den Gegnern nicht schlechthin
abgesprochen wird, während die Großdeutschen uns einen solchen Entwurf
zur Zeit noch schuldig sind, kein zu großes Gewicht beigelegt werden.
Vielmehr soll hingewiesen werden auf die in der Sache selbst liegenden
Schwierigkeiten, ja Unmöglichkeiten, bei Aufnahme des gesammten
Deutschlands eine sonst befriedigende, starke und volksthümliche Verfas-
sung und Regierung zu schaffen.

Die Großdeutschen wollen entweder die östreichische Oberhaupt-
schaft, ein habsburgisches Kaiserthum, oder ein Direktorium, oder
am Ende den alten Bundestag mit einigen Modifikationen.

Was das Erste betrifft, so erinnert man an das alte historische
Recht des Kaiserhauses, an ehrwürdige Traditionen, an die Macht und
Größe Oestreichs, die es zum kräftigen Beschützer, aber ebenso zum ge-

1*

winden geweſen. Aber das Weſentliche dieſer deutſchen Reichsver-
faſſung iſt doch in den Entwurf der drei Königreiche aufge-
nommen, und es liegen ſomit zwei poſitive Entwürfe einer deutſchen,
die Einheit im Sinne der Centralität feſthaltenden Reichs-
verfaſſung vor, während die Gegenpartei der Großdeutſchen noch keinen
ins Einzelne eingehenden Vorſchlag und Entwurf einer deutſchen Reichs-
verfaſſung, auf der Grundlage der Totalität Deutſchlands,
aufzuſtellen vermocht hat.

Dagegen hat Oeſtreich, deſſen Aufnahme in die deutſche Einheit
den Großdeutſchen am Herzen liegt, durch die von ihm ſeinen ſämmt-
lichen Völkern und Staaten verliehene einheitliche Verfaſſung, in
welcher vom Verhältniß zu Deutſchland nicht mit einem Wort die Rede
iſt, ſich, d. h. ſeine deutſchen Provinzen, von Deutſchland zurückgezogen und
abgeſchloſſen, während es daneben immer noch die erſte Stelle in Deutſch-
land, auf Grundlage der alten Bundesakte und der Verträge von 1815
in Anſpruch nimmt. Wie die öſtreichiſche Regierung ſich die neue
Geſtaltung Deutſchlands vorſtellt, darüber hat ſie ſich noch nie offen
und ausführlich, ſondern nur in einzelnen geheimnißvollen und nebel-
haften Andeutungen vernehmen laſſen. Aber die Berufung auf die
Bundesakte, das Bündniß mit Rußland, der ganze Charakter der Re-
gierung, ſo wie einzelne beſtimmte Erklärungen laſſen kaum bezweifeln,
daß Oeſtreich den gerechten Forderungen politiſcher Freiheit Deutſchlands
nichts weniger als günſtig iſt, daß es ein Volkshaus verwirft und daß
es im Weſentlichen die Herſtellung des alten deutſchen Bundes als Ziel
ſeiner Beſtrebungen betrachtet.

Es ſoll jedoch dem Umſtand, daß die Partei des Bundesſtaats, die
ſogenannte kleindeutſche, eine Verfaſſung aufgeſtellt hat, welcher die
Möglichkeit der Ausführung ſelbſt von den Gegnern nicht ſchlechthin
abgeſprochen wird, während die Großdeutſchen uns einen ſolchen Entwurf
zur Zeit noch ſchuldig ſind, kein zu großes Gewicht beigelegt werden.
Vielmehr ſoll hingewieſen werden auf die in der Sache ſelbſt liegenden
Schwierigkeiten, ja Unmöglichkeiten, bei Aufnahme des geſammten
Deutſchlands eine ſonſt befriedigende, ſtarke und volksthümliche Verfaſ-
ſung und Regierung zu ſchaffen.

Die Großdeutſchen wollen entweder die öſtreichiſche Oberhaupt-
ſchaft, ein habsburgiſches Kaiſerthum, oder ein Direktorium, oder
am Ende den alten Bundestag mit einigen Modifikationen.

Was das Erſte betrifft, ſo erinnert man an das alte hiſtoriſche
Recht des Kaiſerhauſes, an ehrwürdige Traditionen, an die Macht und
Größe Oeſtreichs, die es zum kräftigen Beſchützer, aber ebenſo zum ge-

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[3/0013] winden geweſen. Aber das Weſentliche dieſer deutſchen Reichsver- faſſung iſt doch in den Entwurf der drei Königreiche aufge- nommen, und es liegen ſomit zwei poſitive Entwürfe einer deutſchen, die Einheit im Sinne der Centralität feſthaltenden Reichs- verfaſſung vor, während die Gegenpartei der Großdeutſchen noch keinen ins Einzelne eingehenden Vorſchlag und Entwurf einer deutſchen Reichs- verfaſſung, auf der Grundlage der Totalität Deutſchlands, aufzuſtellen vermocht hat. Dagegen hat Oeſtreich, deſſen Aufnahme in die deutſche Einheit den Großdeutſchen am Herzen liegt, durch die von ihm ſeinen ſämmt- lichen Völkern und Staaten verliehene einheitliche Verfaſſung, in welcher vom Verhältniß zu Deutſchland nicht mit einem Wort die Rede iſt, ſich, d. h. ſeine deutſchen Provinzen, von Deutſchland zurückgezogen und abgeſchloſſen, während es daneben immer noch die erſte Stelle in Deutſch- land, auf Grundlage der alten Bundesakte und der Verträge von 1815 in Anſpruch nimmt. Wie die öſtreichiſche Regierung ſich die neue Geſtaltung Deutſchlands vorſtellt, darüber hat ſie ſich noch nie offen und ausführlich, ſondern nur in einzelnen geheimnißvollen und nebel- haften Andeutungen vernehmen laſſen. Aber die Berufung auf die Bundesakte, das Bündniß mit Rußland, der ganze Charakter der Re- gierung, ſo wie einzelne beſtimmte Erklärungen laſſen kaum bezweifeln, daß Oeſtreich den gerechten Forderungen politiſcher Freiheit Deutſchlands nichts weniger als günſtig iſt, daß es ein Volkshaus verwirft und daß es im Weſentlichen die Herſtellung des alten deutſchen Bundes als Ziel ſeiner Beſtrebungen betrachtet. Es ſoll jedoch dem Umſtand, daß die Partei des Bundesſtaats, die ſogenannte kleindeutſche, eine Verfaſſung aufgeſtellt hat, welcher die Möglichkeit der Ausführung ſelbſt von den Gegnern nicht ſchlechthin abgeſprochen wird, während die Großdeutſchen uns einen ſolchen Entwurf zur Zeit noch ſchuldig ſind, kein zu großes Gewicht beigelegt werden. Vielmehr ſoll hingewieſen werden auf die in der Sache ſelbſt liegenden Schwierigkeiten, ja Unmöglichkeiten, bei Aufnahme des geſammten Deutſchlands eine ſonſt befriedigende, ſtarke und volksthümliche Verfaſ- ſung und Regierung zu ſchaffen. Die Großdeutſchen wollen entweder die öſtreichiſche Oberhaupt- ſchaft, ein habsburgiſches Kaiſerthum, oder ein Direktorium, oder am Ende den alten Bundestag mit einigen Modifikationen. Was das Erſte betrifft, ſo erinnert man an das alte hiſtoriſche Recht des Kaiſerhauſes, an ehrwürdige Traditionen, an die Macht und Größe Oeſtreichs, die es zum kräftigen Beſchützer, aber ebenſo zum ge- 1*

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Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/13>, abgerufen am 29.04.2024.