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Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

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fährlichen Feind Deutschlands mache. So gut man andrerseits die Unter-
werfung der vier Königreiche unter die preußische Oberhauptschaft, im
Interesse der deutschen Einheit, des Vaterlands, fordere, so gut könne
man von großdeutschem Standpunkt aus die Unterordnung auch Preu-
ßens
unter das viel größere und mächtigere Oestreich verlangen, zumal
da Oestreich bisher mit Zustimmung Preußens unbestritten an der
Spitze Deutschlands gestanden sey und Deutschland schon den Reichsver-
weser gegeben habe.

Aber Preußen verhält sich ganz anders zu Oestreich, als die klei-
nern Königreiche, als selbst Baiern zu Preußen. Während Baiern,
ein Staat untergeordneten Ranges, nur in Verbindung mit andern
Staaten ein Gewicht in die Wagschale der politischen Entscheidungen zu
legen vermag, ist Preußen zwar die kleinste, aber doch eine der euro-
päischen Großmächte, und ist eine rein deutsche Macht.
Preußen unterhält, wenn auch mit ungemeiner Anstrengung, ein ge-
waltiges Heer, dessen treffliche Zusammensetzung und Organisation, dessen
tüchtiger, sittlich gesunder und dabei volksthümlicher Geist mit Recht
die Bewunderung Aller ist, die es kennen; das, nicht nur physisch und
materiell kraftvoll, das auch durchdrungen und gehoben ist von den
Erinnerungen, vom Bewußtseyn des preußischen Kriegsruhms aus der
Zeit des Befreiungskriegs, dessen schönste Lorbeeren Preußen gebühren,
so wie des siebenjährigen Kriegs, wo Preußen durch das Genie seines
großen Königs und die Tapferkeit seiner Söhne nicht nur Oestreich,
sondern dem von diesem aufgebotenen halben Europa unüberwunden
widerstand. Zwar besitzt Preußen nicht die Hälfte der Volkszahl und
des Ländergebiets der östereichischen Monarchie; aber in welchem Zu-
stand der Auflösung, des Bürgerkriegs, der finanziellen Zerrüttung und
des erbitterten Kampfes der Nationalitäten befindet sich dermalen Oest-
reich gegenüber von Preußen, welches nach den Stürmen des vorigen
Jahres zum Verwundern schnell seine kräftige und achtunggebietende
Haltung, seine innere Geschlossenheit wieder gefunden und in so schweren
Zeiten seinen Staatshaushalt, seinen Kredit aufrecht erhalten hat! Was
ist dagegen Baiern, welchem Preußen seine Pfalz wieder pacificiren
mußte? Und Preußen sollte sich, sollte sich jetzt dem tief zerrütteten
Oestreich unterordnen? sollte aufhören zu seyn, was es in der That
seit Friedrich II., seit mehr als hundert Jahren gewesen, eine selbst-
ständige Macht? Dagegen sträubt sich nicht etwa nur Eitelkeit
und Eigensinn, sondern der natürliche, der berechtigte Stolz des
preußischen Volkes; es ist eine moralische und politische Unmög-
lichkeit
.

fährlichen Feind Deutſchlands mache. So gut man andrerſeits die Unter-
werfung der vier Königreiche unter die preußiſche Oberhauptſchaft, im
Intereſſe der deutſchen Einheit, des Vaterlands, fordere, ſo gut könne
man von großdeutſchem Standpunkt aus die Unterordnung auch Preu-
ßens
unter das viel größere und mächtigere Oeſtreich verlangen, zumal
da Oeſtreich bisher mit Zuſtimmung Preußens unbeſtritten an der
Spitze Deutſchlands geſtanden ſey und Deutſchland ſchon den Reichsver-
weſer gegeben habe.

Aber Preußen verhält ſich ganz anders zu Oeſtreich, als die klei-
nern Königreiche, als ſelbſt Baiern zu Preußen. Während Baiern,
ein Staat untergeordneten Ranges, nur in Verbindung mit andern
Staaten ein Gewicht in die Wagſchale der politiſchen Entſcheidungen zu
legen vermag, iſt Preußen zwar die kleinſte, aber doch eine der euro-
päiſchen Großmächte, und iſt eine rein deutſche Macht.
Preußen unterhält, wenn auch mit ungemeiner Anſtrengung, ein ge-
waltiges Heer, deſſen treffliche Zuſammenſetzung und Organiſation, deſſen
tüchtiger, ſittlich geſunder und dabei volksthümlicher Geiſt mit Recht
die Bewunderung Aller iſt, die es kennen; das, nicht nur phyſiſch und
materiell kraftvoll, das auch durchdrungen und gehoben iſt von den
Erinnerungen, vom Bewußtſeyn des preußiſchen Kriegsruhms aus der
Zeit des Befreiungskriegs, deſſen ſchönſte Lorbeeren Preußen gebühren,
ſo wie des ſiebenjährigen Kriegs, wo Preußen durch das Genie ſeines
großen Königs und die Tapferkeit ſeiner Söhne nicht nur Oeſtreich,
ſondern dem von dieſem aufgebotenen halben Europa unüberwunden
widerſtand. Zwar beſitzt Preußen nicht die Hälfte der Volkszahl und
des Ländergebiets der öſtereichiſchen Monarchie; aber in welchem Zu-
ſtand der Auflöſung, des Bürgerkriegs, der finanziellen Zerrüttung und
des erbitterten Kampfes der Nationalitäten befindet ſich dermalen Oeſt-
reich gegenüber von Preußen, welches nach den Stürmen des vorigen
Jahres zum Verwundern ſchnell ſeine kräftige und achtunggebietende
Haltung, ſeine innere Geſchloſſenheit wieder gefunden und in ſo ſchweren
Zeiten ſeinen Staatshaushalt, ſeinen Kredit aufrecht erhalten hat! Was
iſt dagegen Baiern, welchem Preußen ſeine Pfalz wieder pacificiren
mußte? Und Preußen ſollte ſich, ſollte ſich jetzt dem tief zerrütteten
Oeſtreich unterordnen? ſollte aufhören zu ſeyn, was es in der That
ſeit Friedrich II., ſeit mehr als hundert Jahren geweſen, eine ſelbſt-
ſtändige Macht? Dagegen ſträubt ſich nicht etwa nur Eitelkeit
und Eigenſinn, ſondern der natürliche, der berechtigte Stolz des
preußiſchen Volkes; es iſt eine moraliſche und politiſche Unmög-
lichkeit
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[4/0014] fährlichen Feind Deutſchlands mache. So gut man andrerſeits die Unter- werfung der vier Königreiche unter die preußiſche Oberhauptſchaft, im Intereſſe der deutſchen Einheit, des Vaterlands, fordere, ſo gut könne man von großdeutſchem Standpunkt aus die Unterordnung auch Preu- ßens unter das viel größere und mächtigere Oeſtreich verlangen, zumal da Oeſtreich bisher mit Zuſtimmung Preußens unbeſtritten an der Spitze Deutſchlands geſtanden ſey und Deutſchland ſchon den Reichsver- weſer gegeben habe. Aber Preußen verhält ſich ganz anders zu Oeſtreich, als die klei- nern Königreiche, als ſelbſt Baiern zu Preußen. Während Baiern, ein Staat untergeordneten Ranges, nur in Verbindung mit andern Staaten ein Gewicht in die Wagſchale der politiſchen Entſcheidungen zu legen vermag, iſt Preußen zwar die kleinſte, aber doch eine der euro- päiſchen Großmächte, und iſt eine rein deutſche Macht. Preußen unterhält, wenn auch mit ungemeiner Anſtrengung, ein ge- waltiges Heer, deſſen treffliche Zuſammenſetzung und Organiſation, deſſen tüchtiger, ſittlich geſunder und dabei volksthümlicher Geiſt mit Recht die Bewunderung Aller iſt, die es kennen; das, nicht nur phyſiſch und materiell kraftvoll, das auch durchdrungen und gehoben iſt von den Erinnerungen, vom Bewußtſeyn des preußiſchen Kriegsruhms aus der Zeit des Befreiungskriegs, deſſen ſchönſte Lorbeeren Preußen gebühren, ſo wie des ſiebenjährigen Kriegs, wo Preußen durch das Genie ſeines großen Königs und die Tapferkeit ſeiner Söhne nicht nur Oeſtreich, ſondern dem von dieſem aufgebotenen halben Europa unüberwunden widerſtand. Zwar beſitzt Preußen nicht die Hälfte der Volkszahl und des Ländergebiets der öſtereichiſchen Monarchie; aber in welchem Zu- ſtand der Auflöſung, des Bürgerkriegs, der finanziellen Zerrüttung und des erbitterten Kampfes der Nationalitäten befindet ſich dermalen Oeſt- reich gegenüber von Preußen, welches nach den Stürmen des vorigen Jahres zum Verwundern ſchnell ſeine kräftige und achtunggebietende Haltung, ſeine innere Geſchloſſenheit wieder gefunden und in ſo ſchweren Zeiten ſeinen Staatshaushalt, ſeinen Kredit aufrecht erhalten hat! Was iſt dagegen Baiern, welchem Preußen ſeine Pfalz wieder pacificiren mußte? Und Preußen ſollte ſich, ſollte ſich jetzt dem tief zerrütteten Oeſtreich unterordnen? ſollte aufhören zu ſeyn, was es in der That ſeit Friedrich II., ſeit mehr als hundert Jahren geweſen, eine ſelbſt- ſtändige Macht? Dagegen ſträubt ſich nicht etwa nur Eitelkeit und Eigenſinn, ſondern der natürliche, der berechtigte Stolz des preußiſchen Volkes; es iſt eine moraliſche und politiſche Unmög- lichkeit.

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Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/14>, abgerufen am 29.04.2024.