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Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

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Uebergewicht der zwei Großmächte, wo diese einig sind, über alle
übrigen, wie im deutschen Bund.

Die Idee des Direktoriums wurde und wird am meisten gehegt
von den mittlern Fürsten, den Königen der kleinern Länder, am
eifrigsten von Baiern, weil dieses, ehrgeizig, entweder selbst als dritte
Großmacht
in das dreiköpfige Direktorium mit aufgenommen zu
werden hoffte, oder doch, eifersüchtig und neidisch, jedenfalls auf diesem
Wege die ihm so verhaßte preußische Oberhauptschaft zu vereiteln strebt.
Den andern Königen leuchtete ein sechs- oder siebenköpfiges Direktorium,
das ihren Einfluß vielmehr vermehrt als vermindert hätte, wohl auch
nicht übel ein; und die Abneigung, die Eifersucht, der Haß mancher,
besonders süd- und westdeutscher Stämme gegen Preußen ergriff begierig
diese Scheinrettung der deutschen Einheit, weil man dadurch der
entsetzlichen, wirklichen Gefahr entging, den Mächtigen auch wirk-
lich als Solchen anerkennen zu müssen, und dem Heile, der Ehre und
Größe des Vaterlands das provinzielle Vorurtheil, die bornirte Stam-
meseitelkeit zum Opfer bringen. Daran aber, daß, um nur noch Ei-
nes zu erwähnen, bei einem Direktorium von einem verantwortlichen
Ministerium, von einer parlamentarischen Regierung im Ernste nicht
die Rede seyn kann, weil ein fürstliches Direktorium selbst ein unver-
antwortliches Ministerium
wäre, daran haben, scheint es, die
Direktoriums-Enthusiasten gar nicht gedacht. Welche Bedeutung aber
dann die Vertretung der Nation, sey es in einem oder in zwei Häusern,
haben würde, dieß zu ahnen erfordert wenig Scharfsinn. Reden und
Debatten bekäme man genug, aber einen wirklichen Einfluß auf die
Direktorialregierung würde selbst die pomphafteste Volksvertretung nur
in den seltensten Fällen, nur in Kleinigkeiten üben; die dynastischen
Verabredungen, Interessen und Intriken würden nahezu Alles ent-
scheiden, d. h. wir würden wieder auf den Standpunkt des deutschen
Bundes und des Bundestags zurückgeschraubt.

Wenn das deutsche Volk dieß nicht will, wenn es ihm Ernst war
und ist mit der Forderung einer politischen und nationalen Einheit
Deutschlands, so gestehe ich, keinen andern Weg zu Erreichung dieses
Ziels abzusehen, als den Anschluß an Preußen, als leitende Macht des
deutschen Reichs oder Bundesstaats. Auf den Namen und die Form,
sogar auf die augenblickliche größere oder geringere Vollkommenheit des
zu gründenden Bundesstaats lege ich geringeres Gewicht, wenn nur die
Hauptsache, von der das Heil abhängt, sicher und fest gestellt wird.
Auch von Personen und Gefühlen muß, nach meiner Ueberzeu-
gung, abzusehen vermögen, Wer den Namen eines politischen

Uebergewicht der zwei Großmächte, wo dieſe einig ſind, über alle
übrigen, wie im deutſchen Bund.

Die Idee des Direktoriums wurde und wird am meiſten gehegt
von den mittlern Fürſten, den Königen der kleinern Länder, am
eifrigſten von Baiern, weil dieſes, ehrgeizig, entweder ſelbſt als dritte
Großmacht
in das dreiköpfige Direktorium mit aufgenommen zu
werden hoffte, oder doch, eiferſüchtig und neidiſch, jedenfalls auf dieſem
Wege die ihm ſo verhaßte preußiſche Oberhauptſchaft zu vereiteln ſtrebt.
Den andern Königen leuchtete ein ſechs- oder ſiebenköpfiges Direktorium,
das ihren Einfluß vielmehr vermehrt als vermindert hätte, wohl auch
nicht übel ein; und die Abneigung, die Eiferſucht, der Haß mancher,
beſonders ſüd- und weſtdeutſcher Stämme gegen Preußen ergriff begierig
dieſe Scheinrettung der deutſchen Einheit, weil man dadurch der
entſetzlichen, wirklichen Gefahr entging, den Mächtigen auch wirk-
lich als Solchen anerkennen zu müſſen, und dem Heile, der Ehre und
Größe des Vaterlands das provinzielle Vorurtheil, die bornirte Stam-
meseitelkeit zum Opfer bringen. Daran aber, daß, um nur noch Ei-
nes zu erwähnen, bei einem Direktorium von einem verantwortlichen
Miniſterium, von einer parlamentariſchen Regierung im Ernſte nicht
die Rede ſeyn kann, weil ein fürſtliches Direktorium ſelbſt ein unver-
antwortliches Miniſterium
wäre, daran haben, ſcheint es, die
Direktoriums-Enthuſiaſten gar nicht gedacht. Welche Bedeutung aber
dann die Vertretung der Nation, ſey es in einem oder in zwei Häuſern,
haben würde, dieß zu ahnen erfordert wenig Scharfſinn. Reden und
Debatten bekäme man genug, aber einen wirklichen Einfluß auf die
Direktorialregierung würde ſelbſt die pomphafteſte Volksvertretung nur
in den ſeltenſten Fällen, nur in Kleinigkeiten üben; die dynaſtiſchen
Verabredungen, Intereſſen und Intriken würden nahezu Alles ent-
ſcheiden, d. h. wir würden wieder auf den Standpunkt des deutſchen
Bundes und des Bundestags zurückgeſchraubt.

Wenn das deutſche Volk dieß nicht will, wenn es ihm Ernſt war
und iſt mit der Forderung einer politiſchen und nationalen Einheit
Deutſchlands, ſo geſtehe ich, keinen andern Weg zu Erreichung dieſes
Ziels abzuſehen, als den Anſchluß an Preußen, als leitende Macht des
deutſchen Reichs oder Bundesſtaats. Auf den Namen und die Form,
ſogar auf die augenblickliche größere oder geringere Vollkommenheit des
zu gründenden Bundesſtaats lege ich geringeres Gewicht, wenn nur die
Hauptſache, von der das Heil abhängt, ſicher und feſt geſtellt wird.
Auch von Perſonen und Gefühlen muß, nach meiner Ueberzeu-
gung, abzuſehen vermögen, Wer den Namen eines politiſchen

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[8/0018] Uebergewicht der zwei Großmächte, wo dieſe einig ſind, über alle übrigen, wie im deutſchen Bund. Die Idee des Direktoriums wurde und wird am meiſten gehegt von den mittlern Fürſten, den Königen der kleinern Länder, am eifrigſten von Baiern, weil dieſes, ehrgeizig, entweder ſelbſt als dritte Großmacht in das dreiköpfige Direktorium mit aufgenommen zu werden hoffte, oder doch, eiferſüchtig und neidiſch, jedenfalls auf dieſem Wege die ihm ſo verhaßte preußiſche Oberhauptſchaft zu vereiteln ſtrebt. Den andern Königen leuchtete ein ſechs- oder ſiebenköpfiges Direktorium, das ihren Einfluß vielmehr vermehrt als vermindert hätte, wohl auch nicht übel ein; und die Abneigung, die Eiferſucht, der Haß mancher, beſonders ſüd- und weſtdeutſcher Stämme gegen Preußen ergriff begierig dieſe Scheinrettung der deutſchen Einheit, weil man dadurch der entſetzlichen, wirklichen Gefahr entging, den Mächtigen auch wirk- lich als Solchen anerkennen zu müſſen, und dem Heile, der Ehre und Größe des Vaterlands das provinzielle Vorurtheil, die bornirte Stam- meseitelkeit zum Opfer bringen. Daran aber, daß, um nur noch Ei- nes zu erwähnen, bei einem Direktorium von einem verantwortlichen Miniſterium, von einer parlamentariſchen Regierung im Ernſte nicht die Rede ſeyn kann, weil ein fürſtliches Direktorium ſelbſt ein unver- antwortliches Miniſterium wäre, daran haben, ſcheint es, die Direktoriums-Enthuſiaſten gar nicht gedacht. Welche Bedeutung aber dann die Vertretung der Nation, ſey es in einem oder in zwei Häuſern, haben würde, dieß zu ahnen erfordert wenig Scharfſinn. Reden und Debatten bekäme man genug, aber einen wirklichen Einfluß auf die Direktorialregierung würde ſelbſt die pomphafteſte Volksvertretung nur in den ſeltenſten Fällen, nur in Kleinigkeiten üben; die dynaſtiſchen Verabredungen, Intereſſen und Intriken würden nahezu Alles ent- ſcheiden, d. h. wir würden wieder auf den Standpunkt des deutſchen Bundes und des Bundestags zurückgeſchraubt. Wenn das deutſche Volk dieß nicht will, wenn es ihm Ernſt war und iſt mit der Forderung einer politiſchen und nationalen Einheit Deutſchlands, ſo geſtehe ich, keinen andern Weg zu Erreichung dieſes Ziels abzuſehen, als den Anſchluß an Preußen, als leitende Macht des deutſchen Reichs oder Bundesſtaats. Auf den Namen und die Form, ſogar auf die augenblickliche größere oder geringere Vollkommenheit des zu gründenden Bundesſtaats lege ich geringeres Gewicht, wenn nur die Hauptſache, von der das Heil abhängt, ſicher und feſt geſtellt wird. Auch von Perſonen und Gefühlen muß, nach meiner Ueberzeu- gung, abzuſehen vermögen, Wer den Namen eines politiſchen

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Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/18>, abgerufen am 29.04.2024.