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Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

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hätte es seinen Beruf, mit den preußischen auch die deutschen nationalen
Interessen zu vertreten und zu fördern, begriffen und erfaßt: so würde
sich gezeigt haben, wie durch jenen Dualismus Deutschland auseinander
gezerrt und die Verwirklichung seiner nationalen Existenz gehemmt
wurde. Es würde sich jetzt, wo das Verlangen nach nationalem Fortschritt
unabweislich sich geltend macht, erst recht zeigen, daß zwei Großmächte
an der Spitze Deutschlands, selbst ihren besten Willen vorausgesetzt,
unmöglich gleichen Schritt halten können, weil ihre Interessen ver-
schieden sind, weil Oestreich, eine Macht mit fast 30 Millionen nicht-
deutscher
Unterthanen, in seiner Politik andere Rücksichten zu nehmen,
andere Ziele zu verfolgen hat, als das, bis auf einen Theil Posens,
reindeutsche Preußen. Daß die Interessen Preußens mit denen des übri-
gen Deutschlands mehr zusammenfallen als die Oestreichs, hat sich in
der Gründung des Zollvereins bewährt, welchem Oestreich nicht beitreten
wollte oder nicht konnte. Man braucht diesen nicht gerade für eine
tadellose Schöpfung zu erklären, wenn man behauptet, durch diese Han-
dels- und Zolleinigung sey die politische Einigung angebahnt, aber
auch die Grenze angedeutet worden, welche dieser durch die innere
Nothwendigkeit der Dinge gesteckt sey.

Will man sich das Unmögliche einer von unklaren Köpfen ganz
idyllisch und sentimental ausgedachten einträchtigen Doppelregierung, auf
"deutsche Treue" gegründet, etwa nach der (ganz unpassenden) Analogie
der zwei Könige von Sparta oder der zwei römischen Consuln, -- ver-
anschaulichen, so beantworte man die Frage: Wie soll Deutschland dann
gegen Außen vertreten seyn? Würden Oestreich und Preußen als Groß-
mächte jedes einen Gesandten unterhalten, und dann einen weitern gemein-
samen im Namen Deutschlands? Oder soll nur Oestreich einen solchen
behalten, und Preußen nicht? Und welche von beiden Mächten soll dann
den deutschen Gesandten ernennen und instruiren? Wo wird man den
Phönix von einem Diplomaten finden, auf welchen das Wort keine An-
wendung fände: "Niemand kann zwei Herren dienen!"

Taugt der Dualismus einer doppelköpfigen Oberleitung nichts, so
taugt ein Direktorium aus drei, fünf, sieben Mitgliedern ebenso we-
nig. Nicht nur fehlt bei einer solchen Vielheit die erforderliche Con-
centration und Raschheit der Regierung, der vollziehenden Gewalt; es
ist auch der leitende Gedanke durch die Wahrscheinlichkeit von Intriken
einem steten Schwanken ausgesetzt, und abgesehen von der Nothwendig-
keit für die großen Mächte, die Stimmen der Kleineren für sich zu ge-
winnen, wodurch Mißtrauen und Eifersucht entsteht, bleibt doch das

hätte es ſeinen Beruf, mit den preußiſchen auch die deutſchen nationalen
Intereſſen zu vertreten und zu fördern, begriffen und erfaßt: ſo würde
ſich gezeigt haben, wie durch jenen Dualismus Deutſchland auseinander
gezerrt und die Verwirklichung ſeiner nationalen Exiſtenz gehemmt
wurde. Es würde ſich jetzt, wo das Verlangen nach nationalem Fortſchritt
unabweislich ſich geltend macht, erſt recht zeigen, daß zwei Großmächte
an der Spitze Deutſchlands, ſelbſt ihren beſten Willen vorausgeſetzt,
unmöglich gleichen Schritt halten können, weil ihre Intereſſen ver-
ſchieden ſind, weil Oeſtreich, eine Macht mit faſt 30 Millionen nicht-
deutſcher
Unterthanen, in ſeiner Politik andere Rückſichten zu nehmen,
andere Ziele zu verfolgen hat, als das, bis auf einen Theil Poſens,
reindeutſche Preußen. Daß die Intereſſen Preußens mit denen des übri-
gen Deutſchlands mehr zuſammenfallen als die Oeſtreichs, hat ſich in
der Gründung des Zollvereins bewährt, welchem Oeſtreich nicht beitreten
wollte oder nicht konnte. Man braucht dieſen nicht gerade für eine
tadelloſe Schöpfung zu erklären, wenn man behauptet, durch dieſe Han-
dels- und Zolleinigung ſey die politiſche Einigung angebahnt, aber
auch die Grenze angedeutet worden, welche dieſer durch die innere
Nothwendigkeit der Dinge geſteckt ſey.

Will man ſich das Unmögliche einer von unklaren Köpfen ganz
idylliſch und ſentimental ausgedachten einträchtigen Doppelregierung, auf
„deutſche Treue“ gegründet, etwa nach der (ganz unpaſſenden) Analogie
der zwei Könige von Sparta oder der zwei römiſchen Conſuln, — ver-
anſchaulichen, ſo beantworte man die Frage: Wie ſoll Deutſchland dann
gegen Außen vertreten ſeyn? Würden Oeſtreich und Preußen als Groß-
mächte jedes einen Geſandten unterhalten, und dann einen weitern gemein-
ſamen im Namen Deutſchlands? Oder ſoll nur Oeſtreich einen ſolchen
behalten, und Preußen nicht? Und welche von beiden Mächten ſoll dann
den deutſchen Geſandten ernennen und inſtruiren? Wo wird man den
Phönix von einem Diplomaten finden, auf welchen das Wort keine An-
wendung fände: „Niemand kann zwei Herren dienen!“

Taugt der Dualismus einer doppelköpfigen Oberleitung nichts, ſo
taugt ein Direktorium aus drei, fünf, ſieben Mitgliedern ebenſo we-
nig. Nicht nur fehlt bei einer ſolchen Vielheit die erforderliche Con-
centration und Raſchheit der Regierung, der vollziehenden Gewalt; es
iſt auch der leitende Gedanke durch die Wahrſcheinlichkeit von Intriken
einem ſteten Schwanken ausgeſetzt, und abgeſehen von der Nothwendig-
keit für die großen Mächte, die Stimmen der Kleineren für ſich zu ge-
winnen, wodurch Mißtrauen und Eiferſucht entſteht, bleibt doch das

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[7/0017] hätte es ſeinen Beruf, mit den preußiſchen auch die deutſchen nationalen Intereſſen zu vertreten und zu fördern, begriffen und erfaßt: ſo würde ſich gezeigt haben, wie durch jenen Dualismus Deutſchland auseinander gezerrt und die Verwirklichung ſeiner nationalen Exiſtenz gehemmt wurde. Es würde ſich jetzt, wo das Verlangen nach nationalem Fortſchritt unabweislich ſich geltend macht, erſt recht zeigen, daß zwei Großmächte an der Spitze Deutſchlands, ſelbſt ihren beſten Willen vorausgeſetzt, unmöglich gleichen Schritt halten können, weil ihre Intereſſen ver- ſchieden ſind, weil Oeſtreich, eine Macht mit faſt 30 Millionen nicht- deutſcher Unterthanen, in ſeiner Politik andere Rückſichten zu nehmen, andere Ziele zu verfolgen hat, als das, bis auf einen Theil Poſens, reindeutſche Preußen. Daß die Intereſſen Preußens mit denen des übri- gen Deutſchlands mehr zuſammenfallen als die Oeſtreichs, hat ſich in der Gründung des Zollvereins bewährt, welchem Oeſtreich nicht beitreten wollte oder nicht konnte. Man braucht dieſen nicht gerade für eine tadelloſe Schöpfung zu erklären, wenn man behauptet, durch dieſe Han- dels- und Zolleinigung ſey die politiſche Einigung angebahnt, aber auch die Grenze angedeutet worden, welche dieſer durch die innere Nothwendigkeit der Dinge geſteckt ſey. Will man ſich das Unmögliche einer von unklaren Köpfen ganz idylliſch und ſentimental ausgedachten einträchtigen Doppelregierung, auf „deutſche Treue“ gegründet, etwa nach der (ganz unpaſſenden) Analogie der zwei Könige von Sparta oder der zwei römiſchen Conſuln, — ver- anſchaulichen, ſo beantworte man die Frage: Wie ſoll Deutſchland dann gegen Außen vertreten ſeyn? Würden Oeſtreich und Preußen als Groß- mächte jedes einen Geſandten unterhalten, und dann einen weitern gemein- ſamen im Namen Deutſchlands? Oder ſoll nur Oeſtreich einen ſolchen behalten, und Preußen nicht? Und welche von beiden Mächten ſoll dann den deutſchen Geſandten ernennen und inſtruiren? Wo wird man den Phönix von einem Diplomaten finden, auf welchen das Wort keine An- wendung fände: „Niemand kann zwei Herren dienen!“ Taugt der Dualismus einer doppelköpfigen Oberleitung nichts, ſo taugt ein Direktorium aus drei, fünf, ſieben Mitgliedern ebenſo we- nig. Nicht nur fehlt bei einer ſolchen Vielheit die erforderliche Con- centration und Raſchheit der Regierung, der vollziehenden Gewalt; es iſt auch der leitende Gedanke durch die Wahrſcheinlichkeit von Intriken einem ſteten Schwanken ausgeſetzt, und abgeſehen von der Nothwendig- keit für die großen Mächte, die Stimmen der Kleineren für ſich zu ge- winnen, wodurch Mißtrauen und Eiferſucht entſteht, bleibt doch das

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Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/17>, abgerufen am 29.04.2024.