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Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

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striellen Interessen, an der geographischen Lage, an Grenzen und Strö-
men hat sich seither Nichts geändert: mithin muß das jetzige Sichsträuben
gegen den Anschluß an Preußen seinen Grund in zeitweiligen po-
litischen Stimmungen haben. So ist es auch. Hierüber einige Worte.

Je weniger die Feinde Preußens einen befriedigenden positiven Vor-
schlag zur Herstellung der Einheit Deutschlands zu machen wissen und
nur bald diesen bald jenen unausführbaren Gedanken oder Einfall hin-
werfen, um so wüthender speien sie ihre Vorwürfe und Anklagen gegen
Preußen aus, um so arglistiger und böswilliger verdächtigen sie Jeden,
der an der klar erkannten politischen Nothwendigkeit festhält, während
die politischen Wetterfahnen immer im Kreise herumfahren. Da wird
Wahres und Falsches, Großes und Geringfügiges, Altes und Neues zu
einem Gebräu zusammengerührt und mit patriotisch sich stellendem Pathos
und unverstelltem Haß verquickt, daß die solchen Hassespredigern lau-
schende Menge in Preußen das Reich des inkarnirten Teufels erblickt
und die Preußen, die "deutschen Russen", wie ein ebenso schmach-
voller als dummer und boshafter Hochmuth sie nennt, für wilde, fast
menschenfressende Barbaren hält. In Folgendem etwa faßt sich die Summe
der Hauptvorwürfe zusammen: "Einer Regierung, welche das heroische,
für seine Rechte kämpfende Volk verrätherisch angreifen und mit Kar-
tätschen niederschmettern ließ; welche die preußische Nationalversammlung
im November vorigen Jahrs mit roher Waffengewalt auseinandertrieb;
welche Wrangel's Säbelregiment einführte; welche mit einem Ministerium
Brandenburg-Manteuffel den konstitutionellen Geist unaufhörlich verletzt
und in der Demokratie den Geist der Freiheit systematisch verfolgt; einer
Regierung, welche den Malmöer Waffenstillstand und den noch viel
schmachvolleren vom 10. Juli 1849 abschloß und die Herzogthümer
Schleswig-Holstein verrätherisch den übermüthigen und an sich ohn-
mächtigen Dänen preisgibt; einer Regierung, welche die preußischen Ab-
geordneten von Frankfurt abberief und hierdurch faktisch die Versammlung
sprengte, die dann selbst vor preußischen Bajonnetten nicht sicher war; einer
Regierung, welche in Sachsen das für Durchführung der Reichsverfassung
aufgestandene Volk bekämpfte; welche die Erhebung in der Pfalz und in
Baden niederwarf, ihre usurpatorischen Eroberungsgelüste offen an den
Tag legte und Blutgerichte gegen die Volksmänner anordnete; einem
Könige, welcher die ihm dargebotene Kaiserkrone aus den Händen der
Vertreter der Nation anzunehmen verschmähte, aber statt das freiwillig
Angebotene anzunehmen, Deutschland die preußische Herrschaft mit einer
oktroyirten Verfassung gewaltsam aufzudrängen sucht -- unterwerfen
wir uns nie
!"

ſtriellen Intereſſen, an der geographiſchen Lage, an Grenzen und Strö-
men hat ſich ſeither Nichts geändert: mithin muß das jetzige Sichſträuben
gegen den Anſchluß an Preußen ſeinen Grund in zeitweiligen po-
litiſchen Stimmungen haben. So iſt es auch. Hierüber einige Worte.

Je weniger die Feinde Preußens einen befriedigenden poſitiven Vor-
ſchlag zur Herſtellung der Einheit Deutſchlands zu machen wiſſen und
nur bald dieſen bald jenen unausführbaren Gedanken oder Einfall hin-
werfen, um ſo wüthender ſpeien ſie ihre Vorwürfe und Anklagen gegen
Preußen aus, um ſo argliſtiger und böswilliger verdächtigen ſie Jeden,
der an der klar erkannten politiſchen Nothwendigkeit feſthält, während
die politiſchen Wetterfahnen immer im Kreiſe herumfahren. Da wird
Wahres und Falſches, Großes und Geringfügiges, Altes und Neues zu
einem Gebräu zuſammengerührt und mit patriotiſch ſich ſtellendem Pathos
und unverſtelltem Haß verquickt, daß die ſolchen Haſſespredigern lau-
ſchende Menge in Preußen das Reich des inkarnirten Teufels erblickt
und die Preußen, die „deutſchen Ruſſen“, wie ein ebenſo ſchmach-
voller als dummer und boshafter Hochmuth ſie nennt, für wilde, faſt
menſchenfreſſende Barbaren hält. In Folgendem etwa faßt ſich die Summe
der Hauptvorwürfe zuſammen: „Einer Regierung, welche das heroiſche,
für ſeine Rechte kämpfende Volk verrätheriſch angreifen und mit Kar-
tätſchen niederſchmettern ließ; welche die preußiſche Nationalverſammlung
im November vorigen Jahrs mit roher Waffengewalt auseinandertrieb;
welche Wrangel’s Säbelregiment einführte; welche mit einem Miniſterium
Brandenburg-Manteuffel den konſtitutionellen Geiſt unaufhörlich verletzt
und in der Demokratie den Geiſt der Freiheit ſyſtematiſch verfolgt; einer
Regierung, welche den Malmöer Waffenſtillſtand und den noch viel
ſchmachvolleren vom 10. Juli 1849 abſchloß und die Herzogthümer
Schleswig-Holſtein verrätheriſch den übermüthigen und an ſich ohn-
mächtigen Dänen preisgibt; einer Regierung, welche die preußiſchen Ab-
geordneten von Frankfurt abberief und hierdurch faktiſch die Verſammlung
ſprengte, die dann ſelbſt vor preußiſchen Bajonnetten nicht ſicher war; einer
Regierung, welche in Sachſen das für Durchführung der Reichsverfaſſung
aufgeſtandene Volk bekämpfte; welche die Erhebung in der Pfalz und in
Baden niederwarf, ihre uſurpatoriſchen Eroberungsgelüſte offen an den
Tag legte und Blutgerichte gegen die Volksmänner anordnete; einem
Könige, welcher die ihm dargebotene Kaiſerkrone aus den Händen der
Vertreter der Nation anzunehmen verſchmähte, aber ſtatt das freiwillig
Angebotene anzunehmen, Deutſchland die preußiſche Herrſchaft mit einer
oktroyirten Verfaſſung gewaltſam aufzudrängen ſucht — unterwerfen
wir uns nie
!“

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Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/22>, abgerufen am 29.04.2024.