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Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

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Und wie stände es, wenn Preußen den Zollverein aufkündigte?
Wäre dann der Jubel so laut, als jetzt das Geschrei gegen Preußen,
namentlich wenn die durch den Wegfall der Zolleinnahmen nothwendig
gemachten Steuererhöhungen einträten?

Soll sich aber Württemberg mit Baiern ganz an Oestreich anschlie-
ßen, nun dann ist einmal dessen frühere oder spätere Verschlingung von
dieser großen Monarchie eingeleitet und die muthmaßlich unwiderrufliche
Entzweispaltung Deutschlands ist geschehen. Nur daß dem Norddeutsch-
land unter Preußen kein reines Süddeutschland, sondern das zum
kleinsten Theil deutsche Oestreich mit deutschen Provinzen gegen-
überstände. Und falls es den östreichisch-bairischen Künsten gelänge,
noch mehr Staaten vom Bundesstaat abwendig zu machen, würde Preußen,
hierdurch geschwächt, um so mehr gegen Rußland hingedrängt, um
so weniger fähig, gegen England eine selbstständigere Handelspolitik
zu entwickeln; mit einem zu schwachen Preußen und einem undeutschen
Oestreich endigte dann der schöne Traum von einem einigen großen,
mächtigen Deutschland!

Welchen Antheil am Regiment würde aber Oestreich seinen Verbün-
deten, Baiern und Württemberg, gewähren? Das würde eine Löwen-
theilung werden! Und welche Vortheile in Bezug auf Handel, Zoll,
Schifffahrt könnte und wollte es ihnen anbieten, nachdem sie sich einmal
ihm hingegeben? Würden sie sich etwa abfinden lassen müssen durch
die Erlaubniß, Colonien in das durch Krieg entvölkerte und verwüstete
Ungarn und Siebenbürgen zu schicken? Möchte selbst Herr M. Mohl,
der erbittertste Gegner Preußens und des preußischen Zollvereins, dafür
bürgen, daß man nicht vom Regen in die Traufe käme?

Es wäre freilich für Württemberg leidig, wenn Baiern sich vom
deutschen Bundesstaat fern hielte und es dadurch das Grenzland des
letzteren würde; aber im anderen Falle, wenn es selbst als Trabant der
Sonne Oestreichs folgte, würde es möglicherweise Grenzland gegen den
deutschen Bundesstaat, gegen Baden; und wenn Württemberg sich für
den Bundesstaat erklärt, wird auch Baiern auf die Länge nicht wider-
stehen können, zumal da manche seiner Provinzen vom Preußenhaß nicht
angesteckt sind.

Wie so gar nicht unüberwindlich die von Vielen vorgebrachten
Gründe gegen den Anschluß von Preußen sind, erhellt daraus, daß im
April die weit überwiegende Stimmung in Baiern wie in Württemberg,
namentlich in den größeren Städten, sich für Anerkennung der Reichs-
verfassung mit dem Könige von Preußen, als deutschem Kaiser, aussprach.
Im inneren, tieferen Wesen der Dinge, an den materiellen und indu-

Und wie ſtände es, wenn Preußen den Zollverein aufkündigte?
Wäre dann der Jubel ſo laut, als jetzt das Geſchrei gegen Preußen,
namentlich wenn die durch den Wegfall der Zolleinnahmen nothwendig
gemachten Steuererhöhungen einträten?

Soll ſich aber Württemberg mit Baiern ganz an Oeſtreich anſchlie-
ßen, nun dann iſt einmal deſſen frühere oder ſpätere Verſchlingung von
dieſer großen Monarchie eingeleitet und die muthmaßlich unwiderrufliche
Entzweiſpaltung Deutſchlands iſt geſchehen. Nur daß dem Norddeutſch-
land unter Preußen kein reines Süddeutſchland, ſondern das zum
kleinſten Theil deutſche Oeſtreich mit deutſchen Provinzen gegen-
überſtände. Und falls es den öſtreichiſch-bairiſchen Künſten gelänge,
noch mehr Staaten vom Bundesſtaat abwendig zu machen, würde Preußen,
hierdurch geſchwächt, um ſo mehr gegen Rußland hingedrängt, um
ſo weniger fähig, gegen England eine ſelbſtſtändigere Handelspolitik
zu entwickeln; mit einem zu ſchwachen Preußen und einem undeutſchen
Oeſtreich endigte dann der ſchöne Traum von einem einigen großen,
mächtigen Deutſchland!

Welchen Antheil am Regiment würde aber Oeſtreich ſeinen Verbün-
deten, Baiern und Württemberg, gewähren? Das würde eine Löwen-
theilung werden! Und welche Vortheile in Bezug auf Handel, Zoll,
Schifffahrt könnte und wollte es ihnen anbieten, nachdem ſie ſich einmal
ihm hingegeben? Würden ſie ſich etwa abfinden laſſen müſſen durch
die Erlaubniß, Colonien in das durch Krieg entvölkerte und verwüſtete
Ungarn und Siebenbürgen zu ſchicken? Möchte ſelbſt Herr M. Mohl,
der erbittertſte Gegner Preußens und des preußiſchen Zollvereins, dafür
bürgen, daß man nicht vom Regen in die Traufe käme?

Es wäre freilich für Württemberg leidig, wenn Baiern ſich vom
deutſchen Bundesſtaat fern hielte und es dadurch das Grenzland des
letzteren würde; aber im anderen Falle, wenn es ſelbſt als Trabant der
Sonne Oeſtreichs folgte, würde es möglicherweiſe Grenzland gegen den
deutſchen Bundesſtaat, gegen Baden; und wenn Württemberg ſich für
den Bundesſtaat erklärt, wird auch Baiern auf die Länge nicht wider-
ſtehen können, zumal da manche ſeiner Provinzen vom Preußenhaß nicht
angeſteckt ſind.

Wie ſo gar nicht unüberwindlich die von Vielen vorgebrachten
Gründe gegen den Anſchluß von Preußen ſind, erhellt daraus, daß im
April die weit überwiegende Stimmung in Baiern wie in Württemberg,
namentlich in den größeren Städten, ſich für Anerkennung der Reichs-
verfaſſung mit dem Könige von Preußen, als deutſchem Kaiſer, ausſprach.
Im inneren, tieferen Weſen der Dinge, an den materiellen und indu-

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[11/0021] Und wie ſtände es, wenn Preußen den Zollverein aufkündigte? Wäre dann der Jubel ſo laut, als jetzt das Geſchrei gegen Preußen, namentlich wenn die durch den Wegfall der Zolleinnahmen nothwendig gemachten Steuererhöhungen einträten? Soll ſich aber Württemberg mit Baiern ganz an Oeſtreich anſchlie- ßen, nun dann iſt einmal deſſen frühere oder ſpätere Verſchlingung von dieſer großen Monarchie eingeleitet und die muthmaßlich unwiderrufliche Entzweiſpaltung Deutſchlands iſt geſchehen. Nur daß dem Norddeutſch- land unter Preußen kein reines Süddeutſchland, ſondern das zum kleinſten Theil deutſche Oeſtreich mit deutſchen Provinzen gegen- überſtände. Und falls es den öſtreichiſch-bairiſchen Künſten gelänge, noch mehr Staaten vom Bundesſtaat abwendig zu machen, würde Preußen, hierdurch geſchwächt, um ſo mehr gegen Rußland hingedrängt, um ſo weniger fähig, gegen England eine ſelbſtſtändigere Handelspolitik zu entwickeln; mit einem zu ſchwachen Preußen und einem undeutſchen Oeſtreich endigte dann der ſchöne Traum von einem einigen großen, mächtigen Deutſchland! Welchen Antheil am Regiment würde aber Oeſtreich ſeinen Verbün- deten, Baiern und Württemberg, gewähren? Das würde eine Löwen- theilung werden! Und welche Vortheile in Bezug auf Handel, Zoll, Schifffahrt könnte und wollte es ihnen anbieten, nachdem ſie ſich einmal ihm hingegeben? Würden ſie ſich etwa abfinden laſſen müſſen durch die Erlaubniß, Colonien in das durch Krieg entvölkerte und verwüſtete Ungarn und Siebenbürgen zu ſchicken? Möchte ſelbſt Herr M. Mohl, der erbittertſte Gegner Preußens und des preußiſchen Zollvereins, dafür bürgen, daß man nicht vom Regen in die Traufe käme? Es wäre freilich für Württemberg leidig, wenn Baiern ſich vom deutſchen Bundesſtaat fern hielte und es dadurch das Grenzland des letzteren würde; aber im anderen Falle, wenn es ſelbſt als Trabant der Sonne Oeſtreichs folgte, würde es möglicherweiſe Grenzland gegen den deutſchen Bundesſtaat, gegen Baden; und wenn Württemberg ſich für den Bundesſtaat erklärt, wird auch Baiern auf die Länge nicht wider- ſtehen können, zumal da manche ſeiner Provinzen vom Preußenhaß nicht angeſteckt ſind. Wie ſo gar nicht unüberwindlich die von Vielen vorgebrachten Gründe gegen den Anſchluß von Preußen ſind, erhellt daraus, daß im April die weit überwiegende Stimmung in Baiern wie in Württemberg, namentlich in den größeren Städten, ſich für Anerkennung der Reichs- verfaſſung mit dem Könige von Preußen, als deutſchem Kaiſer, ausſprach. Im inneren, tieferen Weſen der Dinge, an den materiellen und indu-

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Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/21>, abgerufen am 29.04.2024.