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Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

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Wahl mancher Männer sind als Mißgriffe zu bezeichnen. Endlich konnte
die nach wenigen Monaten erfolgte Abänderung des oktroyirten
Wahlgesetzes als eine Maßregel gefährlicher Willkür erscheinen und den
Glauben an die Geltung der Verfassung selbst tief erschüttern. Ein un-
günstiges Licht mochte auch auf den Geist und die Absichten der preußi-
schen Regierung die auf- und zudringliche Neue Preußische (oder Kreuz-)
Zeitung werfen, nach deren allerdings reaktionärer, absolutistischer Ten-
denz Viele die Gesinnungen der höchsten Regionen in Preußen glaubten
bemessen zu dürfen.

Am meisten ist wohl die Art der Kriegführung und der neue
Waffenstillstand geeignet, Mißstimmung gegen Preußens Regierung zu
erzeugen und harte Anklagen zu rechtfertigen. Ein mit frisch aufflam-
mendem nationalem Enthusiasmus begonnener Krieg endigt, nach sieg-
reichem Vorrücken der Deutschen und nach einem ungerächt bleibenden
mörderischen Ueberfall der Schleswig-Holsteiner in Folge, wie es scheint,
schuldhafter Fahrlässigkeit, mit einem ruhmlosen, die Ansprüche und
Hoffnungen der Schleswiger preisgebenden Frieden! Zudem hatten be-
denkliche diplomatische Unterhandlungen zuvor schon Mißtrauen und Ver-
dacht rege gemacht. Preußen selbst hat seine Vertheidigung noch nicht
geführt. Wir müssen sie abwarten; der Zweifel, ob sie ganz befriedigen
könne, muß erlaubt sein; die Beachtung einiger Punkte aber, die die
Erbitterung meist übersieht, dürfte Vieles in milderem Licht erscheinen
und den dunkelsten Schatten zum Theil anderswohin fallen lassen.

Durch die Blokade leidet die Schifffahrt und der Handel der preu-
ßischen und der übrigen norddeutschen Seestädte und Staaten ungeheuer.
Keine Regierung kann die materiellen Interessen und die durch deren
Verletzung entstehende Unzufriedenheit unbeachtet lassen. Wir Süddeutsche
empfinden Nichts von dem in die Millionen sich belaufenden Verlusten
in Folge der Blokade, der Wegnahme von Schiffen, der Stockung des
Verkehrs; aber als im vergangenen Herbst nur ein paar Wochen
lang
eine Sperre gegen die Schweiz angeordnet wurde: welche Klagen
wurden da schon angestimmt und kaum durch die Schaam einigermaßen
zurückgedrängt!

Der Kampf war und blieb ein ungleicher, weil die Dänen eine
Seemacht haben, die Deutschen aber leider noch immer nicht, wenigstens
keine, die es mit der dänischen aufnehmen, eine Unternehmung gegen die
dänischen Inseln machen könnte. Es blieb immer der Kampf eines
Löwen gegen einen Hayfisch. Stände freilich Dänemark allein, auf seine
eigenen Mittel beschränkt, so dürfte man wohl hoffen, diese durch Be-
harrlichkeit bald zu erschöpfen; aber Dänemark hat einen gewaltigen

Wahl mancher Männer ſind als Mißgriffe zu bezeichnen. Endlich konnte
die nach wenigen Monaten erfolgte Abänderung des oktroyirten
Wahlgeſetzes als eine Maßregel gefährlicher Willkür erſcheinen und den
Glauben an die Geltung der Verfaſſung ſelbſt tief erſchüttern. Ein un-
günſtiges Licht mochte auch auf den Geiſt und die Abſichten der preußi-
ſchen Regierung die auf- und zudringliche Neue Preußiſche (oder Kreuz-)
Zeitung werfen, nach deren allerdings reaktionärer, abſolutiſtiſcher Ten-
denz Viele die Geſinnungen der höchſten Regionen in Preußen glaubten
bemeſſen zu dürfen.

Am meiſten iſt wohl die Art der Kriegführung und der neue
Waffenſtillſtand geeignet, Mißſtimmung gegen Preußens Regierung zu
erzeugen und harte Anklagen zu rechtfertigen. Ein mit friſch aufflam-
mendem nationalem Enthuſiasmus begonnener Krieg endigt, nach ſieg-
reichem Vorrücken der Deutſchen und nach einem ungerächt bleibenden
mörderiſchen Ueberfall der Schleswig-Holſteiner in Folge, wie es ſcheint,
ſchuldhafter Fahrläſſigkeit, mit einem ruhmloſen, die Anſprüche und
Hoffnungen der Schleswiger preisgebenden Frieden! Zudem hatten be-
denkliche diplomatiſche Unterhandlungen zuvor ſchon Mißtrauen und Ver-
dacht rege gemacht. Preußen ſelbſt hat ſeine Vertheidigung noch nicht
geführt. Wir müſſen ſie abwarten; der Zweifel, ob ſie ganz befriedigen
könne, muß erlaubt ſein; die Beachtung einiger Punkte aber, die die
Erbitterung meiſt überſieht, dürfte Vieles in milderem Licht erſcheinen
und den dunkelſten Schatten zum Theil anderswohin fallen laſſen.

Durch die Blokade leidet die Schifffahrt und der Handel der preu-
ßiſchen und der übrigen norddeutſchen Seeſtädte und Staaten ungeheuer.
Keine Regierung kann die materiellen Intereſſen und die durch deren
Verletzung entſtehende Unzufriedenheit unbeachtet laſſen. Wir Süddeutſche
empfinden Nichts von dem in die Millionen ſich belaufenden Verluſten
in Folge der Blokade, der Wegnahme von Schiffen, der Stockung des
Verkehrs; aber als im vergangenen Herbſt nur ein paar Wochen
lang
eine Sperre gegen die Schweiz angeordnet wurde: welche Klagen
wurden da ſchon angeſtimmt und kaum durch die Schaam einigermaßen
zurückgedrängt!

Der Kampf war und blieb ein ungleicher, weil die Dänen eine
Seemacht haben, die Deutſchen aber leider noch immer nicht, wenigſtens
keine, die es mit der däniſchen aufnehmen, eine Unternehmung gegen die
däniſchen Inſeln machen könnte. Es blieb immer der Kampf eines
Löwen gegen einen Hayfiſch. Stände freilich Dänemark allein, auf ſeine
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[14/0024] Wahl mancher Männer ſind als Mißgriffe zu bezeichnen. Endlich konnte die nach wenigen Monaten erfolgte Abänderung des oktroyirten Wahlgeſetzes als eine Maßregel gefährlicher Willkür erſcheinen und den Glauben an die Geltung der Verfaſſung ſelbſt tief erſchüttern. Ein un- günſtiges Licht mochte auch auf den Geiſt und die Abſichten der preußi- ſchen Regierung die auf- und zudringliche Neue Preußiſche (oder Kreuz-) Zeitung werfen, nach deren allerdings reaktionärer, abſolutiſtiſcher Ten- denz Viele die Geſinnungen der höchſten Regionen in Preußen glaubten bemeſſen zu dürfen. Am meiſten iſt wohl die Art der Kriegführung und der neue Waffenſtillſtand geeignet, Mißſtimmung gegen Preußens Regierung zu erzeugen und harte Anklagen zu rechtfertigen. Ein mit friſch aufflam- mendem nationalem Enthuſiasmus begonnener Krieg endigt, nach ſieg- reichem Vorrücken der Deutſchen und nach einem ungerächt bleibenden mörderiſchen Ueberfall der Schleswig-Holſteiner in Folge, wie es ſcheint, ſchuldhafter Fahrläſſigkeit, mit einem ruhmloſen, die Anſprüche und Hoffnungen der Schleswiger preisgebenden Frieden! Zudem hatten be- denkliche diplomatiſche Unterhandlungen zuvor ſchon Mißtrauen und Ver- dacht rege gemacht. Preußen ſelbſt hat ſeine Vertheidigung noch nicht geführt. Wir müſſen ſie abwarten; der Zweifel, ob ſie ganz befriedigen könne, muß erlaubt ſein; die Beachtung einiger Punkte aber, die die Erbitterung meiſt überſieht, dürfte Vieles in milderem Licht erſcheinen und den dunkelſten Schatten zum Theil anderswohin fallen laſſen. Durch die Blokade leidet die Schifffahrt und der Handel der preu- ßiſchen und der übrigen norddeutſchen Seeſtädte und Staaten ungeheuer. Keine Regierung kann die materiellen Intereſſen und die durch deren Verletzung entſtehende Unzufriedenheit unbeachtet laſſen. Wir Süddeutſche empfinden Nichts von dem in die Millionen ſich belaufenden Verluſten in Folge der Blokade, der Wegnahme von Schiffen, der Stockung des Verkehrs; aber als im vergangenen Herbſt nur ein paar Wochen lang eine Sperre gegen die Schweiz angeordnet wurde: welche Klagen wurden da ſchon angeſtimmt und kaum durch die Schaam einigermaßen zurückgedrängt! Der Kampf war und blieb ein ungleicher, weil die Dänen eine Seemacht haben, die Deutſchen aber leider noch immer nicht, wenigſtens keine, die es mit der däniſchen aufnehmen, eine Unternehmung gegen die däniſchen Inſeln machen könnte. Es blieb immer der Kampf eines Löwen gegen einen Hayfiſch. Stände freilich Dänemark allein, auf ſeine eigenen Mittel beſchränkt, ſo dürfte man wohl hoffen, dieſe durch Be- harrlichkeit bald zu erſchöpfen; aber Dänemark hat einen gewaltigen

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Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/24>, abgerufen am 29.04.2024.