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Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

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Rückhalt an Rußland, an Frankreich, an England -- wäh-
rend selbst Oestreich seinen Gesandten von Copenhagen nie abrief,
nie ein Bataillon zum Krieg stellte, wohl aber von Dänemark während
des Krieges sich einen Admiral erbat und erhielt! An der Spitze des
Reichsministeriums aber stand bis Ende des vorigen Jahres der Oest-
reicher v. Schmerling
, der sich "immer vor Allem als
Oestreicher
fühlte!"

In Preußen besteht ein anderes Ministerium, als dasjenige, welches
den Krieg begann. Vermuthlich betrachtet es die Veranlassung des
Kriegs, die Rechte der Herzogthümer aus einem anderen Gesichtspunkt,
als das frühere, und zeigte deshalb eine Nachgiebigkeit, die ihm bitter
verargt wird, die aber mit weit mehr Grund ihm zum Verbrechen an-
gerechnet werden würde, wenn es selbst den Krieg begonnen hätte.
Man weist mit Bitterkeit hin auf jenes Schreiben des Königs von
Preußen an den Herzog von Augustenburg und dessen Zusagen. Die
Versprechungen und die Wirklichkeit sind wohl gar nicht, oder nur mit-
telst höchst künstlicher Deutung in Uebereinstimmung zu bringen; ent-
weder jenes Schreiben, oder dieser Waffenstillstand, oder Beides war ein
Fehler. Wenn aber der Waffenstillstand an sich zu rechtfertigen oder
doch zu entschuldigen sein sollte, so sollte man daraus, daß er mit jenem
Brief im Widerspruch steht, keine allzuharte Anklage bilden. Ein con-
stitutioneller König sollte sich wohl hüten, durch Aussprechen seiner per-
sönlichen
Ansichten und Gesinnungen, mögen sie ihm noch so sehr
zur Ehre gereichen, seine Regierung zu binden und zu einer Handlungs-
weise zu verpflichten, welcher sich die wichtigsten Bedenken hemmend in
den Weg stellen können. Es ist wenigstens denkbar, daß der König
die Durchführung des von ihm persönlich Zugesagten den politischen
Erwägungen seines Ministeriums zum Opfer gebracht hätte.

Die östreichische und bairische ministerielle Presse ist eifrigst be-
müht, die Schmach des abgeschlossenen Waffenstillstandes in's grellste
Licht zu setzen und der Erbitterung gegen Preußen, statt der bisherigen
provinzlich- und dynastisch-partikularistischen, eine scheinbar nationale Farbe
zu geben. Aber gerade der Umstand, daß von dieser Seite her der Un-
muth und Zorn über das für Deutschland jedenfalls unrühmliche Ereig-
niß geschürt wird, ist geeignet, dem patriotischen Unmuth eine andere
Wendung zu geben und von einer übereilten Verdammung Preußens
abzumahnen. Aufrichtig ist der Verdruß der östreichischen und bai-
rischen officiellen Presse gewiß; aber was liegt demselben zu Grunde?
etwa patriotisches Ehrgefühl bei Oestreich, das sich offen auf die Seite
des Feindes stellte, und bei Baiern, welches emsig das Zustandekommen

Rückhalt an Rußland, an Frankreich, an England — wäh-
rend ſelbſt Oeſtreich ſeinen Geſandten von Copenhagen nie abrief,
nie ein Bataillon zum Krieg ſtellte, wohl aber von Dänemark während
des Krieges ſich einen Admiral erbat und erhielt! An der Spitze des
Reichsminiſteriums aber ſtand bis Ende des vorigen Jahres der Oeſt-
reicher v. Schmerling
, der ſich „immer vor Allem als
Oeſtreicher
fühlte!“

In Preußen beſteht ein anderes Miniſterium, als dasjenige, welches
den Krieg begann. Vermuthlich betrachtet es die Veranlaſſung des
Kriegs, die Rechte der Herzogthümer aus einem anderen Geſichtspunkt,
als das frühere, und zeigte deshalb eine Nachgiebigkeit, die ihm bitter
verargt wird, die aber mit weit mehr Grund ihm zum Verbrechen an-
gerechnet werden würde, wenn es ſelbſt den Krieg begonnen hätte.
Man weist mit Bitterkeit hin auf jenes Schreiben des Königs von
Preußen an den Herzog von Auguſtenburg und deſſen Zuſagen. Die
Verſprechungen und die Wirklichkeit ſind wohl gar nicht, oder nur mit-
telſt höchſt künſtlicher Deutung in Uebereinſtimmung zu bringen; ent-
weder jenes Schreiben, oder dieſer Waffenſtillſtand, oder Beides war ein
Fehler. Wenn aber der Waffenſtillſtand an ſich zu rechtfertigen oder
doch zu entſchuldigen ſein ſollte, ſo ſollte man daraus, daß er mit jenem
Brief im Widerſpruch ſteht, keine allzuharte Anklage bilden. Ein con-
ſtitutioneller König ſollte ſich wohl hüten, durch Ausſprechen ſeiner per-
ſönlichen
Anſichten und Geſinnungen, mögen ſie ihm noch ſo ſehr
zur Ehre gereichen, ſeine Regierung zu binden und zu einer Handlungs-
weiſe zu verpflichten, welcher ſich die wichtigſten Bedenken hemmend in
den Weg ſtellen können. Es iſt wenigſtens denkbar, daß der König
die Durchführung des von ihm perſönlich Zugeſagten den politiſchen
Erwägungen ſeines Miniſteriums zum Opfer gebracht hätte.

Die öſtreichiſche und bairiſche miniſterielle Preſſe iſt eifrigſt be-
müht, die Schmach des abgeſchloſſenen Waffenſtillſtandes in’s grellſte
Licht zu ſetzen und der Erbitterung gegen Preußen, ſtatt der bisherigen
provinzlich- und dynaſtiſch-partikulariſtiſchen, eine ſcheinbar nationale Farbe
zu geben. Aber gerade der Umſtand, daß von dieſer Seite her der Un-
muth und Zorn über das für Deutſchland jedenfalls unrühmliche Ereig-
niß geſchürt wird, iſt geeignet, dem patriotiſchen Unmuth eine andere
Wendung zu geben und von einer übereilten Verdammung Preußens
abzumahnen. Aufrichtig iſt der Verdruß der öſtreichiſchen und bai-
riſchen officiellen Preſſe gewiß; aber was liegt demſelben zu Grunde?
etwa patriotiſches Ehrgefühl bei Oeſtreich, das ſich offen auf die Seite
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[15/0025] Rückhalt an Rußland, an Frankreich, an England — wäh- rend ſelbſt Oeſtreich ſeinen Geſandten von Copenhagen nie abrief, nie ein Bataillon zum Krieg ſtellte, wohl aber von Dänemark während des Krieges ſich einen Admiral erbat und erhielt! An der Spitze des Reichsminiſteriums aber ſtand bis Ende des vorigen Jahres der Oeſt- reicher v. Schmerling, der ſich „immer vor Allem als Oeſtreicher fühlte!“ In Preußen beſteht ein anderes Miniſterium, als dasjenige, welches den Krieg begann. Vermuthlich betrachtet es die Veranlaſſung des Kriegs, die Rechte der Herzogthümer aus einem anderen Geſichtspunkt, als das frühere, und zeigte deshalb eine Nachgiebigkeit, die ihm bitter verargt wird, die aber mit weit mehr Grund ihm zum Verbrechen an- gerechnet werden würde, wenn es ſelbſt den Krieg begonnen hätte. Man weist mit Bitterkeit hin auf jenes Schreiben des Königs von Preußen an den Herzog von Auguſtenburg und deſſen Zuſagen. Die Verſprechungen und die Wirklichkeit ſind wohl gar nicht, oder nur mit- telſt höchſt künſtlicher Deutung in Uebereinſtimmung zu bringen; ent- weder jenes Schreiben, oder dieſer Waffenſtillſtand, oder Beides war ein Fehler. Wenn aber der Waffenſtillſtand an ſich zu rechtfertigen oder doch zu entſchuldigen ſein ſollte, ſo ſollte man daraus, daß er mit jenem Brief im Widerſpruch ſteht, keine allzuharte Anklage bilden. Ein con- ſtitutioneller König ſollte ſich wohl hüten, durch Ausſprechen ſeiner per- ſönlichen Anſichten und Geſinnungen, mögen ſie ihm noch ſo ſehr zur Ehre gereichen, ſeine Regierung zu binden und zu einer Handlungs- weiſe zu verpflichten, welcher ſich die wichtigſten Bedenken hemmend in den Weg ſtellen können. Es iſt wenigſtens denkbar, daß der König die Durchführung des von ihm perſönlich Zugeſagten den politiſchen Erwägungen ſeines Miniſteriums zum Opfer gebracht hätte. Die öſtreichiſche und bairiſche miniſterielle Preſſe iſt eifrigſt be- müht, die Schmach des abgeſchloſſenen Waffenſtillſtandes in’s grellſte Licht zu ſetzen und der Erbitterung gegen Preußen, ſtatt der bisherigen provinzlich- und dynaſtiſch-partikulariſtiſchen, eine ſcheinbar nationale Farbe zu geben. Aber gerade der Umſtand, daß von dieſer Seite her der Un- muth und Zorn über das für Deutſchland jedenfalls unrühmliche Ereig- niß geſchürt wird, iſt geeignet, dem patriotiſchen Unmuth eine andere Wendung zu geben und von einer übereilten Verdammung Preußens abzumahnen. Aufrichtig iſt der Verdruß der öſtreichiſchen und bai- riſchen officiellen Preſſe gewiß; aber was liegt demſelben zu Grunde? etwa patriotiſches Ehrgefühl bei Oeſtreich, das ſich offen auf die Seite des Feindes ſtellte, und bei Baiern, welches emſig das Zuſtandekommen

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Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/25>, abgerufen am 29.04.2024.