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Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

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Preußen ein Philipp II., ein Alba schalten und walten; in Wahrheit
wurde erst ganz spät, als das Uebel schon fast unheilbar schien, einem
ebenso entsetzlichen als ekelhaften Pöbelterrorismus durch ein entschlosse-
nes, zur Aufopferung bereites Ministerium und einen kraftvollen aber
dabei humanen General ein Ende gemacht -- unter der Zustimmung
aller Freunde der wahren Freiheit; durch Ausnahmsmaßregeln aber, in
solcher Zeit und durch den Erfolg gerechtfertigt, wurde ein Ende gemacht
den eben so unfruchtbaren als gefährlichen und unpatriotischen Aus-
schweifungen einer nur in demokratischen Reden und Wühlereien starken,
im Uebrigen schwachen Versammlung von Volksvertretern. Wurde auch
durch solche Staatsstreiche und was sich daran knüpfte, das formelle, das
noch so junge Recht bedroht oder verletzt, so läßt sich ihnen doch der
Charakter und das Lob der "rettenden That" nicht absprechen; und
wenn auch in Einzelnem fehlgegriffen, die richtige Grenze über-
schritten und unnöthig Argwohn und Erbitterung geweckt wurde:
im Ganzen drückten die muthigen und energischen Vollstrecker der retten-
den That ihrem Werke das Gepräge der Humanität, der Milde, des
Anstands auf; nicht zertreten und geknickt ward die zarte Pflanze der
Freiheit; sie richtete sich vielmehr erst wieder gesund und freudig auf,
nachdem das erstickende, überwuchernde Unkraut der falschen, terrori-
sirenden Freiheit einer zuchtlosen Partei weggeräumt war. Der
Belagerungszustand ist aufgehoben, die Presse frei, das Vereinsrecht wie-
der in Kraft, Geschworne richten über politische Vergehen, Vertrauen
und Hoffnung sind wiedergekehrt, Preußen kann viele Tausende seiner
Krieger über seine Grenzen senden, wo ihr patriotischer Sinn Bewun-
derung, freilich auch den Ingrimm heimatloser Wühler erregt. Daß in
einem Staat, der erst seit drei Jahren auf die constitutionelle Bahn ein-
zulenken begonnen, manche Fehlgriffe, manche Reminiscenzen an die alte
Zeit und Form vorkommen, kann nicht befremden; es fällt kein Gelehr-
ter, kein Staatsmann vom Himmel und ebensowenig eine constitutionelle
Musterregierung; das könnte man in Deutschland wissen; daß aber in
Preußen der Wille besteht, auf der neuen Bahn zu beharren, darf
kein Vernünftiger bezweifeln, denn sonst wäre die Gelegenheit, das Zu-
gestandene zurückzunehmen, schwerlich versäumt worden.

Mit Strenge wird jetzt gegen die Schuldigsten beim badischen Auf-
stand verfahren; Todesurtheile sind gefällt und vollzogen worden. Da
wird alsbald geschrieen über "Gefangenen-Mord", an den "besten Män-
nern" Deutschlands begangen, und die Herrschaft der Barbarei Europa
geweissagt. Ueber solches Gebahren wird man sich nicht erhitzen. Leute,
die das Hetzen, Verführen, Aufständemachen, Fürsten- und Aristokraten-

Preußen ein Philipp II., ein Alba ſchalten und walten; in Wahrheit
wurde erſt ganz ſpät, als das Uebel ſchon faſt unheilbar ſchien, einem
ebenſo entſetzlichen als ekelhaften Pöbelterrorismus durch ein entſchloſſe-
nes, zur Aufopferung bereites Miniſterium und einen kraftvollen aber
dabei humanen General ein Ende gemacht — unter der Zuſtimmung
aller Freunde der wahren Freiheit; durch Ausnahmsmaßregeln aber, in
ſolcher Zeit und durch den Erfolg gerechtfertigt, wurde ein Ende gemacht
den eben ſo unfruchtbaren als gefährlichen und unpatriotiſchen Aus-
ſchweifungen einer nur in demokratiſchen Reden und Wühlereien ſtarken,
im Uebrigen ſchwachen Verſammlung von Volksvertretern. Wurde auch
durch ſolche Staatsſtreiche und was ſich daran knüpfte, das formelle, das
noch ſo junge Recht bedroht oder verletzt, ſo läßt ſich ihnen doch der
Charakter und das Lob der „rettenden That“ nicht abſprechen; und
wenn auch in Einzelnem fehlgegriffen, die richtige Grenze über-
ſchritten und unnöthig Argwohn und Erbitterung geweckt wurde:
im Ganzen drückten die muthigen und energiſchen Vollſtrecker der retten-
den That ihrem Werke das Gepräge der Humanität, der Milde, des
Anſtands auf; nicht zertreten und geknickt ward die zarte Pflanze der
Freiheit; ſie richtete ſich vielmehr erſt wieder geſund und freudig auf,
nachdem das erſtickende, überwuchernde Unkraut der falſchen, terrori-
ſirenden Freiheit einer zuchtloſen Partei weggeräumt war. Der
Belagerungszuſtand iſt aufgehoben, die Preſſe frei, das Vereinsrecht wie-
der in Kraft, Geſchworne richten über politiſche Vergehen, Vertrauen
und Hoffnung ſind wiedergekehrt, Preußen kann viele Tauſende ſeiner
Krieger über ſeine Grenzen ſenden, wo ihr patriotiſcher Sinn Bewun-
derung, freilich auch den Ingrimm heimatloſer Wühler erregt. Daß in
einem Staat, der erſt ſeit drei Jahren auf die conſtitutionelle Bahn ein-
zulenken begonnen, manche Fehlgriffe, manche Reminiscenzen an die alte
Zeit und Form vorkommen, kann nicht befremden; es fällt kein Gelehr-
ter, kein Staatsmann vom Himmel und ebenſowenig eine conſtitutionelle
Muſterregierung; das könnte man in Deutſchland wiſſen; daß aber in
Preußen der Wille beſteht, auf der neuen Bahn zu beharren, darf
kein Vernünftiger bezweifeln, denn ſonſt wäre die Gelegenheit, das Zu-
geſtandene zurückzunehmen, ſchwerlich verſäumt worden.

Mit Strenge wird jetzt gegen die Schuldigſten beim badiſchen Auf-
ſtand verfahren; Todesurtheile ſind gefällt und vollzogen worden. Da
wird alsbald geſchrieen über „Gefangenen-Mord“, an den „beſten Män-
nern“ Deutſchlands begangen, und die Herrſchaft der Barbarei Europa
geweiſſagt. Ueber ſolches Gebahren wird man ſich nicht erhitzen. Leute,
die das Hetzen, Verführen, Aufſtändemachen, Fürſten- und Ariſtokraten-

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[18/0028] Preußen ein Philipp II., ein Alba ſchalten und walten; in Wahrheit wurde erſt ganz ſpät, als das Uebel ſchon faſt unheilbar ſchien, einem ebenſo entſetzlichen als ekelhaften Pöbelterrorismus durch ein entſchloſſe- nes, zur Aufopferung bereites Miniſterium und einen kraftvollen aber dabei humanen General ein Ende gemacht — unter der Zuſtimmung aller Freunde der wahren Freiheit; durch Ausnahmsmaßregeln aber, in ſolcher Zeit und durch den Erfolg gerechtfertigt, wurde ein Ende gemacht den eben ſo unfruchtbaren als gefährlichen und unpatriotiſchen Aus- ſchweifungen einer nur in demokratiſchen Reden und Wühlereien ſtarken, im Uebrigen ſchwachen Verſammlung von Volksvertretern. Wurde auch durch ſolche Staatsſtreiche und was ſich daran knüpfte, das formelle, das noch ſo junge Recht bedroht oder verletzt, ſo läßt ſich ihnen doch der Charakter und das Lob der „rettenden That“ nicht abſprechen; und wenn auch in Einzelnem fehlgegriffen, die richtige Grenze über- ſchritten und unnöthig Argwohn und Erbitterung geweckt wurde: im Ganzen drückten die muthigen und energiſchen Vollſtrecker der retten- den That ihrem Werke das Gepräge der Humanität, der Milde, des Anſtands auf; nicht zertreten und geknickt ward die zarte Pflanze der Freiheit; ſie richtete ſich vielmehr erſt wieder geſund und freudig auf, nachdem das erſtickende, überwuchernde Unkraut der falſchen, terrori- ſirenden Freiheit einer zuchtloſen Partei weggeräumt war. Der Belagerungszuſtand iſt aufgehoben, die Preſſe frei, das Vereinsrecht wie- der in Kraft, Geſchworne richten über politiſche Vergehen, Vertrauen und Hoffnung ſind wiedergekehrt, Preußen kann viele Tauſende ſeiner Krieger über ſeine Grenzen ſenden, wo ihr patriotiſcher Sinn Bewun- derung, freilich auch den Ingrimm heimatloſer Wühler erregt. Daß in einem Staat, der erſt ſeit drei Jahren auf die conſtitutionelle Bahn ein- zulenken begonnen, manche Fehlgriffe, manche Reminiscenzen an die alte Zeit und Form vorkommen, kann nicht befremden; es fällt kein Gelehr- ter, kein Staatsmann vom Himmel und ebenſowenig eine conſtitutionelle Muſterregierung; das könnte man in Deutſchland wiſſen; daß aber in Preußen der Wille beſteht, auf der neuen Bahn zu beharren, darf kein Vernünftiger bezweifeln, denn ſonſt wäre die Gelegenheit, das Zu- geſtandene zurückzunehmen, ſchwerlich verſäumt worden. Mit Strenge wird jetzt gegen die Schuldigſten beim badiſchen Auf- ſtand verfahren; Todesurtheile ſind gefällt und vollzogen worden. Da wird alsbald geſchrieen über „Gefangenen-Mord“, an den „beſten Män- nern“ Deutſchlands begangen, und die Herrſchaft der Barbarei Europa geweiſſagt. Ueber ſolches Gebahren wird man ſich nicht erhitzen. Leute, die das Hetzen, Verführen, Aufſtändemachen, Fürſten- und Ariſtokraten-

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Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/28>, abgerufen am 29.04.2024.