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Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

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Mord-Predigen und Atheismus als Profession treiben -- das sind die
"besten Männer!" Aufrührer und Volksverderber, mit Verbrechen jeder
Art befleckt, werden gleichbedeutend genommen mit "Kriegsgefangenen!"
Die "Civilisation" wird da gesucht und gefunden, wo das unbefangene
Auge Rohheit, Entsittlichung, Verwilderung, Brutalität erblickt!

Beklagenswerth, daß es zu solcher Strenge hat kommen müssen!
Aber was waren die Früchte der Milde und Langmuth gegen einen
Struve und Leute seines Gelichters? Was der Dank für die, jetzt frei-
lich wieder geforderte Amnestie? Viel Unheil wäre vielleicht ungeschehen
geblieben, wenn der König von Preußen in jener Märznacht sich hätte
entschließen können, die noch übrigen Barrikaden nehmen zu lassen,
und dann, als Sieger, nicht ein Jota zurückgenommen hätte von
dem, was er seinem Volke zugesagt hatte. In diesem Sinne hat sich
nicht nur E. M. Arndt, so hat sich auch J. Venedey ausgespro-
chen, dem Niemand eine königliche, eine ausschließend preußische Gesin-
nung zuschreiben wird. Verrath ist damals geübt worden, ja! aber
nicht von Seiten des Königs, oder des Prinzen von Preußen, sondern
von der Partei des Umsturzes, die allein dadurch zu gewinnen hoffen
konnte.

Die Monarchie ist es, die Festigkeit und die Einheit
Deutschlands
, was die fanatische Demokratie in Preußen haßt;
das Stammesvorurtheil und die eingewurzelte Antipathie erhalten ihre
Weihe durch das politische Princip. Die Hoffnung, das feste Preußen
mit seiner constitutionellen Monarchie im übrigen demokratisch-gesinnten
Deutschland aufzulösen mittelst der Reichsverfassung, ist ihr vereitelt
durch den von Preußen, mit Hannover und Sachsen, vorgelegten Ver-
fassungsentwurf, mit verändertem Wahlgesetz; und daraus erklärt sich
zum Theil der erbitterte Widerspruch gegen die "oktroyirte" Verfassung,
gegen den Anschluß an Preußen. Die Demokratie handelt in ihrem
Sinne folgerecht; aber mögen die Constitutionellen sich vorsehen, daß sie
nicht mit den Republikanern in Ein Horn des Hasses gegen Preußen
blasen, zu ihrem eigenen und des Vaterlandes Unheil! Was den De-
mokraten Preußen verhaßt macht, das muß es ihnen werth
machen; eine Coalition aber, deren Kitt nur der hier blinde und
dort principmäßige Preußenhaß wäre, trüge den Keim des Ver-
derbens und des Fluches in sich selbst.

Freilich trifft Verschiednes zusammen, was, geschickt benützt, die
Abneigung gegen den Anschluß zu verstärken geeignet ist; zu dem alten
Preußenhaß kommt der Inhalt des preußischen Verfassungsentwurfs,
und die Form der Darbietung.

2*

Mord-Predigen und Atheismus als Profeſſion treiben — das ſind die
„beſten Männer!“ Aufrührer und Volksverderber, mit Verbrechen jeder
Art befleckt, werden gleichbedeutend genommen mit „Kriegsgefangenen!“
Die „Civiliſation“ wird da geſucht und gefunden, wo das unbefangene
Auge Rohheit, Entſittlichung, Verwilderung, Brutalität erblickt!

Beklagenswerth, daß es zu ſolcher Strenge hat kommen müſſen!
Aber was waren die Früchte der Milde und Langmuth gegen einen
Struve und Leute ſeines Gelichters? Was der Dank für die, jetzt frei-
lich wieder geforderte Amneſtie? Viel Unheil wäre vielleicht ungeſchehen
geblieben, wenn der König von Preußen in jener Märznacht ſich hätte
entſchließen können, die noch übrigen Barrikaden nehmen zu laſſen,
und dann, als Sieger, nicht ein Jota zurückgenommen hätte von
dem, was er ſeinem Volke zugeſagt hatte. In dieſem Sinne hat ſich
nicht nur E. M. Arndt, ſo hat ſich auch J. Venedey ausgeſpro-
chen, dem Niemand eine königliche, eine ausſchließend preußiſche Geſin-
nung zuſchreiben wird. Verrath iſt damals geübt worden, ja! aber
nicht von Seiten des Königs, oder des Prinzen von Preußen, ſondern
von der Partei des Umſturzes, die allein dadurch zu gewinnen hoffen
konnte.

Die Monarchie iſt es, die Feſtigkeit und die Einheit
Deutſchlands
, was die fanatiſche Demokratie in Preußen haßt;
das Stammesvorurtheil und die eingewurzelte Antipathie erhalten ihre
Weihe durch das politiſche Princip. Die Hoffnung, das feſte Preußen
mit ſeiner conſtitutionellen Monarchie im übrigen demokratiſch-geſinnten
Deutſchland aufzulöſen mittelſt der Reichsverfaſſung, iſt ihr vereitelt
durch den von Preußen, mit Hannover und Sachſen, vorgelegten Ver-
faſſungsentwurf, mit verändertem Wahlgeſetz; und daraus erklärt ſich
zum Theil der erbitterte Widerſpruch gegen die „oktroyirte“ Verfaſſung,
gegen den Anſchluß an Preußen. Die Demokratie handelt in ihrem
Sinne folgerecht; aber mögen die Conſtitutionellen ſich vorſehen, daß ſie
nicht mit den Republikanern in Ein Horn des Haſſes gegen Preußen
blaſen, zu ihrem eigenen und des Vaterlandes Unheil! Was den De-
mokraten Preußen verhaßt macht, das muß es ihnen werth
machen; eine Coalition aber, deren Kitt nur der hier blinde und
dort principmäßige Preußenhaß wäre, trüge den Keim des Ver-
derbens und des Fluches in ſich ſelbſt.

Freilich trifft Verſchiednes zuſammen, was, geſchickt benützt, die
Abneigung gegen den Anſchluß zu verſtärken geeignet iſt; zu dem alten
Preußenhaß kommt der Inhalt des preußiſchen Verfaſſungsentwurfs,
und die Form der Darbietung.

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Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/29>, abgerufen am 29.04.2024.