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Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

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ein frischer Entschluß, eine entschiedene That Grenzen setzen und eine
heilsame Wendung geben dürfte. Wir können, wir dürfen weder stehen
bleiben, noch von der Rückkehr zum Alten das Heil erwarten; wir
müssen vorwärts, müssen uns an der Schöpfung eines Neuen betheiligen.

Der Beobachter entblödet sich nicht zu erklären: die Abneigung
gegen Preußen sey noch "das einzige Glied, welches den Staatsrath
Römer mit dem württembergischen Volke verbinde!" Und auf Grund
dieser gemeinsamen Abneigung, dießes angeblich gemeinen Hasses fordert
er ihn auf, seinen Collegen Duvernoy über Bord, und sich der
"Volkspartei," gänzlich in die Arme zu werfen; -- Eine fast unglaub-
liche Naivetät! Wenn über Römer die Abneigung gegen Preußen
einigen Einfluß üben und ihn vom Anschluß an die Verfassung der drei
Königreiche abhalten sollte, -- und eine Rechtfertigung der Weigerung
aus politischen Gründen ist nirgends gegeben worden, wenn man
nicht die Verwahrung gegen eine "Selbstverstümmelung Deutschlands"
dafür gelten lassen will, -- so müßte ihn, es muß alle verständige
Vaterlandsfreunde diese Aufforderung, dieser Rath -- ab hoste
concilium!
-- nachdenklich machen! Nur der Befriedigung dieses Hasses
sollte Römer als willkommenes, Werkzeug dienen, und dann, wenn
sie je gelänge, auch weggeworfen werden! Nachdem er sich um das Va-
terland das Verdienst erworben, die Verbreitung des Bürgerkriegs über
Württemberg zu verhindern, in welchem Falle dessen Unterdrückung
lange Zeit und ungeheure Opfer gekostet hätte, soll er jetzt dem Zustan-
dekommen der Einheit, des deutschen Bundesstaats, -- so groß er un-
ter den gegebenen Umständen möglich ist, -- entgegenarbeiten, und eine
Spaltung Deutschlands fördern, weil eine Einigung des ganzen
(geographischen) Deutschlands nicht möglich ist! Man darf zu Römers
Verstand und Ehrenhaftigkeit ein ganz anderes Vertrauen haben! Er
wird eine Antipathie nicht über sich herrschen lassen, wird sie überwin-
den, welcher nur patriotische Wünsche -- die Einheit des gesammten
Deutschlands -- aber keine Aussichten auf wirkliche Realisirung zur
Seite stehen; er wird erkennen, daß Würtemberg sich an einen größern,
stärkern Kern anschließen muß, um nicht, statt der geträumten Selbst-
genugsamkeit, sich innerlich aufzureiben und am Ende ganz verschlungen
zu werden; er wird vor der Bundesgenossenschaft Solcher, welche die
Restauration des Alten ersehnen und selbst den Beistand der schon mit
Oestreich verbündeten russischen Heere nicht scheuen würden, sich ebenso
hüten wie vor denen, welche vom Weg durch die Wüste der Anarchie
und des Communismus und durch das "rothe Meer" mit Entzücken
schwatzen oder träumen.

ein friſcher Entſchluß, eine entſchiedene That Grenzen ſetzen und eine
heilſame Wendung geben dürfte. Wir können, wir dürfen weder ſtehen
bleiben, noch von der Rückkehr zum Alten das Heil erwarten; wir
müſſen vorwärts, müſſen uns an der Schöpfung eines Neuen betheiligen.

Der Beobachter entblödet ſich nicht zu erklären: die Abneigung
gegen Preußen ſey noch „das einzige Glied, welches den Staatsrath
Römer mit dem württembergiſchen Volke verbinde!“ Und auf Grund
dieſer gemeinſamen Abneigung, dießes angeblich gemeinen Haſſes fordert
er ihn auf, ſeinen Collegen Duvernoy über Bord, und ſich der
„Volkspartei,“ gänzlich in die Arme zu werfen; — Eine faſt unglaub-
liche Naivetät! Wenn über Römer die Abneigung gegen Preußen
einigen Einfluß üben und ihn vom Anſchluß an die Verfaſſung der drei
Königreiche abhalten ſollte, — und eine Rechtfertigung der Weigerung
aus politiſchen Gründen iſt nirgends gegeben worden, wenn man
nicht die Verwahrung gegen eine „Selbſtverſtümmelung Deutſchlands“
dafür gelten laſſen will, — ſo müßte ihn, es muß alle verſtändige
Vaterlandsfreunde dieſe Aufforderung, dieſer Rath — ab hoste
concilium!
— nachdenklich machen! Nur der Befriedigung dieſes Haſſes
ſollte Römer als willkommenes, Werkzeug dienen, und dann, wenn
ſie je gelänge, auch weggeworfen werden! Nachdem er ſich um das Va-
terland das Verdienſt erworben, die Verbreitung des Bürgerkriegs über
Württemberg zu verhindern, in welchem Falle deſſen Unterdrückung
lange Zeit und ungeheure Opfer gekoſtet hätte, ſoll er jetzt dem Zuſtan-
dekommen der Einheit, des deutſchen Bundesſtaats, — ſo groß er un-
ter den gegebenen Umſtänden möglich iſt, — entgegenarbeiten, und eine
Spaltung Deutſchlands fördern, weil eine Einigung des ganzen
(geographiſchen) Deutſchlands nicht möglich iſt! Man darf zu Römers
Verſtand und Ehrenhaftigkeit ein ganz anderes Vertrauen haben! Er
wird eine Antipathie nicht über ſich herrſchen laſſen, wird ſie überwin-
den, welcher nur patriotiſche Wünſche — die Einheit des geſammten
Deutſchlands — aber keine Ausſichten auf wirkliche Realiſirung zur
Seite ſtehen; er wird erkennen, daß Würtemberg ſich an einen größern,
ſtärkern Kern anſchließen muß, um nicht, ſtatt der geträumten Selbſt-
genugſamkeit, ſich innerlich aufzureiben und am Ende ganz verſchlungen
zu werden; er wird vor der Bundesgenoſſenſchaft Solcher, welche die
Reſtauration des Alten erſehnen und ſelbſt den Beiſtand der ſchon mit
Oeſtreich verbündeten ruſſiſchen Heere nicht ſcheuen würden, ſich ebenſo
hüten wie vor denen, welche vom Weg durch die Wüſte der Anarchie
und des Communismus und durch das „rothe Meer“ mit Entzücken
ſchwatzen oder träumen.

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Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/32>, abgerufen am 29.04.2024.