Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht mehr im Munde zu führen! Diejenigen Männer, deren ganzer
Patriotismus Preußenhaß, deren Politik nicht der Ausdruck einer
nationalen, und daher berechtigten, sondern einer spießbürgerlichen,
provinziellen, kleinlichen auf den deutschen Nachbar, auf den natürlichen
Beschützer neidischen Selbstsucht ist, -- die mögen nur am Ruin und
an der Schmach, aber nie an der Größe und am Ruhm des Vaterlands
bauen!

Hiemit habe ich mein politisches Glaubensbekenntniß im Bezug auf
eine Lebensfrage unseres Staates und des deutschen Volkes ausgespro-
chen. Aus diesen meinen Ueberzeugungen habe ich nie ein Geheimniß
gemacht; und wenn neulich angedeutet wurde, ich sey, gegenüber den
Wählern des Amtsbezirks Stuttgart genöthigt worden, mich ent-
schieden und bestimmt für den Anschluß an den preußischen Verfassungs-
entwurf auszusprechen, -- wenn die damals vernommenen Aeußerungen
vorauszusetzen schienen, daß ich eigentlich mit meiner Ansicht zurück-
zuhalten
wünsche oder Ursache habe, so erkläre ich, daß solche An-
deutungen und Voraussetzungen gänzlich unbegründet, daß mir jene
Interpellationen ganz erwünscht waren. Uebrigens habe ich mit meiner
damaligen unumwundenen Erklärung ebenso wenig "das Geheimniß des
Stuttgarter Vaterländischen Vereins verrathen," (das heißt wohl,
ich hätte es bewahren wollen oder sollen?) als ich beauftragter oder
bevollmächtigter Dollmetscher seiner Ansichten war. Ich habe nur
meine persönlichen Ansichten ausgesprochen, die ich allein zu vertreten
habe und immer vertreten werde. Der Stuttgarter Vaterländische Verein
hat allerdings seit Ende vorigen Jahres wiederholt dahin sich ausge-
sprochen, daß unter dem Vortritt Preußens der deutsche Bundesstaat
oder das deutsche Reich gegründet werden möchte, und in diesem Sinne
gewirkt; er hat neuerlich, mit andern Vaterländischen Vereinen, in
Plochingen sein Vertrauen zu den gerade damals in Gotha versammelten
Männern ausgesprochen, und es ist zu hoffen, daß die Mitglieder den
Mahnungen immer treu bleiben werden, welche ihnen der Name ihres
Vereins zuruft: der Ehre, Macht und Einheit des Vaterlandes, -- aber
was man von verborgenen und enthüllten Planen desselben, von seinem
weitreichenden Einfluß und seiner Gefährlichkeit, von den Fäden, die er
spinne, und dem Schlepptau, das er führe, dem Publikum vorerzählt,
das sind Phantasien, über die man, seyen sie nun harmlos oder fein
ausstudirt, in mehr als Einer Hinsicht lächeln muß. Gleichwie der
Preußenhaß als Hebel benützt wird, um die deutsche Einheit, den
Bundesstaat zu sprengen, so wird derselbe Hebel angesetzt, um nicht etwa
nur den Vaterländischen Verein in Verruf zu bringen, -- dieser weiß

nicht mehr im Munde zu führen! Diejenigen Männer, deren ganzer
Patriotismus Preußenhaß, deren Politik nicht der Ausdruck einer
nationalen, und daher berechtigten, ſondern einer ſpießbürgerlichen,
provinziellen, kleinlichen auf den deutſchen Nachbar, auf den natürlichen
Beſchützer neidiſchen Selbſtſucht iſt, — die mögen nur am Ruin und
an der Schmach, aber nie an der Größe und am Ruhm des Vaterlands
bauen!

Hiemit habe ich mein politiſches Glaubensbekenntniß im Bezug auf
eine Lebensfrage unſeres Staates und des deutſchen Volkes ausgeſpro-
chen. Aus dieſen meinen Ueberzeugungen habe ich nie ein Geheimniß
gemacht; und wenn neulich angedeutet wurde, ich ſey, gegenüber den
Wählern des Amtsbezirks Stuttgart genöthigt worden, mich ent-
ſchieden und beſtimmt für den Anſchluß an den preußiſchen Verfaſſungs-
entwurf auszuſprechen, — wenn die damals vernommenen Aeußerungen
vorauszuſetzen ſchienen, daß ich eigentlich mit meiner Anſicht zurück-
zuhalten
wünſche oder Urſache habe, ſo erkläre ich, daß ſolche An-
deutungen und Vorausſetzungen gänzlich unbegründet, daß mir jene
Interpellationen ganz erwünſcht waren. Uebrigens habe ich mit meiner
damaligen unumwundenen Erklärung ebenſo wenig „das Geheimniß des
Stuttgarter Vaterländiſchen Vereins verrathen,“ (das heißt wohl,
ich hätte es bewahren wollen oder ſollen?) als ich beauftragter oder
bevollmächtigter Dollmetſcher ſeiner Anſichten war. Ich habe nur
meine perſönlichen Anſichten ausgeſprochen, die ich allein zu vertreten
habe und immer vertreten werde. Der Stuttgarter Vaterländiſche Verein
hat allerdings ſeit Ende vorigen Jahres wiederholt dahin ſich ausge-
ſprochen, daß unter dem Vortritt Preußens der deutſche Bundesſtaat
oder das deutſche Reich gegründet werden möchte, und in dieſem Sinne
gewirkt; er hat neuerlich, mit andern Vaterländiſchen Vereinen, in
Plochingen ſein Vertrauen zu den gerade damals in Gotha verſammelten
Männern ausgeſprochen, und es iſt zu hoffen, daß die Mitglieder den
Mahnungen immer treu bleiben werden, welche ihnen der Name ihres
Vereins zuruft: der Ehre, Macht und Einheit des Vaterlandes, — aber
was man von verborgenen und enthüllten Planen deſſelben, von ſeinem
weitreichenden Einfluß und ſeiner Gefährlichkeit, von den Fäden, die er
ſpinne, und dem Schlepptau, das er führe, dem Publikum vorerzählt,
das ſind Phantaſien, über die man, ſeyen ſie nun harmlos oder fein
ausſtudirt, in mehr als Einer Hinſicht lächeln muß. Gleichwie der
Preußenhaß als Hebel benützt wird, um die deutſche Einheit, den
Bundesſtaat zu ſprengen, ſo wird derſelbe Hebel angeſetzt, um nicht etwa
nur den Vaterländiſchen Verein in Verruf zu bringen, — dieſer weiß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0036" n="26"/>
nicht mehr im Munde zu führen! Diejenigen Männer, deren ganzer<lb/>
Patriotismus <hi rendition="#g">Preußenhaß</hi>, deren Politik nicht der Ausdruck einer<lb/><hi rendition="#g">nationalen</hi>, und daher berechtigten, &#x017F;ondern einer &#x017F;pießbürgerlichen,<lb/>
provinziellen, kleinlichen auf den deut&#x017F;chen Nachbar, auf den natürlichen<lb/>
Be&#x017F;chützer neidi&#x017F;chen Selb&#x017F;t&#x017F;ucht i&#x017F;t, &#x2014; die mögen nur am Ruin und<lb/>
an der Schmach, aber nie an der Größe und am Ruhm des Vaterlands<lb/>
bauen!</p><lb/>
        <p>Hiemit habe ich mein politi&#x017F;ches Glaubensbekenntniß im Bezug auf<lb/>
eine Lebensfrage un&#x017F;eres Staates und des deut&#x017F;chen Volkes ausge&#x017F;pro-<lb/>
chen. Aus die&#x017F;en meinen Ueberzeugungen habe ich nie ein Geheimniß<lb/>
gemacht; und wenn neulich angedeutet wurde, ich &#x017F;ey, gegenüber den<lb/>
Wählern des Amtsbezirks Stuttgart <hi rendition="#g">genöthigt</hi> worden, mich ent-<lb/>
&#x017F;chieden und be&#x017F;timmt für den An&#x017F;chluß an den preußi&#x017F;chen Verfa&#x017F;&#x017F;ungs-<lb/>
entwurf auszu&#x017F;prechen, &#x2014; wenn die damals vernommenen Aeußerungen<lb/>
vorauszu&#x017F;etzen &#x017F;chienen, daß ich eigentlich mit meiner An&#x017F;icht <hi rendition="#g">zurück-<lb/>
zuhalten</hi> wün&#x017F;che oder Ur&#x017F;ache habe, &#x017F;o erkläre ich, daß &#x017F;olche An-<lb/>
deutungen und Voraus&#x017F;etzungen gänzlich unbegründet, daß mir jene<lb/>
Interpellationen ganz erwün&#x017F;cht waren. Uebrigens habe ich mit meiner<lb/>
damaligen unumwundenen Erklärung eben&#x017F;o wenig &#x201E;das Geheimniß des<lb/>
Stuttgarter Vaterländi&#x017F;chen Vereins <hi rendition="#g">verrathen</hi>,&#x201C; (das heißt wohl,<lb/>
ich hätte es bewahren wollen oder &#x017F;ollen?) als ich beauftragter oder<lb/>
bevollmächtigter Dollmet&#x017F;cher &#x017F;einer An&#x017F;ichten war. Ich habe nur<lb/><hi rendition="#g">meine</hi> per&#x017F;önlichen An&#x017F;ichten ausge&#x017F;prochen, die ich allein zu vertreten<lb/>
habe und immer vertreten werde. Der Stuttgarter Vaterländi&#x017F;che Verein<lb/>
hat allerdings &#x017F;eit Ende vorigen Jahres wiederholt dahin &#x017F;ich ausge-<lb/>
&#x017F;prochen, daß unter dem Vortritt Preußens der deut&#x017F;che Bundes&#x017F;taat<lb/>
oder das deut&#x017F;che Reich gegründet werden möchte, und in die&#x017F;em Sinne<lb/>
gewirkt; er hat neuerlich, mit andern Vaterländi&#x017F;chen Vereinen, in<lb/>
Plochingen &#x017F;ein Vertrauen zu den gerade damals in Gotha ver&#x017F;ammelten<lb/>
Männern ausge&#x017F;prochen, und es i&#x017F;t zu hoffen, daß die Mitglieder den<lb/>
Mahnungen immer treu bleiben werden, welche ihnen der Name ihres<lb/>
Vereins zuruft: der Ehre, Macht und Einheit des Vaterlandes, &#x2014; aber<lb/>
was man von verborgenen und enthüllten Planen de&#x017F;&#x017F;elben, von &#x017F;einem<lb/>
weitreichenden Einfluß und &#x017F;einer Gefährlichkeit, von den Fäden, die er<lb/>
&#x017F;pinne, und dem Schlepptau, das er führe, dem Publikum vorerzählt,<lb/>
das &#x017F;ind Phanta&#x017F;ien, über die man, &#x017F;eyen &#x017F;ie nun harmlos oder fein<lb/>
aus&#x017F;tudirt, in mehr als Einer Hin&#x017F;icht lächeln muß. Gleichwie der<lb/>
Preußenhaß als Hebel benützt wird, um die deut&#x017F;che Einheit, den<lb/>
Bundes&#x017F;taat zu &#x017F;prengen, &#x017F;o wird der&#x017F;elbe Hebel ange&#x017F;etzt, um nicht etwa<lb/>
nur den Vaterländi&#x017F;chen Verein in Verruf zu bringen, &#x2014; die&#x017F;er weiß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[26/0036] nicht mehr im Munde zu führen! Diejenigen Männer, deren ganzer Patriotismus Preußenhaß, deren Politik nicht der Ausdruck einer nationalen, und daher berechtigten, ſondern einer ſpießbürgerlichen, provinziellen, kleinlichen auf den deutſchen Nachbar, auf den natürlichen Beſchützer neidiſchen Selbſtſucht iſt, — die mögen nur am Ruin und an der Schmach, aber nie an der Größe und am Ruhm des Vaterlands bauen! Hiemit habe ich mein politiſches Glaubensbekenntniß im Bezug auf eine Lebensfrage unſeres Staates und des deutſchen Volkes ausgeſpro- chen. Aus dieſen meinen Ueberzeugungen habe ich nie ein Geheimniß gemacht; und wenn neulich angedeutet wurde, ich ſey, gegenüber den Wählern des Amtsbezirks Stuttgart genöthigt worden, mich ent- ſchieden und beſtimmt für den Anſchluß an den preußiſchen Verfaſſungs- entwurf auszuſprechen, — wenn die damals vernommenen Aeußerungen vorauszuſetzen ſchienen, daß ich eigentlich mit meiner Anſicht zurück- zuhalten wünſche oder Urſache habe, ſo erkläre ich, daß ſolche An- deutungen und Vorausſetzungen gänzlich unbegründet, daß mir jene Interpellationen ganz erwünſcht waren. Uebrigens habe ich mit meiner damaligen unumwundenen Erklärung ebenſo wenig „das Geheimniß des Stuttgarter Vaterländiſchen Vereins verrathen,“ (das heißt wohl, ich hätte es bewahren wollen oder ſollen?) als ich beauftragter oder bevollmächtigter Dollmetſcher ſeiner Anſichten war. Ich habe nur meine perſönlichen Anſichten ausgeſprochen, die ich allein zu vertreten habe und immer vertreten werde. Der Stuttgarter Vaterländiſche Verein hat allerdings ſeit Ende vorigen Jahres wiederholt dahin ſich ausge- ſprochen, daß unter dem Vortritt Preußens der deutſche Bundesſtaat oder das deutſche Reich gegründet werden möchte, und in dieſem Sinne gewirkt; er hat neuerlich, mit andern Vaterländiſchen Vereinen, in Plochingen ſein Vertrauen zu den gerade damals in Gotha verſammelten Männern ausgeſprochen, und es iſt zu hoffen, daß die Mitglieder den Mahnungen immer treu bleiben werden, welche ihnen der Name ihres Vereins zuruft: der Ehre, Macht und Einheit des Vaterlandes, — aber was man von verborgenen und enthüllten Planen deſſelben, von ſeinem weitreichenden Einfluß und ſeiner Gefährlichkeit, von den Fäden, die er ſpinne, und dem Schlepptau, das er führe, dem Publikum vorerzählt, das ſind Phantaſien, über die man, ſeyen ſie nun harmlos oder fein ausſtudirt, in mehr als Einer Hinſicht lächeln muß. Gleichwie der Preußenhaß als Hebel benützt wird, um die deutſche Einheit, den Bundesſtaat zu ſprengen, ſo wird derſelbe Hebel angeſetzt, um nicht etwa nur den Vaterländiſchen Verein in Verruf zu bringen, — dieſer weiß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/36
Zitationshilfe: Pfizer, Gustav: Die deutsche Einheit und der Preußenhaß. Stuttgart, 1849, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pfizer_einheit_1849/36>, abgerufen am 29.04.2024.