Pfleiderer, Edmund: Kosmopolitismus und Patriotismus. Berlin, 1874.freie Lösung des Gedankens von dem zunächst doch mehr zufälligen Indem wir schon die Sprache gewiß mit vollem Recht als Doch das leitet uns, über die Gesellschaft, zur viel wichtigeren freie Löſung des Gedankens von dem zunächſt doch mehr zufälligen Indem wir ſchon die Sprache gewiß mit vollem Recht als Doch das leitet uns, über die Geſellſchaft, zur viel wichtigeren <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0048" n="38"/> freie Löſung des Gedankens von dem zunächſt doch mehr zufälligen<lb/> Laut und die klare Erwägung des Verhältniſſes von Wort und<lb/> Sache (vgl. den engliſchen Sprachnominalismus); hier vor Allem<lb/> geht namentlich auch erſt das rechte Verſtändniß, die würdigende<lb/> Pietät für die eigene Sprache auf. Denn die grundverwerfliche,<lb/> als papageimäßiges Gebahren einfach lächerlich zu nennende Sprach¬<lb/> mengerei, das Spicken des eigenen dürren Gedankens mit fetten<lb/> fremden Brocken, das waarenmäßige Zurſchauſtellen aufgeſchnapp¬<lb/> ter moderner Sprachkenntniſſe iſt ja immer nur ein Beweis höchſt<lb/> mittelmäßiger Bildung in dieſem und anderen Punkten. Ein An¬<lb/> deres iſt natürlich — dem früher Bemerkten zufolge — der ma߬<lb/> volle wiſſenſchaftliche Gebrauch derartiger Kunſtausdrücke beſon¬<lb/> ders aus todten und darum neutralen Sprachen.</p><lb/> <p>Indem wir ſchon die Sprache gewiß mit vollem Recht als<lb/> ein Kunſtwerk betrachten, gilt das Geſagte auch für das weitere<lb/> Gebiet des <hi rendition="#g">Aeſthetiſchen</hi>. Wo es ſich weſentlich um die äußere<lb/> Darſtellung von Gefühlen oder innerſten Stimmungen handelt,<lb/> wird es hochnöthig ſein, daß jedes Volk aus ſeinem Eigenen her¬<lb/> aus arbeitet, ſonſt wird das Werk wohl meiſtens ein „gemachtes“,<lb/> erkünſtelt, aber nicht kunſtvoll, ſondern ſeelenlos, wie Pygmalions<lb/> Bildſäule. — Hieher möchten wir auch die ſogenannte <hi rendition="#g">Mode</hi> rech¬<lb/> nen, obwohl der Platz für ſie beinahe zu ehrenvoll iſt. Nachah¬<lb/> mung liegt ihr im Blut oder gehört zu ihrem Begriff; aber Alles<lb/> hat, zumal in Kleiderſachen, ſein Maß! Eine Weltmode ohne<lb/> Rückſicht auf klimatiſche, ſoziale und andre jeweils verſchiedene<lb/> Momente iſt ebenſo unäſthetiſch als unpraktiſch. Das weibliche<lb/> Geſchlecht namentlich, das ſich ſo gerne in Extremen bewegt, zeigt<lb/> auch hier als Gegendruck gegen ſeinen ſonſtigen naturgemäßen<lb/> Sinn fürs Partikulare wiederum einen entſchieden falſchen kosmo¬<lb/> politiſchen Hang.</p><lb/> <p>Doch das leitet uns, über die Geſellſchaft, zur viel wichtigeren<lb/><hi rendition="#g">Staatsordnung</hi>. Aecht im Geiſt des ungeſchichtlichweltbürger¬<lb/></p> </body> </text> </TEI> [38/0048]
freie Löſung des Gedankens von dem zunächſt doch mehr zufälligen
Laut und die klare Erwägung des Verhältniſſes von Wort und
Sache (vgl. den engliſchen Sprachnominalismus); hier vor Allem
geht namentlich auch erſt das rechte Verſtändniß, die würdigende
Pietät für die eigene Sprache auf. Denn die grundverwerfliche,
als papageimäßiges Gebahren einfach lächerlich zu nennende Sprach¬
mengerei, das Spicken des eigenen dürren Gedankens mit fetten
fremden Brocken, das waarenmäßige Zurſchauſtellen aufgeſchnapp¬
ter moderner Sprachkenntniſſe iſt ja immer nur ein Beweis höchſt
mittelmäßiger Bildung in dieſem und anderen Punkten. Ein An¬
deres iſt natürlich — dem früher Bemerkten zufolge — der ma߬
volle wiſſenſchaftliche Gebrauch derartiger Kunſtausdrücke beſon¬
ders aus todten und darum neutralen Sprachen.
Indem wir ſchon die Sprache gewiß mit vollem Recht als
ein Kunſtwerk betrachten, gilt das Geſagte auch für das weitere
Gebiet des Aeſthetiſchen. Wo es ſich weſentlich um die äußere
Darſtellung von Gefühlen oder innerſten Stimmungen handelt,
wird es hochnöthig ſein, daß jedes Volk aus ſeinem Eigenen her¬
aus arbeitet, ſonſt wird das Werk wohl meiſtens ein „gemachtes“,
erkünſtelt, aber nicht kunſtvoll, ſondern ſeelenlos, wie Pygmalions
Bildſäule. — Hieher möchten wir auch die ſogenannte Mode rech¬
nen, obwohl der Platz für ſie beinahe zu ehrenvoll iſt. Nachah¬
mung liegt ihr im Blut oder gehört zu ihrem Begriff; aber Alles
hat, zumal in Kleiderſachen, ſein Maß! Eine Weltmode ohne
Rückſicht auf klimatiſche, ſoziale und andre jeweils verſchiedene
Momente iſt ebenſo unäſthetiſch als unpraktiſch. Das weibliche
Geſchlecht namentlich, das ſich ſo gerne in Extremen bewegt, zeigt
auch hier als Gegendruck gegen ſeinen ſonſtigen naturgemäßen
Sinn fürs Partikulare wiederum einen entſchieden falſchen kosmo¬
politiſchen Hang.
Doch das leitet uns, über die Geſellſchaft, zur viel wichtigeren
Staatsordnung. Aecht im Geiſt des ungeſchichtlichweltbürger¬
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