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Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853.

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"John Bright, 19 Jahre alt, stieg am 1. October 1836 auf
einen Wallnussbaum, um die Früchte zu pflücken. Auf einer
beträchtlichen Höhe glitt er aus und stürzte herab. Man fand
ihn später kalt und pulslos und seine unteren Extremitäten
taub und bewegungslos. Eine hartnäckige Verstopfung konnte
nur durch starke Purgantien, und eine Urinverhaltung nur durch
Application des Catheters beseitigt worden. Drei Monate nach
dem Ereignisse war die Lage des Kranken folgende: Die untere
Hälfte des Körpers und die unteren Extremitäten waren aller
Empfindung gänzlich beraubt und der Wille hatte nicht den
geringsten Einfluss darauf. Manchmal fühlte der Patient Schau¬
der, und während dabei die Muskeln, deren Nerven oberhalb
der Stelle der Verletzung entsprangen, erschüttert wurden,
blieben die, deren Nerven unterhalb der Stelle entsprangen,
völlig regungslos. -- Trotz dieser Anästhesie und einer völligen
Unfähigkeit zu willkürlichen Bewegungen bei dem Patienten,
wurden die Extremitäten, wenn man die Bedeckung derselben
stach oder vorzugsweise, wenn man die Fusssohle kitzelte, mit
bedeutender Kraft angezogen. Bespritzte man die Haut mit
kaltem Wasser, so zeigte sich dieselbe Wirkung, ohne Kälte¬
gefühl zu erregen. Ein Schenkel befand sich beständig im
Zustande der Flexion; wurde er gerade gebogen, so nahm er
gleich seine frühere Stellung wieder ein. Bei Einführung des
Catheters gerieth der penis in einen vollkommnen Erections¬
zustand, eine Wirkung, welche dem Durchführen des Instru¬
mentes durch die Urethra zugeschrieben werden muss. Gleich¬
zeitig wurden die Schenkel in die Höhe gezogen und eine
hüpfende Bewegung ihrer Muskeln fiel dabei in die Augen.
Nach dem Tode fand man Verletzung des Rückenmarkes nahe
am Nacken". (Marshall Hall a. a. O. p. 64 u. 65.)

Brachet theilt sogar einen Fall mit, wo ein Paraplektischer
Vaterfreuden nach einem Beischlaf erfuhr, der "sans sensation et
sans secousse" gewesen sein soll (?). Das Factum wäre gerade
Nichts Unmögliches. Indessen bemerkt das Corpus iuris Justinia¬
neum weniger gutmüthig: Pater est, quem nuptiae demonstrant!

„John Bright, 19 Jahre alt, stieg am 1. October 1836 auf
einen Wallnussbaum, um die Früchte zu pflücken. Auf einer
beträchtlichen Höhe glitt er aus und stürzte herab. Man fand
ihn später kalt und pulslos und seine unteren Extremitäten
taub und bewegungslos. Eine hartnäckige Verstopfung konnte
nur durch starke Purgantien, und eine Urinverhaltung nur durch
Application des Catheters beseitigt worden. Drei Monate nach
dem Ereignisse war die Lage des Kranken folgende: Die untere
Hälfte des Körpers und die unteren Extremitäten waren aller
Empfindung gänzlich beraubt und der Wille hatte nicht den
geringsten Einfluss darauf. Manchmal fühlte der Patient Schau¬
der, und während dabei die Muskeln, deren Nerven oberhalb
der Stelle der Verletzung entsprangen, erschüttert wurden,
blieben die, deren Nerven unterhalb der Stelle entsprangen,
völlig regungslos. — Trotz dieser Anästhesie und einer völligen
Unfähigkeit zu willkürlichen Bewegungen bei dem Patienten,
wurden die Extremitäten, wenn man die Bedeckung derselben
stach oder vorzugsweise, wenn man die Fusssohle kitzelte, mit
bedeutender Kraft angezogen. Bespritzte man die Haut mit
kaltem Wasser, so zeigte sich dieselbe Wirkung, ohne Kälte¬
gefühl zu erregen. Ein Schenkel befand sich beständig im
Zustande der Flexion; wurde er gerade gebogen, so nahm er
gleich seine frühere Stellung wieder ein. Bei Einführung des
Catheters gerieth der penis in einen vollkommnen Erections¬
zustand, eine Wirkung, welche dem Durchführen des Instru¬
mentes durch die Urethra zugeschrieben werden muss. Gleich¬
zeitig wurden die Schenkel in die Höhe gezogen und eine
hüpfende Bewegung ihrer Muskeln fiel dabei in die Augen.
Nach dem Tode fand man Verletzung des Rückenmarkes nahe
am Nacken“. (Marshall Hall a. a. O. p. 64 u. 65.)

Brachet theilt sogar einen Fall mit, wo ein Paraplektischer
Vaterfreuden nach einem Beischlaf erfuhr, der „sans sensation et
sans secousse“ gewesen sein soll (?). Das Factum wäre gerade
Nichts Unmögliches. Indessen bemerkt das Corpus iuris Justinia¬
neum weniger gutmüthig: Pater est, quem nuptiae demonstrant!

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[32/0054] „John Bright, 19 Jahre alt, stieg am 1. October 1836 auf einen Wallnussbaum, um die Früchte zu pflücken. Auf einer beträchtlichen Höhe glitt er aus und stürzte herab. Man fand ihn später kalt und pulslos und seine unteren Extremitäten taub und bewegungslos. Eine hartnäckige Verstopfung konnte nur durch starke Purgantien, und eine Urinverhaltung nur durch Application des Catheters beseitigt worden. Drei Monate nach dem Ereignisse war die Lage des Kranken folgende: Die untere Hälfte des Körpers und die unteren Extremitäten waren aller Empfindung gänzlich beraubt und der Wille hatte nicht den geringsten Einfluss darauf. Manchmal fühlte der Patient Schau¬ der, und während dabei die Muskeln, deren Nerven oberhalb der Stelle der Verletzung entsprangen, erschüttert wurden, blieben die, deren Nerven unterhalb der Stelle entsprangen, völlig regungslos. — Trotz dieser Anästhesie und einer völligen Unfähigkeit zu willkürlichen Bewegungen bei dem Patienten, wurden die Extremitäten, wenn man die Bedeckung derselben stach oder vorzugsweise, wenn man die Fusssohle kitzelte, mit bedeutender Kraft angezogen. Bespritzte man die Haut mit kaltem Wasser, so zeigte sich dieselbe Wirkung, ohne Kälte¬ gefühl zu erregen. Ein Schenkel befand sich beständig im Zustande der Flexion; wurde er gerade gebogen, so nahm er gleich seine frühere Stellung wieder ein. Bei Einführung des Catheters gerieth der penis in einen vollkommnen Erections¬ zustand, eine Wirkung, welche dem Durchführen des Instru¬ mentes durch die Urethra zugeschrieben werden muss. Gleich¬ zeitig wurden die Schenkel in die Höhe gezogen und eine hüpfende Bewegung ihrer Muskeln fiel dabei in die Augen. Nach dem Tode fand man Verletzung des Rückenmarkes nahe am Nacken“. (Marshall Hall a. a. O. p. 64 u. 65.) Brachet theilt sogar einen Fall mit, wo ein Paraplektischer Vaterfreuden nach einem Beischlaf erfuhr, der „sans sensation et sans secousse“ gewesen sein soll (?). Das Factum wäre gerade Nichts Unmögliches. Indessen bemerkt das Corpus iuris Justinia¬ neum weniger gutmüthig: Pater est, quem nuptiae demonstrant!

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Zitationshilfe: Pflüger, Eduard Friedrich Wilhelm: Die sensorischen Functionen des Rückenmarks der Wirbelthiere. Berlin, 1853, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pflueger_rueckenmark_1853/54>, abgerufen am 21.11.2024.