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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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vor der erhabenen Dichterey.
nütze: Eben so kann ein kriechender Poete und
Reim-Schmied seine Kunst erheben, und ihr
ein Färbgen anzustreichen suchen, ohne dadurch
den erhabenen Poeten zu affrontiren. Wahr
ist es, je tiefer unsere Poeten kriechen, je mehr
entfernen sie sich von der Höhe, und sehens also
leicht für einen Affront an, wenn einer die Hö-
he der Gedanken
lobet; aber die erhabenen
Poeten sind hierinn etwas großmüthiger, daß,
wenn auch wir sie wegen ihres hohen Fluges
beneiden
sollten, sie uns doch wegen unsers Ba-
thos
nicht beneiden, sondern gönnen, alle Klüfte
und Abgründe zu unserer Behausung einzuneh-
men, wenn wir uns nur nicht erkühnen, in ihr
Revier zu kriechen, und allda einzunisten, oder,
gleich einer Schlange, unsere Eyer auf einem
hohen Felsen auszubrüten,
oder an die Sonne
auf erhabenen Gebirgen zu legen, um von solcher
ausgebrütet zu werden. Denn sie wollen gern
reine Luft behalten. Würden aber unsere Eyer
in der Höhe ausgebrütet: So käme doch nur
lauter Geschmeiß von Butter-Vögeln und
Mücken heraus, das den freyen Durchstrich der
Luft hemmte, also die erhabenen Poeten incom-
modirte, sonst sie uns einen Theil Luft, den sie
entbehren könnten, wol allenfalls gutwillig ab-
treten würden, obzwar die ihnen aufsteigende
poetische Blähungen
die besondere Eigenschaft
haben, daß sie nicht aufwärts steigen, sondern,
weil sie schwerer sind, als ihre andere flüchtige
und feurige Gedanken, sich nach dem Bathos

herab
J 2

vor der erhabenen Dichterey.
nuͤtze: Eben ſo kann ein kriechender Poete und
Reim-Schmied ſeine Kunſt erheben, und ihr
ein Faͤrbgen anzuſtreichen ſuchen, ohne dadurch
den erhabenen Poeten zu affrontiren. Wahr
iſt es, je tiefer unſere Poeten kriechen, je mehr
entfernen ſie ſich von der Hoͤhe, und ſehens alſo
leicht fuͤr einen Affront an, wenn einer die Hoͤ-
he der Gedanken
lobet; aber die erhabenen
Poeten ſind hierinn etwas großmuͤthiger, daß,
wenn auch wir ſie wegen ihres hohen Fluges
beneiden
ſollten, ſie uns doch wegen unſers Ba-
thos
nicht beneiden, ſondern goͤnnen, alle Kluͤfte
und Abgruͤnde zu unſerer Behauſung einzuneh-
men, wenn wir uns nur nicht erkuͤhnen, in ihr
Revier zu kriechen, und allda einzuniſten, oder,
gleich einer Schlange, unſere Eyer auf einem
hohen Felſen auszubruͤten,
oder an die Sonne
auf erhabenen Gebirgen zu legen, um von ſolcher
ausgebruͤtet zu werden. Denn ſie wollen gern
reine Luft behalten. Wuͤrden aber unſere Eyer
in der Hoͤhe ausgebruͤtet: So kaͤme doch nur
lauter Geſchmeiß von Butter-Voͤgeln und
Muͤcken heraus, das den freyen Durchſtrich der
Luft hemmte, alſo die erhabenen Poeten incom-
modirte, ſonſt ſie uns einen Theil Luft, den ſie
entbehren koͤnnten, wol allenfalls gutwillig ab-
treten wuͤrden, obzwar die ihnen aufſteigende
poetiſche Blaͤhungen
die beſondere Eigenſchaft
haben, daß ſie nicht aufwaͤrts ſteigen, ſondern,
weil ſie ſchwerer ſind, als ihre andere fluͤchtige
und feurige Gedanken, ſich nach dem Bathos

herab
J 2
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[131/0139] vor der erhabenen Dichterey. nuͤtze: Eben ſo kann ein kriechender Poete und Reim-Schmied ſeine Kunſt erheben, und ihr ein Faͤrbgen anzuſtreichen ſuchen, ohne dadurch den erhabenen Poeten zu affrontiren. Wahr iſt es, je tiefer unſere Poeten kriechen, je mehr entfernen ſie ſich von der Hoͤhe, und ſehens alſo leicht fuͤr einen Affront an, wenn einer die Hoͤ- he der Gedanken lobet; aber die erhabenen Poeten ſind hierinn etwas großmuͤthiger, daß, wenn auch wir ſie wegen ihres hohen Fluges beneiden ſollten, ſie uns doch wegen unſers Ba- thos nicht beneiden, ſondern goͤnnen, alle Kluͤfte und Abgruͤnde zu unſerer Behauſung einzuneh- men, wenn wir uns nur nicht erkuͤhnen, in ihr Revier zu kriechen, und allda einzuniſten, oder, gleich einer Schlange, unſere Eyer auf einem hohen Felſen auszubruͤten, oder an die Sonne auf erhabenen Gebirgen zu legen, um von ſolcher ausgebruͤtet zu werden. Denn ſie wollen gern reine Luft behalten. Wuͤrden aber unſere Eyer in der Hoͤhe ausgebruͤtet: So kaͤme doch nur lauter Geſchmeiß von Butter-Voͤgeln und Muͤcken heraus, das den freyen Durchſtrich der Luft hemmte, alſo die erhabenen Poeten incom- modirte, ſonſt ſie uns einen Theil Luft, den ſie entbehren koͤnnten, wol allenfalls gutwillig ab- treten wuͤrden, obzwar die ihnen aufſteigende poetiſche Blaͤhungen die beſondere Eigenſchaft haben, daß ſie nicht aufwaͤrts ſteigen, ſondern, weil ſie ſchwerer ſind, als ihre andere fluͤchtige und feurige Gedanken, ſich nach dem Bathos herab J 2

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/139>, abgerufen am 21.11.2024.