Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.Vorzug der kriechenden Poesie ten zuweilen etwas vom Bathos anklebet, wel-ches nirgends anders als daher kömmt, wenn sie zur Lust in die Abgründe gestiegen, und all- da sich etwas angeleget, das sie unvermerkt mit in ihr erhabnes Revier gebracht, und es ver- kannt oder verwechselt haben. Ja in der Bur- lesquen-Poesie erniedriget sich ein erhabener Poete auf eben die Art so freywillig, als dort der große König Darius geschehen ließ, daß seine Maitresse ihm die Krone vom Haupte nahm, sich solche aufsetzte, und der König sie noch dazu mit lachenden Augen, daß es ihr so wohl liesse, öffentlich angaffte. Oder aber es kann auch von einem, der menschlichen Natur leicht anwan- delnden, Schwindel herrühren, wenn denen erhabenen Poeten etwas schweimlich wird, auch selbige wol gar, wenn sie manchmal sich gar zu hoch verstiegen, endlich eccentrisch werden, oder aus ihrem Gleichgewichte in einige Tiefe ver- fallen, bis sie sich nach und nach wieder heben, und in ihrem erhabenen Thier-Kreise in gera- der Bewegung fortrücken. § 9. Die dritte Möglichkeit, eine Tole- nütze:
Vorzug der kriechenden Poeſie ten zuweilen etwas vom Bathos anklebet, wel-ches nirgends anders als daher koͤmmt, wenn ſie zur Luſt in die Abgruͤnde geſtiegen, und all- da ſich etwas angeleget, das ſie unvermerkt mit in ihr erhabnes Revier gebracht, und es ver- kannt oder verwechſelt haben. Ja in der Bur- lesquen-Poeſie erniedriget ſich ein erhabener Poete auf eben die Art ſo freywillig, als dort der große Koͤnig Darius geſchehen ließ, daß ſeine Maitreſſe ihm die Krone vom Haupte nahm, ſich ſolche aufſetzte, und der Koͤnig ſie noch dazu mit lachenden Augen, daß es ihr ſo wohl lieſſe, oͤffentlich angaffte. Oder aber es kann auch von einem, der menſchlichen Natur leicht anwan- delnden, Schwindel herruͤhren, wenn denen erhabenen Poeten etwas ſchweimlich wird, auch ſelbige wol gar, wenn ſie manchmal ſich gar zu hoch verſtiegen, endlich eccentriſch werden, oder aus ihrem Gleichgewichte in einige Tiefe ver- fallen, bis ſie ſich nach und nach wieder heben, und in ihrem erhabenen Thier-Kreiſe in gera- der Bewegung fortruͤcken. § 9. Die dritte Moͤglichkeit, eine Tole- nuͤtze:
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0138" n="130"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorzug der kriechenden Poeſie</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">ten</hi> zuweilen etwas vom <hi rendition="#fr">Bathos</hi> anklebet, wel-<lb/> ches nirgends anders als daher koͤmmt, wenn<lb/> ſie zur Luſt in die <hi rendition="#fr">Abgruͤnde</hi> geſtiegen, und all-<lb/> da ſich etwas angeleget, das ſie unvermerkt mit<lb/> in ihr erhabnes Revier gebracht, und es <hi rendition="#fr">ver-<lb/> kannt</hi> oder verwechſelt haben. Ja in der <hi rendition="#fr">Bur-<lb/> lesquen-Poeſie</hi> erniedriget ſich ein erhabener<lb/> Poete auf eben die Art ſo freywillig, als dort<lb/> der große <hi rendition="#fr">Koͤnig Darius</hi> geſchehen ließ, daß<lb/> ſeine Maitreſſe ihm die Krone vom Haupte nahm,<lb/> ſich ſolche aufſetzte, und der Koͤnig ſie noch dazu<lb/> mit lachenden Augen, daß es ihr ſo wohl lieſſe,<lb/> oͤffentlich angaffte. Oder aber es kann auch von<lb/> einem, der menſchlichen Natur leicht <hi rendition="#fr">anwan-<lb/> delnden, Schwindel</hi> herruͤhren, wenn denen<lb/> erhabenen Poeten etwas <hi rendition="#fr">ſchweimlich</hi> wird, auch<lb/> ſelbige wol gar, wenn ſie manchmal ſich <hi rendition="#fr">gar zu<lb/> hoch</hi> verſtiegen, endlich <hi rendition="#fr">eccentriſch</hi> werden, oder<lb/> aus ihrem <hi rendition="#fr">Gleichgewichte</hi> in einige Tiefe ver-<lb/> fallen, bis ſie ſich nach und nach wieder <hi rendition="#fr">heben,</hi><lb/> und in ihrem <hi rendition="#fr">erhabenen Thier-Kreiſe</hi> in gera-<lb/> der Bewegung fortruͤcken.</p><lb/> <p>§ 9. Die <hi rendition="#fr">dritte Moͤglichkeit,</hi> eine <hi rendition="#fr">Tole-<lb/> ranz</hi> unter erhabenen und kriechenden Poeten<lb/> einzufuͤhren, und den Ausbruch in oͤffentliche<lb/> Feindſeligkeiten dadurch zu verhindern, iſt, wenn<lb/> jede Part ihre <hi rendition="#fr">eigene Waare</hi> lobet, ohne des<lb/> andern namentlich herunter zu machen. Wie<lb/> es im Handel und Wandel taͤglich geſchiehet,<lb/> daß jeder Kramer ſeine Waare herausſtreichet,<lb/> dadurch er eben nicht ſaget, des andern ſey nichts<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nuͤtze:</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [130/0138]
Vorzug der kriechenden Poeſie
ten zuweilen etwas vom Bathos anklebet, wel-
ches nirgends anders als daher koͤmmt, wenn
ſie zur Luſt in die Abgruͤnde geſtiegen, und all-
da ſich etwas angeleget, das ſie unvermerkt mit
in ihr erhabnes Revier gebracht, und es ver-
kannt oder verwechſelt haben. Ja in der Bur-
lesquen-Poeſie erniedriget ſich ein erhabener
Poete auf eben die Art ſo freywillig, als dort
der große Koͤnig Darius geſchehen ließ, daß
ſeine Maitreſſe ihm die Krone vom Haupte nahm,
ſich ſolche aufſetzte, und der Koͤnig ſie noch dazu
mit lachenden Augen, daß es ihr ſo wohl lieſſe,
oͤffentlich angaffte. Oder aber es kann auch von
einem, der menſchlichen Natur leicht anwan-
delnden, Schwindel herruͤhren, wenn denen
erhabenen Poeten etwas ſchweimlich wird, auch
ſelbige wol gar, wenn ſie manchmal ſich gar zu
hoch verſtiegen, endlich eccentriſch werden, oder
aus ihrem Gleichgewichte in einige Tiefe ver-
fallen, bis ſie ſich nach und nach wieder heben,
und in ihrem erhabenen Thier-Kreiſe in gera-
der Bewegung fortruͤcken.
§ 9. Die dritte Moͤglichkeit, eine Tole-
ranz unter erhabenen und kriechenden Poeten
einzufuͤhren, und den Ausbruch in oͤffentliche
Feindſeligkeiten dadurch zu verhindern, iſt, wenn
jede Part ihre eigene Waare lobet, ohne des
andern namentlich herunter zu machen. Wie
es im Handel und Wandel taͤglich geſchiehet,
daß jeder Kramer ſeine Waare herausſtreichet,
dadurch er eben nicht ſaget, des andern ſey nichts
nuͤtze:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |