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Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

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Poetische Meisterstücke.
der Poesie gewesen wäre. Weil ich aber, bey
den sechs vorhergehenden Probestücken, schon so
viel Arbeit und Zeit-Aufwand gehabt: So ist
der Secretair obiger Gesellschaft für mich por-
tirt gewesen, und hat in Vortrag gebracht:
Daß die beyden poetischen Meisterstücke, die ich
hierdurch überliefere, per imputationem mora-
lem
dafür angenommen werden mögten, als
wenn ich sie selber aufgesetzt.

Das erste ist ein Knittel-Gedicht, welches
gewiß einer muß gemacht haben, der kein ge-
meiner Reim-Schmied
gewesen. Es sind fast
alle Regeln der Reimschmiede-Kunst und krie-
chenden Poesie mit Fleiß darinn angebracht,
und lautet, wie folget:

Wenn mich etwan Unmuth und Grillen
Daheime wollen plag'n und trillen:
So pfleg ich dann ganz säuberlich
Auf das Land zu erheben mich,
Vergeß daselbst das widrig Glück
Und mein leidiges Geschick,
Welche sind Geschwister Hur-Kinder,
Martern mich alle beyd' nicht minder,
Lassen mich stehn, woll'n mich nicht dingen,
Lassen mirs in keinem Stück gelingen;
Sondern plagen und nagen mich baß,
Als wenn ich wär ein Raben-Aas.
Wenn ich nun so daran gedenk,
Fehlt wenig, daß mich nicht erhenk;
Jedoch, weil es verbothen ist,
Auch nicht fein stehet, wenn ein Christ
Jst aufgeknüpft mit einem Strang,
Und hängt so da die Länge lang:
So bleibe ich denn immer leben,
Thu mich zu gut'n Freund'n begeben,
Sowol
L 4

Poetiſche Meiſterſtuͤcke.
der Poeſie geweſen waͤre. Weil ich aber, bey
den ſechs vorhergehenden Probeſtuͤcken, ſchon ſo
viel Arbeit und Zeit-Aufwand gehabt: So iſt
der Secretair obiger Geſellſchaft fuͤr mich por-
tirt geweſen, und hat in Vortrag gebracht:
Daß die beyden poetiſchen Meiſterſtuͤcke, die ich
hierdurch uͤberliefere, per imputationem mora-
lem
dafuͤr angenommen werden moͤgten, als
wenn ich ſie ſelber aufgeſetzt.

Das erſte iſt ein Knittel-Gedicht, welches
gewiß einer muß gemacht haben, der kein ge-
meiner Reim-Schmied
geweſen. Es ſind faſt
alle Regeln der Reimſchmiede-Kunſt und krie-
chenden Poeſie mit Fleiß darinn angebracht,
und lautet, wie folget:

Wenn mich etwan Unmuth und Grillen
Daheime wollen plag’n und trillen:
So pfleg ich dann ganz ſaͤuberlich
Auf das Land zu erheben mich,
Vergeß daſelbſt das widrig Gluͤck
Und mein leidiges Geſchick,
Welche ſind Geſchwiſter Hur-Kinder,
Martern mich alle beyd’ nicht minder,
Laſſen mich ſtehn, woll’n mich nicht dingen,
Laſſen mirs in keinem Stuͤck gelingen;
Sondern plagen und nagen mich baß,
Als wenn ich waͤr ein Raben-Aas.
Wenn ich nun ſo daran gedenk,
Fehlt wenig, daß mich nicht erhenk;
Jedoch, weil es verbothen iſt,
Auch nicht fein ſtehet, wenn ein Chriſt
Jſt aufgeknuͤpft mit einem Strang,
Und haͤngt ſo da die Laͤnge lang:
So bleibe ich denn immer leben,
Thu mich zu gut’n Freund’n begeben,
Sowol
L 4
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[167/0175] Poetiſche Meiſterſtuͤcke. der Poeſie geweſen waͤre. Weil ich aber, bey den ſechs vorhergehenden Probeſtuͤcken, ſchon ſo viel Arbeit und Zeit-Aufwand gehabt: So iſt der Secretair obiger Geſellſchaft fuͤr mich por- tirt geweſen, und hat in Vortrag gebracht: Daß die beyden poetiſchen Meiſterſtuͤcke, die ich hierdurch uͤberliefere, per imputationem mora- lem dafuͤr angenommen werden moͤgten, als wenn ich ſie ſelber aufgeſetzt. Das erſte iſt ein Knittel-Gedicht, welches gewiß einer muß gemacht haben, der kein ge- meiner Reim-Schmied geweſen. Es ſind faſt alle Regeln der Reimſchmiede-Kunſt und krie- chenden Poeſie mit Fleiß darinn angebracht, und lautet, wie folget: Wenn mich etwan Unmuth und Grillen Daheime wollen plag’n und trillen: So pfleg ich dann ganz ſaͤuberlich Auf das Land zu erheben mich, Vergeß daſelbſt das widrig Gluͤck Und mein leidiges Geſchick, Welche ſind Geſchwiſter Hur-Kinder, Martern mich alle beyd’ nicht minder, Laſſen mich ſtehn, woll’n mich nicht dingen, Laſſen mirs in keinem Stuͤck gelingen; Sondern plagen und nagen mich baß, Als wenn ich waͤr ein Raben-Aas. Wenn ich nun ſo daran gedenk, Fehlt wenig, daß mich nicht erhenk; Jedoch, weil es verbothen iſt, Auch nicht fein ſtehet, wenn ein Chriſt Jſt aufgeknuͤpft mit einem Strang, Und haͤngt ſo da die Laͤnge lang: So bleibe ich denn immer leben, Thu mich zu gut’n Freund’n begeben, Sowol L 4

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Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/175>, abgerufen am 25.11.2024.