Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.vom gesunden Witze, etc. er im Gemüthe, als ob er den schärfsten Gegnervor sich habe. XX. Wenn einer vor einer Schrift einen großen Namen siehet: So besinne er sich auf einen Scribenten, der einen verhaßten Namen hat, und thue, als ob solcher davor stünde. Spricht nun sein Verstand dennoch das Urtheil, daß die Gedanken des Verfassers schön sind: So wird er schwerlich gegen den guten Geschmack pecciren. XXI. Hingegen auch, wenn vor einer Schrift ein verhaßter oder verdächtiger Name stehet: So stelle er sich einen angesehenen Mann vor, als ob der solche Schrift gemacht. Giebt nun da sein Verstand gleichwol den Ausschlag, daß die Gedanken des Verfassers mager, schlüpfrig, leichtsinnig, unüberlegt und ohne bons sens sind: So wird er schwerlich einem unrichtigen Ge- schmacke folgen. XXII. Einen richtigen Geschmack zu erhalten, muß man zuvörderst die sämtlichen Kräfte des Verstandes wohl überlegen; denn jede besondre Kraft hat auch einen besondern Geschmack. XXIII. Wer von Natur ein Talent zu in- genieusen Einfällen hat, dessen Geschmack wird auch mehr darauf gehen, als auf tiefsinnige ju- dicieuse Wahrheiten. Daher z. E. die Franzo- sen, wegen ihres witzigen Naturels, zu denen bons-mots aufgelegter sind, als die Spanier, oder Engländer. XXIV. N
vom geſunden Witze, ꝛc. er im Gemuͤthe, als ob er den ſchaͤrfſten Gegnervor ſich habe. XX. Wenn einer vor einer Schrift einen großen Namen ſiehet: So beſinne er ſich auf einen Scribenten, der einen verhaßten Namen hat, und thue, als ob ſolcher davor ſtuͤnde. Spricht nun ſein Verſtand dennoch das Urtheil, daß die Gedanken des Verfaſſers ſchoͤn ſind: So wird er ſchwerlich gegen den guten Geſchmack pecciren. XXI. Hingegen auch, wenn vor einer Schrift ein verhaßter oder verdaͤchtiger Name ſtehet: So ſtelle er ſich einen angeſehenen Mann vor, als ob der ſolche Schrift gemacht. Giebt nun da ſein Verſtand gleichwol den Ausſchlag, daß die Gedanken des Verfaſſers mager, ſchluͤpfrig, leichtſinnig, unuͤberlegt und ohne bons ſens ſind: So wird er ſchwerlich einem unrichtigen Ge- ſchmacke folgen. XXII. Einen richtigen Geſchmack zu erhalten, muß man zuvoͤrderſt die ſaͤmtlichen Kraͤfte des Verſtandes wohl uͤberlegen; denn jede beſondre Kraft hat auch einen beſondern Geſchmack. XXIII. Wer von Natur ein Talent zu in- genieuſen Einfaͤllen hat, deſſen Geſchmack wird auch mehr darauf gehen, als auf tiefſinnige ju- dicieuſe Wahrheiten. Daher z. E. die Franzo- ſen, wegen ihres witzigen Naturels, zu denen bons-mots aufgelegter ſind, als die Spanier, oder Englaͤnder. XXIV. N
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vom geſunden Witze, ꝛc.
er im Gemuͤthe, als ob er den ſchaͤrfſten Gegner
vor ſich habe.
XX. Wenn einer vor einer Schrift einen
großen Namen ſiehet: So beſinne er ſich auf
einen Scribenten, der einen verhaßten Namen
hat, und thue, als ob ſolcher davor ſtuͤnde.
Spricht nun ſein Verſtand dennoch das Urtheil,
daß die Gedanken des Verfaſſers ſchoͤn ſind:
So wird er ſchwerlich gegen den guten Geſchmack
pecciren.
XXI. Hingegen auch, wenn vor einer Schrift
ein verhaßter oder verdaͤchtiger Name ſtehet:
So ſtelle er ſich einen angeſehenen Mann vor,
als ob der ſolche Schrift gemacht. Giebt nun
da ſein Verſtand gleichwol den Ausſchlag, daß
die Gedanken des Verfaſſers mager, ſchluͤpfrig,
leichtſinnig, unuͤberlegt und ohne bons ſens ſind:
So wird er ſchwerlich einem unrichtigen Ge-
ſchmacke folgen.
XXII. Einen richtigen Geſchmack zu erhalten,
muß man zuvoͤrderſt die ſaͤmtlichen Kraͤfte des
Verſtandes wohl uͤberlegen; denn jede beſondre
Kraft hat auch einen beſondern Geſchmack.
XXIII. Wer von Natur ein Talent zu in-
genieuſen Einfaͤllen hat, deſſen Geſchmack wird
auch mehr darauf gehen, als auf tiefſinnige ju-
dicieuſe Wahrheiten. Daher z. E. die Franzo-
ſen, wegen ihres witzigen Naturels, zu denen
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oder Englaͤnder.
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