Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

XIII. Gefüllte Tauben.
sehr mit den Gedanken spielet. Kenner des
guten Geschmacks wissen gar wohl, was Au-
stern
vor ein delicat Essen sind. Aber von
austeren oder sauertöpfischen Leuten wird man
nicht viel bon mots herauslocken. Ein sol-
cher austerer Kopf ist auch unser neuer Gast-
Herr. Er hat sich über seinem Tempel-Bau des
guten Geschmacks so sehr vertiefet und überson-
nen, daß E. Löbl. Froschmäuseler-Gesellschaft
ihn ehestens einladen wird, in ihre Gesellschaft
zu treten, um, nach beschehenem Schnitte
an den Ohren,
ihm die austeren Minen, wo-
mit er seine Critik vorbringet, abzugewöhnen.

Dreyzehendes Couvert.
Gefüllte Tauben.

Durch das Füllsel bekommen die magern
Tauben ein Ansehen, als wenn sie sehr fett
wären. Dieses Kunststückes hat sich auch
der neue Speisemeister in dem Tempel des
guten Geschmacks
bedienet. Er streichet
manche Scribenten von der mittlern Sorte
als solche Helden heraus, vor denen alle Pro-
fessores der Poesie und Beredsamkeit erbe-
ben,
und sich in den Staub vor sie legen müs-
sen. Allein seine Worte sind aufgepauste
Tauben. Nehmet das Füllsel weg, sie wer-
den ganz mager erscheinen. Wenn die obge-
dachte Regeln der Reimschmiede-Kunst und
kriechenden Poesie
erst ans Licht getreten seyn
werden, wird der Autor finden, daß man sei-

ne

XIII. Gefuͤllte Tauben.
ſehr mit den Gedanken ſpielet. Kenner des
guten Geſchmacks wiſſen gar wohl, was Au-
ſtern
vor ein delicat Eſſen ſind. Aber von
auſteren oder ſauertoͤpfiſchen Leuten wird man
nicht viel bon mots herauslocken. Ein ſol-
cher auſterer Kopf iſt auch unſer neuer Gaſt-
Herr. Er hat ſich uͤber ſeinem Tempel-Bau des
guten Geſchmacks ſo ſehr vertiefet und uͤberſon-
nen, daß E. Loͤbl. Froſchmaͤuſeler-Geſellſchaft
ihn eheſtens einladen wird, in ihre Geſellſchaft
zu treten, um, nach beſchehenem Schnitte
an den Ohren,
ihm die auſteren Minen, wo-
mit er ſeine Critik vorbringet, abzugewoͤhnen.

Dreyzehendes Couvert.
Gefuͤllte Tauben.

Durch das Fuͤllſel bekommen die magern
Tauben ein Anſehen, als wenn ſie ſehr fett
waͤren. Dieſes Kunſtſtuͤckes hat ſich auch
der neue Speiſemeiſter in dem Tempel des
guten Geſchmacks
bedienet. Er ſtreichet
manche Scribenten von der mittlern Sorte
als ſolche Helden heraus, vor denen alle Pro-
feſſores der Poeſie und Beredſamkeit erbe-
ben,
und ſich in den Staub vor ſie legen muͤſ-
ſen. Allein ſeine Worte ſind aufgepauſte
Tauben. Nehmet das Fuͤllſel weg, ſie wer-
den ganz mager erſcheinen. Wenn die obge-
dachte Regeln der Reimſchmiede-Kunſt und
kriechenden Poeſie
erſt ans Licht getreten ſeyn
werden, wird der Autor finden, daß man ſei-

ne
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0284" n="276"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XIII.</hi> Gefu&#x0364;llte Tauben.</hi></fw><lb/>
&#x017F;ehr mit den <hi rendition="#fr">Gedanken</hi> &#x017F;pielet. Kenner des<lb/>
guten Ge&#x017F;chmacks wi&#x017F;&#x017F;en gar wohl, was <hi rendition="#fr">Au-<lb/>
&#x017F;tern</hi> vor ein delicat E&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind. Aber von<lb/><hi rendition="#fr">au&#x017F;teren</hi> oder <hi rendition="#fr">&#x017F;auerto&#x0364;pfi&#x017F;chen</hi> Leuten wird man<lb/>
nicht viel <hi rendition="#aq">bon mots</hi> herauslocken. Ein &#x017F;ol-<lb/>
cher <hi rendition="#fr">au&#x017F;terer Kopf</hi> i&#x017F;t auch un&#x017F;er neuer Ga&#x017F;t-<lb/>
Herr. Er hat &#x017F;ich u&#x0364;ber &#x017F;einem <hi rendition="#fr">Tempel-Bau</hi> des<lb/><hi rendition="#fr">guten Ge&#x017F;chmacks</hi> &#x017F;o &#x017F;ehr vertiefet und u&#x0364;ber&#x017F;on-<lb/>
nen, daß E. Lo&#x0364;bl. <hi rendition="#fr">Fro&#x017F;chma&#x0364;u&#x017F;eler-Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft</hi><lb/>
ihn ehe&#x017F;tens einladen wird, in ihre Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
zu treten, um, nach be&#x017F;chehenem <hi rendition="#fr">Schnitte<lb/>
an den Ohren,</hi> ihm die <hi rendition="#fr">au&#x017F;teren Minen,</hi> wo-<lb/>
mit er &#x017F;eine <hi rendition="#fr">Critik</hi> vorbringet, abzugewo&#x0364;hnen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">Dreyzehendes Couvert.</hi><lb/> <hi rendition="#b">Gefu&#x0364;llte Tauben.</hi> </head><lb/>
          <p>Durch das <hi rendition="#fr">Fu&#x0364;ll&#x017F;el</hi> bekommen die magern<lb/>
Tauben ein An&#x017F;ehen, als wenn &#x017F;ie &#x017F;ehr fett<lb/>
wa&#x0364;ren. Die&#x017F;es Kun&#x017F;t&#x017F;tu&#x0364;ckes hat &#x017F;ich auch<lb/>
der <hi rendition="#fr">neue Spei&#x017F;emei&#x017F;ter</hi> in dem <hi rendition="#fr">Tempel des<lb/>
guten Ge&#x017F;chmacks</hi> bedienet. Er &#x017F;treichet<lb/>
manche Scribenten von der <hi rendition="#fr">mittlern Sorte</hi><lb/>
als &#x017F;olche <hi rendition="#fr">Helden</hi> heraus, vor denen <hi rendition="#fr">alle Pro-<lb/>
fe&#x017F;&#x017F;ores der Poe&#x017F;ie und Bered&#x017F;amkeit erbe-<lb/>
ben,</hi> und &#x017F;ich in <hi rendition="#fr">den Staub vor &#x017F;ie legen</hi> mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Allein &#x017F;eine Worte &#x017F;ind <hi rendition="#fr">aufgepau&#x017F;te</hi><lb/>
Tauben. Nehmet das <hi rendition="#fr">Fu&#x0364;ll&#x017F;el</hi> weg, &#x017F;ie wer-<lb/>
den <hi rendition="#fr">ganz mager</hi> er&#x017F;cheinen. Wenn die obge-<lb/>
dachte <hi rendition="#fr">Regeln der Reim&#x017F;chmiede-Kun&#x017F;t und<lb/>
kriechenden Poe&#x017F;ie</hi> er&#x017F;t ans Licht getreten &#x017F;eyn<lb/>
werden, wird der Autor finden, daß man &#x017F;ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ne</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0284] XIII. Gefuͤllte Tauben. ſehr mit den Gedanken ſpielet. Kenner des guten Geſchmacks wiſſen gar wohl, was Au- ſtern vor ein delicat Eſſen ſind. Aber von auſteren oder ſauertoͤpfiſchen Leuten wird man nicht viel bon mots herauslocken. Ein ſol- cher auſterer Kopf iſt auch unſer neuer Gaſt- Herr. Er hat ſich uͤber ſeinem Tempel-Bau des guten Geſchmacks ſo ſehr vertiefet und uͤberſon- nen, daß E. Loͤbl. Froſchmaͤuſeler-Geſellſchaft ihn eheſtens einladen wird, in ihre Geſellſchaft zu treten, um, nach beſchehenem Schnitte an den Ohren, ihm die auſteren Minen, wo- mit er ſeine Critik vorbringet, abzugewoͤhnen. Dreyzehendes Couvert. Gefuͤllte Tauben. Durch das Fuͤllſel bekommen die magern Tauben ein Anſehen, als wenn ſie ſehr fett waͤren. Dieſes Kunſtſtuͤckes hat ſich auch der neue Speiſemeiſter in dem Tempel des guten Geſchmacks bedienet. Er ſtreichet manche Scribenten von der mittlern Sorte als ſolche Helden heraus, vor denen alle Pro- feſſores der Poeſie und Beredſamkeit erbe- ben, und ſich in den Staub vor ſie legen muͤſ- ſen. Allein ſeine Worte ſind aufgepauſte Tauben. Nehmet das Fuͤllſel weg, ſie wer- den ganz mager erſcheinen. Wenn die obge- dachte Regeln der Reimſchmiede-Kunſt und kriechenden Poeſie erſt ans Licht getreten ſeyn werden, wird der Autor finden, daß man ſei- ne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/284
Zitationshilfe: Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/philippi_reimschmiedekunst_1743/284>, abgerufen am 24.11.2024.