Philippi, Johann Ernst: Regeln und Maximen der edlen Reimschmiede-Kunst, auch kriechender Poesie. Altenburg, 1743.24 unschmackhafte Reden tung der fünf Sinne poetisch beschrieben, alseben Brockes? Jst es denn unrecht, das, was schwimmt, fleucht, kriechet, in Verse zu bringen? Jst es gegen den guten Ge- schmack, das, was glänzt, scheinet, geschmeckt und gerochen wird, poetisch abzuschildern? Führe dich ab, poetischer Marketender! die Brühe treufelt dir am Barte herunter; wi- sche das fette Maul erst ab, ehe du es so voll nimmst, berühmte Dichter mit deinem Gei- fer zu besprützen! Doch nein, ich eifere nicht für den grossen Brockes, sondern brachte nur eben eine oratorische Figur, die Apostro- phe, an. 7. Nicht Hofmann und nicht Lohenstein. Hier giebt der Küchenmeister einen Fleischer und Scharfrichter ab, der dem Namen Hof- mannswaldau, den er in Gedanken hat, glatt den Rumpf beym Kopfe wegnimmt. Denn kein Hofmann ist unter den Dichtern bekannt, auf den sich des Autoris ganze Passage schick- te; also soll es Hofmannswaldau seyn. Aber packe ein, poetischer Criticus; Hofmanns- waldau, Lohenstein, und der Reimschmied im Tempel des Geschmacks differiren toto coelo von einander! Du reichest jenen nicht das Wasser! 8. Kurz, eben dieser Opitz sagte einsmahls des Nachts im Traume zu mir, ich sollte mit ihm den Tempel des guten Geschmacks be- suchen. p. 4. Das ist Opitzen nicht in den Sinn
24 unſchmackhafte Reden tung der fuͤnf Sinne poetiſch beſchrieben, alseben Brockes? Jſt es denn unrecht, das, was ſchwimmt, fleucht, kriechet, in Verſe zu bringen? Jſt es gegen den guten Ge- ſchmack, das, was glaͤnzt, ſcheinet, geſchmeckt und gerochen wird, poetiſch abzuſchildern? Fuͤhre dich ab, poetiſcher Marketender! die Bruͤhe treufelt dir am Barte herunter; wi- ſche das fette Maul erſt ab, ehe du es ſo voll nimmſt, beruͤhmte Dichter mit deinem Gei- fer zu beſpruͤtzen! Doch nein, ich eifere nicht fuͤr den groſſen Brockes, ſondern brachte nur eben eine oratoriſche Figur, die Apoſtro- phe, an. 7. Nicht Hofmann und nicht Lohenſtein. Hier giebt der Kuͤchenmeiſter einen Fleiſcher und Scharfrichter ab, der dem Namen Hof- mannswaldau, den er in Gedanken hat, glatt den Rumpf beym Kopfe wegnimmt. Denn kein Hofmann iſt unter den Dichtern bekannt, auf den ſich des Autoris ganze Paſſage ſchick- te; alſo ſoll es Hofmannswaldau ſeyn. Aber packe ein, poetiſcher Criticus; Hofmanns- waldau, Lohenſtein, und der Reimſchmied im Tempel des Geſchmacks differiren toto coelo von einander! Du reicheſt jenen nicht das Waſſer! 8. Kurz, eben dieſer Opitz ſagte einsmahls des Nachts im Traume zu mir, ich ſollte mit ihm den Tempel des guten Geſchmacks be- ſuchen. p. 4. Das iſt Opitzen nicht in den Sinn
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zu bringen? Jſt es gegen den guten Ge-
ſchmack, das, was glaͤnzt, ſcheinet, geſchmeckt
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Fuͤhre dich ab, poetiſcher Marketender! die
Bruͤhe treufelt dir am Barte herunter; wi-
ſche das fette Maul erſt ab, ehe du es ſo voll
nimmſt, beruͤhmte Dichter mit deinem Gei-
fer zu beſpruͤtzen! Doch nein, ich eifere nicht
fuͤr den groſſen Brockes, ſondern brachte nur
eben eine oratoriſche Figur, die Apoſtro-
phe, an.
7. Nicht Hofmann und nicht Lohenſtein.
Hier giebt der Kuͤchenmeiſter einen Fleiſcher
und Scharfrichter ab, der dem Namen Hof-
mannswaldau, den er in Gedanken hat, glatt
den Rumpf beym Kopfe wegnimmt. Denn
kein Hofmann iſt unter den Dichtern bekannt,
auf den ſich des Autoris ganze Paſſage ſchick-
te; alſo ſoll es Hofmannswaldau ſeyn. Aber
packe ein, poetiſcher Criticus; Hofmanns-
waldau, Lohenſtein, und der Reimſchmied
im Tempel des Geſchmacks differiren toto
coelo von einander! Du reicheſt jenen nicht
das Waſſer!
8. Kurz, eben dieſer Opitz ſagte einsmahls
des Nachts im Traume zu mir, ich ſollte mit
ihm den Tempel des guten Geſchmacks be-
ſuchen. p. 4. Das iſt Opitzen nicht in den
Sinn
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