Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Die dunkle Nacht nahm ihn auf, bald hörte man nur mehr den Hall seiner Tritte. Er kam an der Mauer des Friedhofes von Achenkirch vorbei. Kein ihm theurer Todter schlummerte hier; er öffnete aber dennoch das Gitter und trat hinein. Oben zogen klar und leuchtend die Sterne; er kniete auf einem Stein nieder, faltete inbrünstig die Hände und rief die armen Seelen im Fegfeuer an. Ihr wißt ja auch da drunten, seufzte er, wie Leiden thut; die Reichen, so lang sie ihren Grund und Boden treten, kennen das freilich nicht. Heilige Mutter Gottes, erlöse sie, damit sie vor dem Throne deines Sohnes fürbitten, daß auch ich von meinem Leid erlös't werde. -- Schwere Thränen rollten auf seine schwieligen Hände. Da schlug es dumpf zwölf Uhr . . . ein Schauer durchrieselte ihn, er wollte aufstehen und fortgehen. Noch einmal faltete er die Hände. Das ist die Stunde, wo ihr aus den Gräbern dürft . . . . ich brauch' euch nicht zu fürchten! Heilige Mutter Gottes, erlöse sie und tröste meine Walburg. Plötzlich war es ihm, als thaue überirdischer Trost in seine Seele . . . . er empfand den Segen eines aufrichtigen Gebetes. Beruhigt erhob er sich. Er wollte bei einem ihm bekannten Bauer sich ein Nachtlager erbitten, gab jedoch seine Absicht auf, um sogleich nach Schwaz zu gehen. Die dunkle Nacht nahm ihn auf, bald hörte man nur mehr den Hall seiner Tritte. Er kam an der Mauer des Friedhofes von Achenkirch vorbei. Kein ihm theurer Todter schlummerte hier; er öffnete aber dennoch das Gitter und trat hinein. Oben zogen klar und leuchtend die Sterne; er kniete auf einem Stein nieder, faltete inbrünstig die Hände und rief die armen Seelen im Fegfeuer an. Ihr wißt ja auch da drunten, seufzte er, wie Leiden thut; die Reichen, so lang sie ihren Grund und Boden treten, kennen das freilich nicht. Heilige Mutter Gottes, erlöse sie, damit sie vor dem Throne deines Sohnes fürbitten, daß auch ich von meinem Leid erlös't werde. — Schwere Thränen rollten auf seine schwieligen Hände. Da schlug es dumpf zwölf Uhr . . . ein Schauer durchrieselte ihn, er wollte aufstehen und fortgehen. Noch einmal faltete er die Hände. Das ist die Stunde, wo ihr aus den Gräbern dürft . . . . ich brauch' euch nicht zu fürchten! Heilige Mutter Gottes, erlöse sie und tröste meine Walburg. Plötzlich war es ihm, als thaue überirdischer Trost in seine Seele . . . . er empfand den Segen eines aufrichtigen Gebetes. Beruhigt erhob er sich. Er wollte bei einem ihm bekannten Bauer sich ein Nachtlager erbitten, gab jedoch seine Absicht auf, um sogleich nach Schwaz zu gehen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0026"/> <p>Die dunkle Nacht nahm ihn auf, bald hörte man nur mehr den Hall seiner Tritte.</p><lb/> <p>Er kam an der Mauer des Friedhofes von Achenkirch vorbei. Kein ihm theurer Todter schlummerte hier; er öffnete aber dennoch das Gitter und trat hinein.</p><lb/> <p>Oben zogen klar und leuchtend die Sterne; er kniete auf einem Stein nieder, faltete inbrünstig die Hände und rief die armen Seelen im Fegfeuer an.</p><lb/> <p>Ihr wißt ja auch da drunten, seufzte er, wie Leiden thut; die Reichen, so lang sie ihren Grund und Boden treten, kennen das freilich nicht. Heilige Mutter Gottes, erlöse sie, damit sie vor dem Throne deines Sohnes fürbitten, daß auch ich von meinem Leid erlös't werde. — Schwere Thränen rollten auf seine schwieligen Hände.</p><lb/> <p>Da schlug es dumpf zwölf Uhr . . . ein Schauer durchrieselte ihn, er wollte aufstehen und fortgehen. Noch einmal faltete er die Hände. Das ist die Stunde, wo ihr aus den Gräbern dürft . . . . ich brauch' euch nicht zu fürchten! Heilige Mutter Gottes, erlöse sie und tröste meine Walburg.</p><lb/> <p>Plötzlich war es ihm, als thaue überirdischer Trost in seine Seele . . . . er empfand den Segen eines aufrichtigen Gebetes. Beruhigt erhob er sich. Er wollte bei einem ihm bekannten Bauer sich ein Nachtlager erbitten, gab jedoch seine Absicht auf, um sogleich nach Schwaz zu gehen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
Die dunkle Nacht nahm ihn auf, bald hörte man nur mehr den Hall seiner Tritte.
Er kam an der Mauer des Friedhofes von Achenkirch vorbei. Kein ihm theurer Todter schlummerte hier; er öffnete aber dennoch das Gitter und trat hinein.
Oben zogen klar und leuchtend die Sterne; er kniete auf einem Stein nieder, faltete inbrünstig die Hände und rief die armen Seelen im Fegfeuer an.
Ihr wißt ja auch da drunten, seufzte er, wie Leiden thut; die Reichen, so lang sie ihren Grund und Boden treten, kennen das freilich nicht. Heilige Mutter Gottes, erlöse sie, damit sie vor dem Throne deines Sohnes fürbitten, daß auch ich von meinem Leid erlös't werde. — Schwere Thränen rollten auf seine schwieligen Hände.
Da schlug es dumpf zwölf Uhr . . . ein Schauer durchrieselte ihn, er wollte aufstehen und fortgehen. Noch einmal faltete er die Hände. Das ist die Stunde, wo ihr aus den Gräbern dürft . . . . ich brauch' euch nicht zu fürchten! Heilige Mutter Gottes, erlöse sie und tröste meine Walburg.
Plötzlich war es ihm, als thaue überirdischer Trost in seine Seele . . . . er empfand den Segen eines aufrichtigen Gebetes. Beruhigt erhob er sich. Er wollte bei einem ihm bekannten Bauer sich ein Nachtlager erbitten, gab jedoch seine Absicht auf, um sogleich nach Schwaz zu gehen.
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