Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ein leerer Tisch mit einer Urne darauf. Hinter diesem thronte in blauer Uniform der Landrichter mit zwei Gensdarmen, nach Laune den Bauern grobe Schimpfwörter entgegenschleudernd, wie es die Vasallen Napoleon's von dessen Schergen schnell gelernt hatten. Am schmalen Ende rechts saß ein Schreiber mit dem Protocolle, links verlas der Vorsteher jener Gemeinde, welche die Reihe traf, die Namen der Bursche, diese traten einer nach dem andern mit Armensündergesichtern vor und griffen in den verhängnißvollen Topf: stürmischer Jubel, wenn eine hohe Zahl gezogen wurde, meist lautes Jammergeheul im entgegengesetzten Falle. Der Gemeindevorsteher von Achenthal trat an die Schranke, der Landrichter warf ihm einen verächtlichen Blick zu: Der Kerl soll warten. Das waren wir früher nicht gewohnt! flüsterte dieser dem Vorsteher einer benachbarten Gemeinde zu. Der Landrichter hatte es gehört. Wüthend schrie er: Was, ihr Hunde, raisonniren? Ich will euch dressiren, ihr bigotten Canaillen; das sind die Pfaffen, die euch gegen die Obrigkeit aufwiegeln, man wird aber diesen Coujons die Krallen stutzen. Die Männer hielten seine wüthenden Blicke ruhig aus, dunkle Röthe flog über ihr Gesicht, Keiner erwiderte. Endlich kam die Reihe an die Achenthaler. Das Loos traf unter andern den jungen Angerer, Thränen schwammen in seinen Augen, die Träume einer schönen ein leerer Tisch mit einer Urne darauf. Hinter diesem thronte in blauer Uniform der Landrichter mit zwei Gensdarmen, nach Laune den Bauern grobe Schimpfwörter entgegenschleudernd, wie es die Vasallen Napoleon's von dessen Schergen schnell gelernt hatten. Am schmalen Ende rechts saß ein Schreiber mit dem Protocolle, links verlas der Vorsteher jener Gemeinde, welche die Reihe traf, die Namen der Bursche, diese traten einer nach dem andern mit Armensündergesichtern vor und griffen in den verhängnißvollen Topf: stürmischer Jubel, wenn eine hohe Zahl gezogen wurde, meist lautes Jammergeheul im entgegengesetzten Falle. Der Gemeindevorsteher von Achenthal trat an die Schranke, der Landrichter warf ihm einen verächtlichen Blick zu: Der Kerl soll warten. Das waren wir früher nicht gewohnt! flüsterte dieser dem Vorsteher einer benachbarten Gemeinde zu. Der Landrichter hatte es gehört. Wüthend schrie er: Was, ihr Hunde, raisonniren? Ich will euch dressiren, ihr bigotten Canaillen; das sind die Pfaffen, die euch gegen die Obrigkeit aufwiegeln, man wird aber diesen Coujons die Krallen stutzen. Die Männer hielten seine wüthenden Blicke ruhig aus, dunkle Röthe flog über ihr Gesicht, Keiner erwiderte. Endlich kam die Reihe an die Achenthaler. Das Loos traf unter andern den jungen Angerer, Thränen schwammen in seinen Augen, die Träume einer schönen <TEI> <text> <body> <div n="2"> <p><pb facs="#f0032"/> ein leerer Tisch mit einer Urne darauf. Hinter diesem thronte in blauer Uniform der Landrichter mit zwei Gensdarmen, nach Laune den Bauern grobe Schimpfwörter entgegenschleudernd, wie es die Vasallen Napoleon's von dessen Schergen schnell gelernt hatten. Am schmalen Ende rechts saß ein Schreiber mit dem Protocolle, links verlas der Vorsteher jener Gemeinde, welche die Reihe traf, die Namen der Bursche, diese traten einer nach dem andern mit Armensündergesichtern vor und griffen in den verhängnißvollen Topf: stürmischer Jubel, wenn eine hohe Zahl gezogen wurde, meist lautes Jammergeheul im entgegengesetzten Falle.</p><lb/> <p>Der Gemeindevorsteher von Achenthal trat an die Schranke, der Landrichter warf ihm einen verächtlichen Blick zu: Der Kerl soll warten.</p><lb/> <p>Das waren wir früher nicht gewohnt! flüsterte dieser dem Vorsteher einer benachbarten Gemeinde zu. Der Landrichter hatte es gehört. Wüthend schrie er: Was, ihr Hunde, raisonniren? Ich will euch dressiren, ihr bigotten Canaillen; das sind die Pfaffen, die euch gegen die Obrigkeit aufwiegeln, man wird aber diesen Coujons die Krallen stutzen.</p><lb/> <p>Die Männer hielten seine wüthenden Blicke ruhig aus, dunkle Röthe flog über ihr Gesicht, Keiner erwiderte.</p><lb/> <p>Endlich kam die Reihe an die Achenthaler. Das Loos traf unter andern den jungen Angerer, Thränen schwammen in seinen Augen, die Träume einer schönen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
ein leerer Tisch mit einer Urne darauf. Hinter diesem thronte in blauer Uniform der Landrichter mit zwei Gensdarmen, nach Laune den Bauern grobe Schimpfwörter entgegenschleudernd, wie es die Vasallen Napoleon's von dessen Schergen schnell gelernt hatten. Am schmalen Ende rechts saß ein Schreiber mit dem Protocolle, links verlas der Vorsteher jener Gemeinde, welche die Reihe traf, die Namen der Bursche, diese traten einer nach dem andern mit Armensündergesichtern vor und griffen in den verhängnißvollen Topf: stürmischer Jubel, wenn eine hohe Zahl gezogen wurde, meist lautes Jammergeheul im entgegengesetzten Falle.
Der Gemeindevorsteher von Achenthal trat an die Schranke, der Landrichter warf ihm einen verächtlichen Blick zu: Der Kerl soll warten.
Das waren wir früher nicht gewohnt! flüsterte dieser dem Vorsteher einer benachbarten Gemeinde zu. Der Landrichter hatte es gehört. Wüthend schrie er: Was, ihr Hunde, raisonniren? Ich will euch dressiren, ihr bigotten Canaillen; das sind die Pfaffen, die euch gegen die Obrigkeit aufwiegeln, man wird aber diesen Coujons die Krallen stutzen.
Die Männer hielten seine wüthenden Blicke ruhig aus, dunkle Röthe flog über ihr Gesicht, Keiner erwiderte.
Endlich kam die Reihe an die Achenthaler. Das Loos traf unter andern den jungen Angerer, Thränen schwammen in seinen Augen, die Träume einer schönen
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