Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

will der bei mir? Ich hab' ja ordentlich gebeichtet und communicirt! Fast unwillkürlich drückte er den Stutzen los; der böse Geist taumelte brüllend noch einmal an die Thür, dann war Alles still. Klaus betete in Höllenangst einen Rosenkranz um den andern, bis es endlich kümmerlich zu tagen begann. Er schlich zur Thüre, die halbzerbrochen in den Angeln schlotterte, und guckte hinaus. Da lag ein ungeheurer Bär verendet im Schnee. Nun riß Klaus die Thüre auf und sprang hinaus, als könnte ihm das todte Ungeheuer noch entrinnen. Seit langem zum ersten Male jauchzte er, daß die Felsen wiederhallten. Er balgte den Bären auf dem Platz aus bis auf den Kopf, den er abschnitt und im Schnee vergrub. Jetzt flogen auch die Krähen daher, eine lockte die andere zum Schmause; er warf ihnen die nutzlosen Gedärme hin: So, guten Appetit! laßt es euch schmecken! Das Fleisch zerstückle er und trug es in die Hütte. Es war ihm hochwillkommen, denn er besaß nur noch wenig eingesalzenes; auch mit Mehl und Brod kargte er, um nicht ausgehungert zu werden. Das ist der letzte Bär, der im Achenthal geschossen wurde; seitdem hat sich keiner mehr sehen lassen.

Der Schnee wurde allmählich körnig und starr, die Oberfläche desselben sinterte in eine Kruste zusammen, welche wie ein schimmernder Panzer Scheitel und Flanken der Berge umhüllte und weithin leuchtete. Ist der Boden auf diese Art festgeworden, so mag

will der bei mir? Ich hab' ja ordentlich gebeichtet und communicirt! Fast unwillkürlich drückte er den Stutzen los; der böse Geist taumelte brüllend noch einmal an die Thür, dann war Alles still. Klaus betete in Höllenangst einen Rosenkranz um den andern, bis es endlich kümmerlich zu tagen begann. Er schlich zur Thüre, die halbzerbrochen in den Angeln schlotterte, und guckte hinaus. Da lag ein ungeheurer Bär verendet im Schnee. Nun riß Klaus die Thüre auf und sprang hinaus, als könnte ihm das todte Ungeheuer noch entrinnen. Seit langem zum ersten Male jauchzte er, daß die Felsen wiederhallten. Er balgte den Bären auf dem Platz aus bis auf den Kopf, den er abschnitt und im Schnee vergrub. Jetzt flogen auch die Krähen daher, eine lockte die andere zum Schmause; er warf ihnen die nutzlosen Gedärme hin: So, guten Appetit! laßt es euch schmecken! Das Fleisch zerstückle er und trug es in die Hütte. Es war ihm hochwillkommen, denn er besaß nur noch wenig eingesalzenes; auch mit Mehl und Brod kargte er, um nicht ausgehungert zu werden. Das ist der letzte Bär, der im Achenthal geschossen wurde; seitdem hat sich keiner mehr sehen lassen.

Der Schnee wurde allmählich körnig und starr, die Oberfläche desselben sinterte in eine Kruste zusammen, welche wie ein schimmernder Panzer Scheitel und Flanken der Berge umhüllte und weithin leuchtete. Ist der Boden auf diese Art festgeworden, so mag

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="6">
        <p><pb facs="#f0080"/>
will der bei mir? Ich                hab' ja ordentlich gebeichtet und communicirt! Fast unwillkürlich drückte er den                Stutzen los; der böse Geist taumelte brüllend noch einmal an die Thür, dann war Alles                still. Klaus betete in Höllenangst einen Rosenkranz um den andern, bis es endlich                kümmerlich zu tagen begann. Er schlich zur Thüre, die halbzerbrochen in den Angeln                schlotterte, und guckte hinaus. Da lag ein ungeheurer Bär verendet im Schnee. Nun riß                Klaus die Thüre auf und sprang hinaus, als könnte ihm das todte Ungeheuer noch                entrinnen. Seit langem zum ersten Male jauchzte er, daß die Felsen wiederhallten. Er                balgte den Bären auf dem Platz aus bis auf den Kopf, den er abschnitt und im Schnee                vergrub. Jetzt flogen auch die Krähen daher, eine lockte die andere zum Schmause; er                warf ihnen die nutzlosen Gedärme hin: So, guten Appetit! laßt es euch schmecken! Das                Fleisch zerstückle er und trug es in die Hütte. Es war ihm hochwillkommen, denn er                besaß nur noch wenig eingesalzenes; auch mit Mehl und Brod kargte er, um nicht                ausgehungert zu werden. Das ist der letzte Bär, der im Achenthal geschossen wurde;                seitdem hat sich keiner mehr sehen lassen.</p><lb/>
        <p>Der Schnee wurde allmählich körnig und starr, die Oberfläche desselben sinterte in                eine Kruste zusammen, welche wie ein schimmernder Panzer Scheitel und Flanken der                Berge umhüllte und weithin leuchtete. Ist der Boden auf diese Art festgeworden, so                mag<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0080] will der bei mir? Ich hab' ja ordentlich gebeichtet und communicirt! Fast unwillkürlich drückte er den Stutzen los; der böse Geist taumelte brüllend noch einmal an die Thür, dann war Alles still. Klaus betete in Höllenangst einen Rosenkranz um den andern, bis es endlich kümmerlich zu tagen begann. Er schlich zur Thüre, die halbzerbrochen in den Angeln schlotterte, und guckte hinaus. Da lag ein ungeheurer Bär verendet im Schnee. Nun riß Klaus die Thüre auf und sprang hinaus, als könnte ihm das todte Ungeheuer noch entrinnen. Seit langem zum ersten Male jauchzte er, daß die Felsen wiederhallten. Er balgte den Bären auf dem Platz aus bis auf den Kopf, den er abschnitt und im Schnee vergrub. Jetzt flogen auch die Krähen daher, eine lockte die andere zum Schmause; er warf ihnen die nutzlosen Gedärme hin: So, guten Appetit! laßt es euch schmecken! Das Fleisch zerstückle er und trug es in die Hütte. Es war ihm hochwillkommen, denn er besaß nur noch wenig eingesalzenes; auch mit Mehl und Brod kargte er, um nicht ausgehungert zu werden. Das ist der letzte Bär, der im Achenthal geschossen wurde; seitdem hat sich keiner mehr sehen lassen. Der Schnee wurde allmählich körnig und starr, die Oberfläche desselben sinterte in eine Kruste zusammen, welche wie ein schimmernder Panzer Scheitel und Flanken der Berge umhüllte und weithin leuchtete. Ist der Boden auf diese Art festgeworden, so mag

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T13:06:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T13:06:45Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/80
Zitationshilfe: Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/80>, abgerufen am 18.05.2024.