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Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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man ohne Gefahr und Beschwerde über die tiefsten Tobel und Windverwehungen hinweggehen, insbesondere wenn man sich noch durch Schneereife, welche radförmig unter dem Fuße ausgespannt sind, vor dem Einsinken sichert.

In einer mondhellen Nacht wagte sich Klaus, nachdem er den Bärenkopf im leeren Schnappsack verborgen, auf den Weg zum Nidinger. Bald saß er mit dem Alten und seiner Braut am warmen Kamin und erfreute sich des langentbehrten Gespräches Aug' in Auge. Er legte den Bärenkopf auf den Tisch.

Siehst du, sagte Nidinger, da hab' ich dich auch unrecht in Verdacht gehabt. Bald wurden zu Steinberg, bald auf den Einzelhöfen von Achenkirch Schafe und Kälber gestohlen; ich dachte, du hättest es aus Noth gethan, und fürchtete, abgesehen davon, daß es kein schönes Handwerk ist, du könntest einmal einem Aufpasser in die Hände fallen. Nun, da ist ja der Dieb!

Es war auch, entgegnete Klaus, meine Absicht, mir auf jene ungesetzliche Art Lebensmittel zu verschaffen; bis jetzt bedurfte ich es indeß nicht, und hätt' ich es gethan, oder sollte es dazu kommen, so ist mein fester Vorsatz, dich immer allsogleich zum betreffenden Bauern zu schicken und mit ihm nach mäßiger Schätzung abzurechnen. Die Achenthaler lassen mit sich reden, jeder würde sich ein Gewissen daraus machen, mich zu verrathen.

man ohne Gefahr und Beschwerde über die tiefsten Tobel und Windverwehungen hinweggehen, insbesondere wenn man sich noch durch Schneereife, welche radförmig unter dem Fuße ausgespannt sind, vor dem Einsinken sichert.

In einer mondhellen Nacht wagte sich Klaus, nachdem er den Bärenkopf im leeren Schnappsack verborgen, auf den Weg zum Nidinger. Bald saß er mit dem Alten und seiner Braut am warmen Kamin und erfreute sich des langentbehrten Gespräches Aug' in Auge. Er legte den Bärenkopf auf den Tisch.

Siehst du, sagte Nidinger, da hab' ich dich auch unrecht in Verdacht gehabt. Bald wurden zu Steinberg, bald auf den Einzelhöfen von Achenkirch Schafe und Kälber gestohlen; ich dachte, du hättest es aus Noth gethan, und fürchtete, abgesehen davon, daß es kein schönes Handwerk ist, du könntest einmal einem Aufpasser in die Hände fallen. Nun, da ist ja der Dieb!

Es war auch, entgegnete Klaus, meine Absicht, mir auf jene ungesetzliche Art Lebensmittel zu verschaffen; bis jetzt bedurfte ich es indeß nicht, und hätt' ich es gethan, oder sollte es dazu kommen, so ist mein fester Vorsatz, dich immer allsogleich zum betreffenden Bauern zu schicken und mit ihm nach mäßiger Schätzung abzurechnen. Die Achenthaler lassen mit sich reden, jeder würde sich ein Gewissen daraus machen, mich zu verrathen.

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[0081] man ohne Gefahr und Beschwerde über die tiefsten Tobel und Windverwehungen hinweggehen, insbesondere wenn man sich noch durch Schneereife, welche radförmig unter dem Fuße ausgespannt sind, vor dem Einsinken sichert. In einer mondhellen Nacht wagte sich Klaus, nachdem er den Bärenkopf im leeren Schnappsack verborgen, auf den Weg zum Nidinger. Bald saß er mit dem Alten und seiner Braut am warmen Kamin und erfreute sich des langentbehrten Gespräches Aug' in Auge. Er legte den Bärenkopf auf den Tisch. Siehst du, sagte Nidinger, da hab' ich dich auch unrecht in Verdacht gehabt. Bald wurden zu Steinberg, bald auf den Einzelhöfen von Achenkirch Schafe und Kälber gestohlen; ich dachte, du hättest es aus Noth gethan, und fürchtete, abgesehen davon, daß es kein schönes Handwerk ist, du könntest einmal einem Aufpasser in die Hände fallen. Nun, da ist ja der Dieb! Es war auch, entgegnete Klaus, meine Absicht, mir auf jene ungesetzliche Art Lebensmittel zu verschaffen; bis jetzt bedurfte ich es indeß nicht, und hätt' ich es gethan, oder sollte es dazu kommen, so ist mein fester Vorsatz, dich immer allsogleich zum betreffenden Bauern zu schicken und mit ihm nach mäßiger Schätzung abzurechnen. Die Achenthaler lassen mit sich reden, jeder würde sich ein Gewissen daraus machen, mich zu verrathen.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-23T13:06:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-23T13:06:45Z)

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Zitationshilfe: Pichler, Adolf: Der Flüchtling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 13. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–318. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pichler_fluechtling_1910/81>, abgerufen am 18.05.2024.