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Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688.

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Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] derstreben kan/ weil die Gliedmassen weich und gantz
beweglich seynd.

So dann in Beschreibung des Pluvin zugerich-
teten halblüfftigen Pferdes/ mit genugsamen Grün-
den ausgeführet und erwiesen ist/ daß die beste Si-
cherheit nnd Entledigung zu Pferde/ in des Reuters
guten Gestalt stecke/ und an dieselbige vielmehr als an
die völlige Proportion/ Gewächs/ Alter und Stär-
cke verbunden/ auch damit ersetzlich sey/ dessen junger
Leib und unerwachsene unerstärckte Glieder von
dem eilfften und zwölfften Jahr an/ (auff Pfer-
den/ so sich mit ihrem Gewächs proportioniren)
theilhafftig und mächtig werden können/ auff den
Fall man dieselbe auff solche Art unterweiset und zu
Pferd setzet/ wie daselbst vermeldet ist: So wird an
den übrigen Stücken nach der Beschaffenheit dersel-
ben Eigenschafften eben so wenig (ja noch weniger)
zu zweifeln seyn/ weil sich neben obernanntem Vor-
theil/ auch in der Jugend der gröste Lust/ zu dieser
Leibes-Ubung erweiset/ welcher aller Wissenschafften
gröster Vorschub und Erleuchterung ist.

Mittelmässiges gleiches Alter

Hat nicht jederzeit gleiches Gewächs/ Proportion
oder Stärcke an und bey sich/ sondern solche seynd
auff vielerley Weise unterschieden/ ob es gleich nach
dem gemeinen Lauff also seyn solle/ und bey vielen ein-
trifft/ bey welchen vornemlich auff diese beyderley Ex-
tremitäten acht zuhaben/ davon das 1. Requisitum:

Wann der Leib gar lang ist/ wobey wieder dreyer-
ley Arten zuerkennen/ 1. so ein langer Leib tieff gespal-
ten/ und lange Schenckel machet/ diese haben zu dem
Reiten/ (von den langen Leibern) die beste Eigen-
schafft/ indem sich der Leib gleich im Mittel theilet/ al-
so gleiches Gewicht machet/ und desto leichter in der
guten Gestalt und Bewegung zu erhalten/ auch im
Anfang zubringen ist.

2. Es wäre dann solche Spaltung gar unmässig
und scheinbar/ über die natürliche Gestalt: So wür-
de der obere Leib das Ansehen und Zierde etwas ver-
lieren/ die Schenckel auch 1. weiter reichen/ als die gu-
te Gestalt erfordert. 2. Jn Exeqvirung der Hülffen
und Straffen/ wiewol der ersten mehr als der letzten
1. allzukräfftig anfallen. 2. langsamer kommen/ als
dieselben erfolgen sollen/ 3. nicht genug wider zurück in
ihre verordnete Qvartier/ oder darüber hinauß zubrin-
gen seyn. 4. übelständige/ 5. allzuscheinbare Bewe-
gungen machen/ welche 6. das Gewicht und 7. Entle-
digung verfälschen/ also 8. die Sicherheit schwächen.

3. Wann die Füsse an einem wenig gespaltnen Leib
gar kurtz/ und der obere Leib lang ist/ dabey wird der
obere Leib gar beschwerlich in das gleiche Gewicht und
gute Gestalt/ viel weniger in die Sicherheit und Ent-
ledigung zubringen und noch mißlicher zubehalten
seyn. Dann die übermässige Länge lässet sich allzeit
lieber biegen/ neigen und schwingen/ als gerad auff-
richt und auffrecht erhalten/ wo man sich nicht über
Vermögen angreiffen wil/ welcher Zwang aber nicht
in die Länge dauren könnte/ weil dadurch der Othem
und Starcke/ den starcken langwürigen Bewegungen
der Pferde endlich weichen und nachgeben müste.

[Spaltenumbruch]

2. Art sind die kurtzen Leiber. Diese sind gleicher
Gestalt wiederum also zu unterscheiden. 1. wann der-
selbe Leib viel gespalten/ und die Füsse den obern Leib/
in der Länge weit übertreffen: diese können zu dem
rechten Ansehen und guten Gestalt nicht kommen:
sonderlich auff grossen Pferden/ die von Halß und
Kopff hoch gewachsen sind.

Dagegen aber ist die Sicherheit desto grösser/ in
dem sie von dem obern Leibs-Gewicht nicht überwo-
gen werden: sondern dasselbe gar leichtlich auffrich-
ten und auffrecht erhalten können/ dabey können auch
die Schenckel ihre Schuldigkeit in Ereqvirung der
Hülffen und Straffen (ob gleich nicht so vollkom-
men/ als die mittelmässigen/) verrichten: indem sie
dem obern Leib zu seiner Versicherung und Behal-
tung der guten Gestalt wenig oder nichts contribui-
ren oder erhalten helffen dörffen/ welcher selbst wol
darinnen leichtlich verbleiben kan/ also all ihr Vermö-
gen/ Stärcke und Entledigung nur für sich selber an-
wenden können.

Welcher kurtzer Leib aber gar wenig gespalten/ also
gar kurtze Schenckel und desto längern Leib hätte/
wird doppelte Verhinderung in allen drey Haupt-
Stücken/ als/ der guten Gestalt/ Sicherheit und
Entledigung zuempfinden haben/ dann in starcken Pfer-
des Bewegungen/ hat der obere Leib mehr Gewicht
als der untere entgegen zuhalten vermag/ sich gleich
auffrecht zuerhalten. Die kurtze Schenckel geben ent-
weder lauter unkräfftige/ unempfindliche Hülffen und
Straffen/ oder sie müssen die gute Gestalt und Si-
cherheit gäntzlich und zugleich verlassen/ sich aus allen
Kräfften bewegen/ wo sie sonderlich alle die Oerter
an des-Pferdes Leib erreichen sollen/ wo sie nöthig und
am besten angewendet sind/ welches doch (sonderlich
auff grossen Pferden) nicht jederzeit geschehen kan.

So sind die Hülffen und Straffen (welche nicht
genugsame Empfindlichkeit haben/ oder die rechten
Oerter nicht berühren/ treffen oder erreichen) offtmals
mehr schädlich/ als nützlich/ werden sie mit äussersten
Kräfften gegeben/ so kan 1. das Pferd den Unterscheid
nicht erkennen lernen/ welcher in der Fühlung zwi-
schen den Hülffen und Straffen billich seyn solle. 2.
Der Reuter verleuret die Entledigung seiner Glied-
massen daß sie mehr gespannet als frey/ ohn die rechte
Maß/ Zeit und Orth erfolgen/ wodurch die Pferde
mehr verwirret als unterwiesen werden können: ob
gleich eben hiermit nicht behauptet oder dafür gehal-
ten wird/ daß weder die garlangen/ noch die gar kur-
tzen Reuter zu diesem Exerciz tauglich/ oder gute
Reuter werden oder seyn können: So wird doch
die Erfahrung selbst denselben genug zuerkennen ge-
ben/ daß sie in dieser Ubung mehr Verhinderungen
empfinden/ und ein mehrers von ihrem Vermögen
anstrecken müssen/ als wann sie von mittelmässiger
Statur des Leibes und desselben Gliedmassen wä-
ren. Dann

Die mittelmässigen Leiber und der-
selben Gliedmassen

Können 1. die Oerter an des Pferdes Leib/ in Exe-
qvirung der Hülffen und Straffen ausser sonderli-

chem

Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] derſtreben kan/ weil die Gliedmaſſen weich und gantz
beweglich ſeynd.

So dann in Beſchreibung des Pluvin zugerich-
teten halbluͤfftigen Pferdes/ mit genugſamen Gruͤn-
den ausgefuͤhret und erwieſen iſt/ daß die beſte Si-
cherheit nnd Entledigung zu Pferde/ in des Reuters
guten Geſtalt ſtecke/ und an dieſelbige vielmehr als an
die voͤllige Proportion/ Gewaͤchs/ Alter und Staͤr-
cke verbunden/ auch damit erſetzlich ſey/ deſſen junger
Leib und unerwachſene unerſtaͤrckte Glieder von
dem eilfften und zwoͤlfften Jahr an/ (auff Pfer-
den/ ſo ſich mit ihrem Gewaͤchs proportioniren)
theilhafftig und maͤchtig werden koͤnnen/ auff den
Fall man dieſelbe auff ſolche Art unterweiſet und zu
Pferd ſetzet/ wie daſelbſt vermeldet iſt: So wird an
den uͤbrigen Stuͤcken nach der Beſchaffenheit derſel-
ben Eigenſchafften eben ſo wenig (ja noch weniger)
zu zweifeln ſeyn/ weil ſich neben obernanntem Vor-
theil/ auch in der Jugend der groͤſte Luſt/ zu dieſer
Leibes-Ubung erweiſet/ welcher aller Wiſſenſchafften
groͤſter Vorſchub und Erleuchterung iſt.

Mittelmaͤſſiges gleiches Alter

Hat nicht jederzeit gleiches Gewaͤchs/ Proportion
oder Staͤrcke an und bey ſich/ ſondern ſolche ſeynd
auff vielerley Weiſe unterſchieden/ ob es gleich nach
dem gemeinen Lauff alſo ſeyn ſolle/ und bey vielen ein-
trifft/ bey welchen vornemlich auff dieſe beyderley Ex-
tremitaͤten acht zuhaben/ davon das 1. Requiſitum:

Wann der Leib gar lang iſt/ wobey wieder dreyer-
ley Arten zuerkennen/ 1. ſo ein langer Leib tieff geſpal-
ten/ und lange Schenckel machet/ dieſe haben zu dem
Reiten/ (von den langen Leibern) die beſte Eigen-
ſchafft/ indem ſich der Leib gleich im Mittel theilet/ al-
ſo gleiches Gewicht machet/ und deſto leichter in der
guten Geſtalt und Bewegung zu erhalten/ auch im
Anfang zubringen iſt.

2. Es waͤre dann ſolche Spaltung gar unmaͤſſig
und ſcheinbar/ uͤber die natuͤrliche Geſtalt: So wuͤr-
de der obere Leib das Anſehen und Zierde etwas ver-
lieren/ die Schenckel auch 1. weiter reichen/ als die gu-
te Geſtalt erfordert. 2. Jn Exeqvirung der Huͤlffen
und Straffen/ wiewol der erſten mehr als der letzten
1. allzukraͤfftig anfallen. 2. langſamer kommen/ als
dieſelben erfolgen ſollen/ 3. nicht genug wider zuruͤck in
ihre verordnete Qvartier/ oder daruͤber hinauß zubrin-
gen ſeyn. 4. uͤbelſtaͤndige/ 5. allzuſcheinbare Bewe-
gungen machen/ welche 6. das Gewicht und 7. Entle-
digung verfaͤlſchen/ alſo 8. die Sicherheit ſchwaͤchen.

3. Wann die Fuͤſſe an einem wenig geſpaltnen Leib
gar kurtz/ und der obere Leib lang iſt/ dabey wird der
obere Leib gar beſchwerlich in das gleiche Gewicht und
gute Geſtalt/ viel weniger in die Sicherheit und Ent-
ledigung zubringen und noch mißlicher zubehalten
ſeyn. Dann die uͤbermaͤſſige Laͤnge laͤſſet ſich allzeit
lieber biegen/ neigen und ſchwingen/ als gerad auff-
richt und auffrecht erhalten/ wo man ſich nicht uͤber
Vermoͤgen angreiffen wil/ welcher Zwang aber nicht
in die Laͤnge dauren koͤnnte/ weil dadurch der Othem
und Starcke/ den ſtarcken langwuͤrigen Bewegungen
der Pferde endlich weichen und nachgeben muͤſte.

[Spaltenumbruch]

2. Art ſind die kurtzen Leiber. Dieſe ſind gleicher
Geſtalt wiederum alſo zu unterſcheiden. 1. wann der-
ſelbe Leib viel geſpalten/ und die Fuͤſſe den obern Leib/
in der Laͤnge weit uͤbertreffen: dieſe koͤnnen zu dem
rechten Anſehen und guten Geſtalt nicht kommen:
ſonderlich auff groſſen Pferden/ die von Halß und
Kopff hoch gewachſen ſind.

Dagegen aber iſt die Sicherheit deſto groͤſſer/ in
dem ſie von dem obern Leibs-Gewicht nicht uͤberwo-
gen werden: ſondern daſſelbe gar leichtlich auffrich-
ten und auffrecht erhalten koͤnnen/ dabey koͤnnen auch
die Schenckel ihre Schuldigkeit in Ereqvirung der
Huͤlffen und Straffen (ob gleich nicht ſo vollkom-
men/ als die mittelmaͤſſigen/) verrichten: indem ſie
dem obern Leib zu ſeiner Verſicherung und Behal-
tung der guten Geſtalt wenig oder nichts contribui-
ren oder erhalten helffen doͤrffen/ welcher ſelbſt wol
darinnen leichtlich verbleiben kan/ alſo all ihr Vermoͤ-
gen/ Staͤrcke und Entledigung nur fuͤr ſich ſelber an-
wenden koͤnnen.

Welcher kurtzer Leib aber gar wenig geſpalten/ alſo
gar kurtze Schenckel und deſto laͤngern Leib haͤtte/
wird doppelte Verhinderung in allen drey Haupt-
Stuͤcken/ als/ der guten Geſtalt/ Sicherheit und
Entledigung zuempfindẽ haben/ dañ in ſtarcken Pfer-
des Bewegungen/ hat der obere Leib mehr Gewicht
als der untere entgegen zuhalten vermag/ ſich gleich
auffrecht zuerhalten. Die kurtze Schenckel geben ent-
weder lauter unkraͤfftige/ unempfindliche Huͤlffen und
Straffen/ oder ſie muͤſſen die gute Geſtalt und Si-
cherheit gaͤntzlich und zugleich verlaſſen/ ſich aus allen
Kraͤfften bewegen/ wo ſie ſonderlich alle die Oerter
an des-Pferdes Leib erreichẽ ſollen/ wo ſie noͤthig und
am beſten angewendet ſind/ welches doch (ſonderlich
auff groſſen Pferden) nicht jederzeit geſchehen kan.

So ſind die Huͤlffen und Straffen (welche nicht
genugſame Empfindlichkeit haben/ oder die rechten
Oerter nicht beruͤhren/ treffen oder erreichen) offtmals
mehr ſchaͤdlich/ als nuͤtzlich/ werden ſie mit aͤuſſerſten
Kraͤfften gegeben/ ſo kan 1. das Pferd den Unterſcheid
nicht erkennen lernen/ welcher in der Fuͤhlung zwi-
ſchen den Huͤlffen und Straffen billich ſeyn ſolle. 2.
Der Reuter verleuret die Entledigung ſeiner Glied-
maſſen daß ſie mehr geſpannet als frey/ ohn die rechte
Maß/ Zeit und Orth erfolgen/ wodurch die Pferde
mehr verwirret als unterwieſen werden koͤnnen: ob
gleich eben hiermit nicht behauptet oder dafuͤr gehal-
ten wird/ daß weder die garlangen/ noch die gar kur-
tzen Reuter zu dieſem Exerciz tauglich/ oder gute
Reuter werden oder ſeyn koͤnnen: So wird doch
die Erfahrung ſelbſt denſelben genug zuerkennen ge-
ben/ daß ſie in dieſer Ubung mehr Verhinderungen
empfinden/ und ein mehrers von ihrem Vermoͤgen
anſtrecken muͤſſen/ als wann ſie von mittelmaͤſſiger
Statur des Leibes und deſſelben Gliedmaſſen waͤ-
ren. Dann

Die mittelmaͤſſigen Leiber und der-
ſelben Gliedmaſſen

Koͤnnen 1. die Oerter an des Pferdes Leib/ in Exe-
qvirung der Huͤlffen und Straffen auſſer ſonderli-

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[143/0153] Pferde-Schatz. derſtreben kan/ weil die Gliedmaſſen weich und gantz beweglich ſeynd. So dann in Beſchreibung des Pluvin zugerich- teten halbluͤfftigen Pferdes/ mit genugſamen Gruͤn- den ausgefuͤhret und erwieſen iſt/ daß die beſte Si- cherheit nnd Entledigung zu Pferde/ in des Reuters guten Geſtalt ſtecke/ und an dieſelbige vielmehr als an die voͤllige Proportion/ Gewaͤchs/ Alter und Staͤr- cke verbunden/ auch damit erſetzlich ſey/ deſſen junger Leib und unerwachſene unerſtaͤrckte Glieder von dem eilfften und zwoͤlfften Jahr an/ (auff Pfer- den/ ſo ſich mit ihrem Gewaͤchs proportioniren) theilhafftig und maͤchtig werden koͤnnen/ auff den Fall man dieſelbe auff ſolche Art unterweiſet und zu Pferd ſetzet/ wie daſelbſt vermeldet iſt: So wird an den uͤbrigen Stuͤcken nach der Beſchaffenheit derſel- ben Eigenſchafften eben ſo wenig (ja noch weniger) zu zweifeln ſeyn/ weil ſich neben obernanntem Vor- theil/ auch in der Jugend der groͤſte Luſt/ zu dieſer Leibes-Ubung erweiſet/ welcher aller Wiſſenſchafften groͤſter Vorſchub und Erleuchterung iſt. Mittelmaͤſſiges gleiches Alter Hat nicht jederzeit gleiches Gewaͤchs/ Proportion oder Staͤrcke an und bey ſich/ ſondern ſolche ſeynd auff vielerley Weiſe unterſchieden/ ob es gleich nach dem gemeinen Lauff alſo ſeyn ſolle/ und bey vielen ein- trifft/ bey welchen vornemlich auff dieſe beyderley Ex- tremitaͤten acht zuhaben/ davon das 1. Requiſitum: Wann der Leib gar lang iſt/ wobey wieder dreyer- ley Arten zuerkennen/ 1. ſo ein langer Leib tieff geſpal- ten/ und lange Schenckel machet/ dieſe haben zu dem Reiten/ (von den langen Leibern) die beſte Eigen- ſchafft/ indem ſich der Leib gleich im Mittel theilet/ al- ſo gleiches Gewicht machet/ und deſto leichter in der guten Geſtalt und Bewegung zu erhalten/ auch im Anfang zubringen iſt. 2. Es waͤre dann ſolche Spaltung gar unmaͤſſig und ſcheinbar/ uͤber die natuͤrliche Geſtalt: So wuͤr- de der obere Leib das Anſehen und Zierde etwas ver- lieren/ die Schenckel auch 1. weiter reichen/ als die gu- te Geſtalt erfordert. 2. Jn Exeqvirung der Huͤlffen und Straffen/ wiewol der erſten mehr als der letzten 1. allzukraͤfftig anfallen. 2. langſamer kommen/ als dieſelben erfolgen ſollen/ 3. nicht genug wider zuruͤck in ihre verordnete Qvartier/ oder daruͤber hinauß zubrin- gen ſeyn. 4. uͤbelſtaͤndige/ 5. allzuſcheinbare Bewe- gungen machen/ welche 6. das Gewicht und 7. Entle- digung verfaͤlſchen/ alſo 8. die Sicherheit ſchwaͤchen. 3. Wann die Fuͤſſe an einem wenig geſpaltnen Leib gar kurtz/ und der obere Leib lang iſt/ dabey wird der obere Leib gar beſchwerlich in das gleiche Gewicht und gute Geſtalt/ viel weniger in die Sicherheit und Ent- ledigung zubringen und noch mißlicher zubehalten ſeyn. Dann die uͤbermaͤſſige Laͤnge laͤſſet ſich allzeit lieber biegen/ neigen und ſchwingen/ als gerad auff- richt und auffrecht erhalten/ wo man ſich nicht uͤber Vermoͤgen angreiffen wil/ welcher Zwang aber nicht in die Laͤnge dauren koͤnnte/ weil dadurch der Othem und Starcke/ den ſtarcken langwuͤrigen Bewegungen der Pferde endlich weichen und nachgeben muͤſte. 2. Art ſind die kurtzen Leiber. Dieſe ſind gleicher Geſtalt wiederum alſo zu unterſcheiden. 1. wann der- ſelbe Leib viel geſpalten/ und die Fuͤſſe den obern Leib/ in der Laͤnge weit uͤbertreffen: dieſe koͤnnen zu dem rechten Anſehen und guten Geſtalt nicht kommen: ſonderlich auff groſſen Pferden/ die von Halß und Kopff hoch gewachſen ſind. Dagegen aber iſt die Sicherheit deſto groͤſſer/ in dem ſie von dem obern Leibs-Gewicht nicht uͤberwo- gen werden: ſondern daſſelbe gar leichtlich auffrich- ten und auffrecht erhalten koͤnnen/ dabey koͤnnen auch die Schenckel ihre Schuldigkeit in Ereqvirung der Huͤlffen und Straffen (ob gleich nicht ſo vollkom- men/ als die mittelmaͤſſigen/) verrichten: indem ſie dem obern Leib zu ſeiner Verſicherung und Behal- tung der guten Geſtalt wenig oder nichts contribui- ren oder erhalten helffen doͤrffen/ welcher ſelbſt wol darinnen leichtlich verbleiben kan/ alſo all ihr Vermoͤ- gen/ Staͤrcke und Entledigung nur fuͤr ſich ſelber an- wenden koͤnnen. Welcher kurtzer Leib aber gar wenig geſpalten/ alſo gar kurtze Schenckel und deſto laͤngern Leib haͤtte/ wird doppelte Verhinderung in allen drey Haupt- Stuͤcken/ als/ der guten Geſtalt/ Sicherheit und Entledigung zuempfindẽ haben/ dañ in ſtarcken Pfer- des Bewegungen/ hat der obere Leib mehr Gewicht als der untere entgegen zuhalten vermag/ ſich gleich auffrecht zuerhalten. Die kurtze Schenckel geben ent- weder lauter unkraͤfftige/ unempfindliche Huͤlffen und Straffen/ oder ſie muͤſſen die gute Geſtalt und Si- cherheit gaͤntzlich und zugleich verlaſſen/ ſich aus allen Kraͤfften bewegen/ wo ſie ſonderlich alle die Oerter an des-Pferdes Leib erreichẽ ſollen/ wo ſie noͤthig und am beſten angewendet ſind/ welches doch (ſonderlich auff groſſen Pferden) nicht jederzeit geſchehen kan. So ſind die Huͤlffen und Straffen (welche nicht genugſame Empfindlichkeit haben/ oder die rechten Oerter nicht beruͤhren/ treffen oder erreichen) offtmals mehr ſchaͤdlich/ als nuͤtzlich/ werden ſie mit aͤuſſerſten Kraͤfften gegeben/ ſo kan 1. das Pferd den Unterſcheid nicht erkennen lernen/ welcher in der Fuͤhlung zwi- ſchen den Huͤlffen und Straffen billich ſeyn ſolle. 2. Der Reuter verleuret die Entledigung ſeiner Glied- maſſen daß ſie mehr geſpannet als frey/ ohn die rechte Maß/ Zeit und Orth erfolgen/ wodurch die Pferde mehr verwirret als unterwieſen werden koͤnnen: ob gleich eben hiermit nicht behauptet oder dafuͤr gehal- ten wird/ daß weder die garlangen/ noch die gar kur- tzen Reuter zu dieſem Exerciz tauglich/ oder gute Reuter werden oder ſeyn koͤnnen: So wird doch die Erfahrung ſelbſt denſelben genug zuerkennen ge- ben/ daß ſie in dieſer Ubung mehr Verhinderungen empfinden/ und ein mehrers von ihrem Vermoͤgen anſtrecken muͤſſen/ als wann ſie von mittelmaͤſſiger Statur des Leibes und deſſelben Gliedmaſſen waͤ- ren. Dann Die mittelmaͤſſigen Leiber und der- ſelben Gliedmaſſen Koͤnnen 1. die Oerter an des Pferdes Leib/ in Exe- qvirung der Huͤlffen und Straffen auſſer ſonderli- chem

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Zitationshilfe: Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/153>, abgerufen am 21.11.2024.