Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688.

Bild:
<< vorherige Seite

Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] schafften gezieret/ nur daß der Mensch dieselbe zu dem
rechten Gebrauch/ durch sein fleissiges Nachsinnen
und Bemühung weiter tüchtig mache/ inmassen die
Menschen selbst ihr Pfund durch anderer Menschen
Anleitung und Hülffe/ zu der rechten Ubung brin-
gen müssen/ damit sie allerseits/ ihre Zeit/ vielmehr mit
nutzlichem Nachsinnen und nothwendigen Hand-
lungen/ als verderblichem Müssiggang zu bringen/
unter welchen diejenigen das gröste Lob und Ver-
dienst erlangen sollen/ welche ihre von GOtt erhalte-
ne Gaben/ nicht nur ihnen selber/ sondern vornemlich
zur Ehr GOttes und des Nechsten Verbesserung
oder Unterweisung anwenden/ auch ein und anders
Mittel erfinden/ wodurch löbliche und Tugendhaffte
Wissenschafften derselben Liebhabern erleichtert und
annehmlich gemacht werden möchten/ welches nicht
besser und näher getroffen wird/ als wo die Erfinder
hierinnen die Anleitung der natürlichen Vernunfft zu
Wegweisern gebrauchen.

Deren sich der in der Reit-Kunst und Erkäntnüß
der Pferd hochgestiegene Pluvinell/ vor vielen andern
in solcher Wissenschafft meisterlich bedienet: als er
nicht allein/ durch sein erfundenes zugerichtes Pferd/
der jungen zarten/ unerwachsenen Reuter Jnforma-
tion/ so sinnreich unterbauet/ angefangen und fortge-
setzet/ daß sie auff demselben ohne frühzeitige/ oder be-
schwerliche/ ja unmögliche Anstreckung ihrer man-
gelnden Kräfften/ ausser aller Gefahr/ Schmertzen/
[Spaltenumbruch] Verdruß/ Schaden oder Hinderung/ einen guten
Theil solcher hohen Wissenschafft erreichen können/
welches ihre Eigenschafften mit solcher Sicherheit/
auff keinem lebendigen Pferd zulassen würden; son-
dern auch einen ziemlichen Anfang gemachet/ auch
den jungen Pferden ihre Jnstruction gleicher Gestalt
zu erleichtern/ daß dieselbe sonder Gefahr und Scha-
den/ desto ehe und besser zu der Abrichtung zunehmen
wären.

Ob er nun wol solche Jntention/ (aus einer un-
wissenden Ursach) bey seinem Leben/ nicht zu der ver-
langten Perfection gebracht/ sondern nicht weiter
darinnen kommen können/ als daß er die jungen
Pferde/ durch ein oder zwey Bediente/ an einem Pi-
ler halten und leiten lassen: welche Leitung aber noch
für den Unterweiser und Pferd voll grosser Difficul-
täten und Verhinderungen stecket; So bleibet ihm
doch billich die Ehr und Danck der ersten Grundle-
gung und Anweisung aller der guten Früchte/ so
durch diese hernach beschriebene inventirte vorthel-
haffte Pferds-Leitung an unterschiedenen Orten be-
reits erlanget worden/ und noch weiter zu erhalten
stehet/ wann vermittelst derselben der Reuter und der
Pferd Vermögen äusserst gesparet/ Gefahr und
Schaden verhütet/ Nutz und Ergötzlichkeit aber ver-
mercklich vermehret wird/ daß man sich auch dieser
Art in dem höchsten Alter/ mit schlechter Mühe ge-
brauchen kan.



[Spaltenumbruch]

CAmerarius sagt von den Teutschen/ und der-
selben Pferden/ sie gebrauchten sich ihrer Pfer-
de/ wie des Delphischen Schwerdts/ denn sie
spannen dieselbe bald vor den Holtz-Wagen oder Ca-
ret/ bald muß das Pferd zur Reise fertig seyn/ bald zur
Kriegs-Action: welches wol etwas scharff geredet/
und von ihm zu verantworten stehet. Gleichwol be-
mühen sich etliche/ ihn realiter zu widerlegen/ und
solche Meynung von sich abzuwenden/ deren aber
vielmehr/ die es gern also hätten/ wann sie dasselbe nur
dahin richten könten/ daß die Pferde zu diesen unter-
schiedlichen Bezeigungen gleich geschickt/ und taug-
lich zu machen wären.

Ob es nun gleich keinem fehlen möchte/ daß nicht
ein jedes Pferd auff das wenigste zu dem ersten Ge-
brauch endlich gerathen müste: so wird es doch zu
den folgenden und letzten desto ungeschickter seyn/
weil die Bezeigungen nicht allein unterschieden/ son-
dern auch gantz einander zuwider seyn/ so viel nemlich
im Reiten ein Pferd uniret/ im starcken Ziehen aber
dißunirt seyn solle.

So kan auch den erfahrnen Liebhabern nicht ver-
borgen seyn/ daß unter denselben (auch unter den be-
rühmtesten und erfahrnesten) jederzeit ein immer-
währender Streit und Widersprechen gewesen/ und
wol weiter verbleiben wird/ welcher die beste Art der
Abrichtung habe/ weil hierinnen nach dem alten
Sprichwort/ ein jeder Krämer seine Waare recom-
mendiret.

Wie nun theils derselben ihre Meynungen mit
Vernunffts-Gründen/ andere aber allein damit be-
[Spaltenumbruch] haupten mögen/ oder wollen/ daß sie es nicht besser
wissen/ gelernet oder gesehen haben/ noch aus eigner
Erfindung verbessern können/ so möchte ein begieri-
ger Lieb haber einige Prob verlangen/ wodurch er (wo
nicht der besten) wenigstens einer guten Abrichtungs-
Art versichert/ und in den meisten Stücken des rech-
ten Wegs oder Art zu der rechten Abrichtung zu
kommen/ so viel weniger verfehlen möge: welches
er unzweifflich erhalten wird/ wie viel er auff die nach-
gesetzten Nothwendigkeiten acht haben/ und bey ein-
oder der andern Art die Würckungen und den Er-
folg besser/ leichter und sicherer oder mißlicher befin-
den wird; und zwar dergestalt/

Daß dieselbe 1. durchauß auff die Natur und der-
selben Würckungen/
2. Auff die rechte Vernunfft dergestalt gegründet
sey/ daß der Reuter/ umb all sein Vornehmen/ Thun
und Lassen/ eine gewisse Raison zu geben wisse/ welche
durch keine stärckere Argumentirung zu widerlegen
oder umbzustossen möglich.
3. Muß auch bey jedem Vornehmen einiger Be-
weiß stehen/ daß solches keinen bösen Ausschlag haben
werde/ oder zum wenigsten keinen bessern haben kön-
te/ wann man was anders vorgenommen hätte.
4. Hergegen aber auch eine gleichmässige unfehl-
bare Ursach/ bey jeder Unterlassung oder Vermei-
dung dessen/ was andere fürschlagen und gebrau-
chen möchten/ neben gleichmässiger erweißlicher Be-
hauptung/ daß auf solchen Fall/ aus solchem ver-
worffenem oder vorbeygegangenem Vornehmen/
nichts
H h 3

Pferde-Schatz.
[Spaltenumbruch] ſchafften gezieret/ nur daß der Menſch dieſelbe zu dem
rechten Gebrauch/ durch ſein fleiſſiges Nachſinnen
und Bemuͤhung weiter tuͤchtig mache/ inmaſſen die
Menſchen ſelbſt ihr Pfund durch anderer Menſchen
Anleitung und Huͤlffe/ zu der rechten Ubung brin-
gen muͤſſen/ damit ſie allerſeits/ ihre Zeit/ vielmehr mit
nutzlichem Nachſinnen und nothwendigen Hand-
lungen/ als verderblichem Muͤſſiggang zu bringen/
unter welchen diejenigen das groͤſte Lob und Ver-
dienſt erlangen ſollen/ welche ihre von GOtt erhalte-
ne Gaben/ nicht nur ihnen ſelber/ ſondern vornemlich
zur Ehr GOttes und des Nechſten Verbeſſerung
oder Unterweiſung anwenden/ auch ein und anders
Mittel erfinden/ wodurch loͤbliche und Tugendhaffte
Wiſſenſchafften derſelben Liebhabern erleichtert und
annehmlich gemacht werden moͤchten/ welches nicht
beſſer und naͤher getroffen wird/ als wo die Erfinder
hierinnen die Anleitung der natuͤrlichen Vernunfft zu
Wegweiſern gebrauchen.

Deren ſich der in der Reit-Kunſt und Erkaͤntnuͤß
der Pferd hochgeſtiegene Pluvinell/ vor vielen andern
in ſolcher Wiſſenſchafft meiſterlich bedienet: als er
nicht allein/ durch ſein erfundenes zugerichtes Pferd/
der jungen zarten/ unerwachſenen Reuter Jnforma-
tion/ ſo ſinnreich unterbauet/ angefangen und fortge-
ſetzet/ daß ſie auff demſelben ohne fruͤhzeitige/ oder be-
ſchwerliche/ ja unmoͤgliche Anſtreckung ihrer man-
gelnden Kraͤfften/ auſſer aller Gefahr/ Schmertzen/
[Spaltenumbruch] Verdruß/ Schaden oder Hinderung/ einen guten
Theil ſolcher hohen Wiſſenſchafft erreichen koͤnnen/
welches ihre Eigenſchafften mit ſolcher Sicherheit/
auff keinem lebendigen Pferd zulaſſen wuͤrden; ſon-
dern auch einen ziemlichen Anfang gemachet/ auch
den jungen Pferden ihre Jnſtruction gleicher Geſtalt
zu erleichtern/ daß dieſelbe ſonder Gefahr und Scha-
den/ deſto ehe und beſſer zu der Abrichtung zunehmen
waͤren.

Ob er nun wol ſolche Jntention/ (aus einer un-
wiſſenden Urſach) bey ſeinem Leben/ nicht zu der ver-
langten Perfection gebracht/ ſondern nicht weiter
darinnen kommen koͤnnen/ als daß er die jungen
Pferde/ durch ein oder zwey Bediente/ an einem Pi-
ler halten und leiten laſſen: welche Leitung aber noch
fuͤr den Unterweiſer und Pferd voll groſſer Difficul-
taͤten und Verhinderungen ſtecket; So bleibet ihm
doch billich die Ehr und Danck der erſten Grundle-
gung und Anweiſung aller der guten Fruͤchte/ ſo
durch dieſe hernach beſchriebene inventirte vorthel-
haffte Pferds-Leitung an unterſchiedenen Orten be-
reits erlanget worden/ und noch weiter zu erhalten
ſtehet/ wann vermittelſt derſelben der Reuter und der
Pferd Vermoͤgen aͤuſſerſt geſparet/ Gefahr und
Schaden verhuͤtet/ Nutz und Ergoͤtzlichkeit aber ver-
mercklich vermehret wird/ daß man ſich auch dieſer
Art in dem hoͤchſten Alter/ mit ſchlechter Muͤhe ge-
brauchen kan.



[Spaltenumbruch]

CAmerarius ſagt von den Teutſchen/ und der-
ſelben Pferden/ ſie gebrauchten ſich ihrer Pfer-
de/ wie des Delphiſchen Schwerdts/ denn ſie
ſpannen dieſelbe bald vor den Holtz-Wagen oder Ca-
ret/ bald muß das Pferd zur Reiſe fertig ſeyn/ bald zur
Kriegs-Action: welches wol etwas ſcharff geredet/
und von ihm zu verantworten ſtehet. Gleichwol be-
muͤhen ſich etliche/ ihn realiter zu widerlegen/ und
ſolche Meynung von ſich abzuwenden/ deren aber
vielmehr/ die es gern alſo haͤtten/ wann ſie daſſelbe nur
dahin richten koͤnten/ daß die Pferde zu dieſen unter-
ſchiedlichen Bezeigungen gleich geſchickt/ und taug-
lich zu machen waͤren.

Ob es nun gleich keinem fehlen moͤchte/ daß nicht
ein jedes Pferd auff das wenigſte zu dem erſten Ge-
brauch endlich gerathen muͤſte: ſo wird es doch zu
den folgenden und letzten deſto ungeſchickter ſeyn/
weil die Bezeigungen nicht allein unterſchieden/ ſon-
dern auch gantz einander zuwider ſeyn/ ſo viel nemlich
im Reiten ein Pferd uniret/ im ſtarcken Ziehen aber
dißunirt ſeyn ſolle.

So kan auch den erfahrnen Liebhabern nicht ver-
borgen ſeyn/ daß unter denſelben (auch unter den be-
ruͤhmteſten und erfahrneſten) jederzeit ein immer-
waͤhrender Streit und Widerſprechen geweſen/ und
wol weiter verbleiben wird/ welcher die beſte Art der
Abrichtung habe/ weil hierinnen nach dem alten
Sprichwort/ ein jeder Kraͤmer ſeine Waare recom-
mendiret.

Wie nun theils derſelben ihre Meynungen mit
Vernunffts-Gruͤnden/ andere aber allein damit be-
[Spaltenumbruch] haupten moͤgen/ oder wollen/ daß ſie es nicht beſſer
wiſſen/ gelernet oder geſehen haben/ noch aus eigner
Erfindung verbeſſern koͤnnen/ ſo moͤchte ein begieri-
ger Lieb haber einige Prob verlangen/ wodurch er (wo
nicht der beſten) wenigſtens einer guten Abrichtungs-
Art verſichert/ und in den meiſten Stuͤcken des rech-
ten Wegs oder Art zu der rechten Abrichtung zu
kommen/ ſo viel weniger verfehlen moͤge: welches
er unzweifflich erhalten wird/ wie viel er auff die nach-
geſetzten Nothwendigkeiten acht haben/ und bey ein-
oder der andern Art die Wuͤrckungen und den Er-
folg beſſer/ leichter und ſicherer oder mißlicher befin-
den wird; und zwar dergeſtalt/

Daß dieſelbe 1. durchauß auff die Natur und der-
ſelben Wuͤrckungen/
2. Auff die rechte Vernunfft dergeſtalt gegruͤndet
ſey/ daß der Reuter/ umb all ſein Vornehmen/ Thun
und Laſſen/ eine gewiſſe Raiſon zu geben wiſſe/ welche
durch keine ſtaͤrckere Argumentirung zu widerlegen
oder umbzuſtoſſen moͤglich.
3. Muß auch bey jedem Vornehmen einiger Be-
weiß ſtehen/ daß ſolches keinen boͤſen Ausſchlag haben
werde/ oder zum wenigſten keinen beſſern haben koͤn-
te/ wann man was anders vorgenommen haͤtte.
4. Hergegen aber auch eine gleichmaͤſſige unfehl-
bare Urſach/ bey jeder Unterlaſſung oder Vermei-
dung deſſen/ was andere fuͤrſchlagen und gebrau-
chen moͤchten/ neben gleichmaͤſſiger erweißlicher Be-
hauptung/ daß auf ſolchen Fall/ aus ſolchem ver-
worffenem oder vorbeygegangenem Vornehmen/
nichts
H h 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0267" n="245"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Pferde-Schatz.</hi></fw><lb/><cb/>
&#x017F;chafften gezieret/ nur daß der Men&#x017F;ch die&#x017F;elbe zu dem<lb/>
rechten Gebrauch/ durch &#x017F;ein flei&#x017F;&#x017F;iges Nach&#x017F;innen<lb/>
und Bemu&#x0364;hung weiter tu&#x0364;chtig mache/ inma&#x017F;&#x017F;en die<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;elb&#x017F;t ihr Pfund durch anderer Men&#x017F;chen<lb/>
Anleitung und Hu&#x0364;lffe/ zu der rechten Ubung brin-<lb/>
gen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ damit &#x017F;ie aller&#x017F;eits/ ihre Zeit/ vielmehr mit<lb/>
nutzlichem Nach&#x017F;innen und nothwendigen Hand-<lb/>
lungen/ als verderblichem Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;iggang zu bringen/<lb/>
unter welchen diejenigen das gro&#x0364;&#x017F;te Lob und Ver-<lb/>
dien&#x017F;t erlangen &#x017F;ollen/ welche ihre von GOtt erhalte-<lb/>
ne Gaben/ nicht nur ihnen &#x017F;elber/ &#x017F;ondern vornemlich<lb/>
zur Ehr GOttes und des Nech&#x017F;ten Verbe&#x017F;&#x017F;erung<lb/>
oder Unterwei&#x017F;ung anwenden/ auch ein und anders<lb/>
Mittel erfinden/ wodurch lo&#x0364;bliche und Tugendhaffte<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften der&#x017F;elben Liebhabern erleichtert und<lb/>
annehmlich gemacht werden mo&#x0364;chten/ welches nicht<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er und na&#x0364;her getroffen wird/ als wo die Erfinder<lb/>
hierinnen die Anleitung der natu&#x0364;rlichen Vernunfft zu<lb/>
Wegwei&#x017F;ern gebrauchen.</p><lb/>
              <p>Deren &#x017F;ich der in der Reit-Kun&#x017F;t und Erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß<lb/>
der Pferd hochge&#x017F;tiegene Pluvinell/ vor vielen andern<lb/>
in &#x017F;olcher Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft mei&#x017F;terlich bedienet: als er<lb/>
nicht allein/ durch &#x017F;ein erfundenes zugerichtes Pferd/<lb/>
der jungen zarten/ unerwach&#x017F;enen Reuter Jnforma-<lb/>
tion/ &#x017F;o &#x017F;innreich unterbauet/ angefangen und fortge-<lb/>
&#x017F;etzet/ daß &#x017F;ie auff dem&#x017F;elben ohne fru&#x0364;hzeitige/ oder be-<lb/>
&#x017F;chwerliche/ ja unmo&#x0364;gliche An&#x017F;treckung ihrer man-<lb/>
gelnden Kra&#x0364;fften/ au&#x017F;&#x017F;er aller Gefahr/ Schmertzen/<lb/><cb/>
Verdruß/ Schaden oder Hinderung/ einen guten<lb/>
Theil &#x017F;olcher hohen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft erreichen ko&#x0364;nnen/<lb/>
welches ihre Eigen&#x017F;chafften mit &#x017F;olcher Sicherheit/<lb/>
auff keinem lebendigen Pferd zula&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rden; &#x017F;on-<lb/>
dern auch einen ziemlichen Anfang gemachet/ auch<lb/>
den jungen Pferden ihre Jn&#x017F;truction gleicher Ge&#x017F;talt<lb/>
zu erleichtern/ daß die&#x017F;elbe &#x017F;onder Gefahr und Scha-<lb/>
den/ de&#x017F;to ehe und be&#x017F;&#x017F;er zu der Abrichtung zunehmen<lb/>
wa&#x0364;ren.</p><lb/>
              <p>Ob er nun wol &#x017F;olche Jntention/ (aus einer un-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;enden Ur&#x017F;ach) bey &#x017F;einem Leben/ nicht zu der ver-<lb/>
langten Perfection gebracht/ &#x017F;ondern nicht weiter<lb/>
darinnen kommen ko&#x0364;nnen/ als daß er die jungen<lb/>
Pferde/ durch ein oder zwey Bediente/ an einem Pi-<lb/>
ler halten und leiten la&#x017F;&#x017F;en: welche Leitung aber noch<lb/>
fu&#x0364;r den Unterwei&#x017F;er und Pferd voll gro&#x017F;&#x017F;er Difficul-<lb/>
ta&#x0364;ten und Verhinderungen &#x017F;tecket; So bleibet ihm<lb/>
doch billich die Ehr und Danck der er&#x017F;ten Grundle-<lb/>
gung und Anwei&#x017F;ung aller der guten Fru&#x0364;chte/ &#x017F;o<lb/>
durch die&#x017F;e hernach be&#x017F;chriebene inventirte vorthel-<lb/>
haffte Pferds-Leitung an unter&#x017F;chiedenen Orten be-<lb/>
reits erlanget worden/ und noch weiter zu erhalten<lb/>
&#x017F;tehet/ wann vermittel&#x017F;t der&#x017F;elben der Reuter und der<lb/>
Pferd Vermo&#x0364;gen a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;t ge&#x017F;paret/ Gefahr und<lb/>
Schaden verhu&#x0364;tet/ Nutz und Ergo&#x0364;tzlichkeit aber ver-<lb/>
mercklich vermehret wird/ daß man &#x017F;ich auch die&#x017F;er<lb/>
Art in dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Alter/ mit &#x017F;chlechter Mu&#x0364;he ge-<lb/>
brauchen kan.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <cb/>
              <p><hi rendition="#in">C</hi>Amerarius &#x017F;agt von den Teut&#x017F;chen/ und der-<lb/>
&#x017F;elben Pferden/ &#x017F;ie gebrauchten &#x017F;ich ihrer Pfer-<lb/>
de/ wie des Delphi&#x017F;chen Schwerdts/ denn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;pannen die&#x017F;elbe bald vor den Holtz-Wagen oder Ca-<lb/>
ret/ bald muß das Pferd zur Rei&#x017F;e fertig &#x017F;eyn/ bald zur<lb/>
Kriegs-Action: welches wol etwas &#x017F;charff geredet/<lb/>
und von ihm zu verantworten &#x017F;tehet. Gleichwol be-<lb/>
mu&#x0364;hen &#x017F;ich etliche/ ihn <hi rendition="#aq">realiter</hi> zu widerlegen/ und<lb/>
&#x017F;olche Meynung von &#x017F;ich abzuwenden/ deren aber<lb/>
vielmehr/ die es gern al&#x017F;o ha&#x0364;tten/ wann &#x017F;ie da&#x017F;&#x017F;elbe nur<lb/>
dahin richten ko&#x0364;nten/ daß die Pferde zu die&#x017F;en unter-<lb/>
&#x017F;chiedlichen Bezeigungen gleich ge&#x017F;chickt/ und taug-<lb/>
lich zu machen wa&#x0364;ren.</p><lb/>
              <p>Ob es nun gleich keinem fehlen mo&#x0364;chte/ daß nicht<lb/>
ein jedes Pferd auff das wenig&#x017F;te zu dem er&#x017F;ten Ge-<lb/>
brauch endlich gerathen mu&#x0364;&#x017F;te: &#x017F;o wird es doch zu<lb/>
den folgenden und letzten de&#x017F;to unge&#x017F;chickter &#x017F;eyn/<lb/>
weil die Bezeigungen nicht allein unter&#x017F;chieden/ &#x017F;on-<lb/>
dern auch gantz einander zuwider &#x017F;eyn/ &#x017F;o viel nemlich<lb/>
im Reiten ein Pferd uniret/ im &#x017F;tarcken Ziehen aber<lb/>
dißunirt &#x017F;eyn &#x017F;olle.</p><lb/>
              <p>So kan auch den erfahrnen Liebhabern nicht ver-<lb/>
borgen &#x017F;eyn/ daß unter den&#x017F;elben (auch unter den be-<lb/>
ru&#x0364;hmte&#x017F;ten und erfahrne&#x017F;ten) jederzeit ein immer-<lb/>
wa&#x0364;hrender Streit und Wider&#x017F;prechen gewe&#x017F;en/ und<lb/>
wol weiter verbleiben wird/ welcher die be&#x017F;te Art der<lb/>
Abrichtung habe/ weil hierinnen nach dem alten<lb/>
Sprichwort/ ein jeder Kra&#x0364;mer &#x017F;eine Waare recom-<lb/>
mendiret.</p><lb/>
              <p>Wie nun theils der&#x017F;elben ihre Meynungen mit<lb/>
Vernunffts-Gru&#x0364;nden/ andere aber allein damit be-<lb/><cb/>
haupten mo&#x0364;gen/ oder wollen/ daß &#x017F;ie es nicht be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en/ gelernet oder ge&#x017F;ehen haben/ noch aus eigner<lb/>
Erfindung verbe&#x017F;&#x017F;ern ko&#x0364;nnen/ &#x017F;o mo&#x0364;chte ein begieri-<lb/>
ger Lieb haber einige Prob verlangen/ wodurch er (wo<lb/>
nicht der be&#x017F;ten) wenig&#x017F;tens einer guten Abrichtungs-<lb/>
Art ver&#x017F;ichert/ und in den mei&#x017F;ten Stu&#x0364;cken des rech-<lb/>
ten Wegs oder Art zu der rechten Abrichtung zu<lb/>
kommen/ &#x017F;o viel weniger verfehlen mo&#x0364;ge: welches<lb/>
er unzweifflich erhalten wird/ wie viel er auff die nach-<lb/>
ge&#x017F;etzten Nothwendigkeiten acht haben/ und bey ein-<lb/>
oder der andern Art die Wu&#x0364;rckungen und den Er-<lb/>
folg be&#x017F;&#x017F;er/ leichter und &#x017F;icherer oder mißlicher befin-<lb/>
den wird; und zwar derge&#x017F;talt/</p><lb/>
              <list>
                <item>Daß die&#x017F;elbe 1. durchauß auff die Natur und der-<lb/>
&#x017F;elben Wu&#x0364;rckungen/</item><lb/>
                <item>2. Auff die rechte Vernunfft derge&#x017F;talt gegru&#x0364;ndet<lb/>
&#x017F;ey/ daß der Reuter/ umb all &#x017F;ein Vornehmen/ Thun<lb/>
und La&#x017F;&#x017F;en/ eine gewi&#x017F;&#x017F;e Rai&#x017F;on zu geben wi&#x017F;&#x017F;e/ welche<lb/>
durch keine &#x017F;ta&#x0364;rckere Argumentirung zu widerlegen<lb/>
oder umbzu&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;glich.</item><lb/>
                <item>3. Muß auch bey jedem Vornehmen einiger Be-<lb/>
weiß &#x017F;tehen/ daß &#x017F;olches keinen bo&#x0364;&#x017F;en Aus&#x017F;chlag haben<lb/>
werde/ oder zum wenig&#x017F;ten keinen be&#x017F;&#x017F;ern haben ko&#x0364;n-<lb/>
te/ wann man was anders vorgenommen ha&#x0364;tte.</item><lb/>
                <item>4. Hergegen aber auch eine gleichma&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige unfehl-<lb/>
bare Ur&#x017F;ach/ bey jeder Unterla&#x017F;&#x017F;ung oder Vermei-<lb/>
dung de&#x017F;&#x017F;en/ was andere fu&#x0364;r&#x017F;chlagen und gebrau-<lb/>
chen mo&#x0364;chten/ neben gleichma&#x0364;&#x017F;&#x017F;iger erweißlicher Be-<lb/>
hauptung/ daß auf &#x017F;olchen Fall/ aus &#x017F;olchem ver-<lb/>
worffenem oder vorbeygegangenem Vornehmen/<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H h 3</fw><fw place="bottom" type="catch">nichts</fw><lb/></item>
              </list>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0267] Pferde-Schatz. ſchafften gezieret/ nur daß der Menſch dieſelbe zu dem rechten Gebrauch/ durch ſein fleiſſiges Nachſinnen und Bemuͤhung weiter tuͤchtig mache/ inmaſſen die Menſchen ſelbſt ihr Pfund durch anderer Menſchen Anleitung und Huͤlffe/ zu der rechten Ubung brin- gen muͤſſen/ damit ſie allerſeits/ ihre Zeit/ vielmehr mit nutzlichem Nachſinnen und nothwendigen Hand- lungen/ als verderblichem Muͤſſiggang zu bringen/ unter welchen diejenigen das groͤſte Lob und Ver- dienſt erlangen ſollen/ welche ihre von GOtt erhalte- ne Gaben/ nicht nur ihnen ſelber/ ſondern vornemlich zur Ehr GOttes und des Nechſten Verbeſſerung oder Unterweiſung anwenden/ auch ein und anders Mittel erfinden/ wodurch loͤbliche und Tugendhaffte Wiſſenſchafften derſelben Liebhabern erleichtert und annehmlich gemacht werden moͤchten/ welches nicht beſſer und naͤher getroffen wird/ als wo die Erfinder hierinnen die Anleitung der natuͤrlichen Vernunfft zu Wegweiſern gebrauchen. Deren ſich der in der Reit-Kunſt und Erkaͤntnuͤß der Pferd hochgeſtiegene Pluvinell/ vor vielen andern in ſolcher Wiſſenſchafft meiſterlich bedienet: als er nicht allein/ durch ſein erfundenes zugerichtes Pferd/ der jungen zarten/ unerwachſenen Reuter Jnforma- tion/ ſo ſinnreich unterbauet/ angefangen und fortge- ſetzet/ daß ſie auff demſelben ohne fruͤhzeitige/ oder be- ſchwerliche/ ja unmoͤgliche Anſtreckung ihrer man- gelnden Kraͤfften/ auſſer aller Gefahr/ Schmertzen/ Verdruß/ Schaden oder Hinderung/ einen guten Theil ſolcher hohen Wiſſenſchafft erreichen koͤnnen/ welches ihre Eigenſchafften mit ſolcher Sicherheit/ auff keinem lebendigen Pferd zulaſſen wuͤrden; ſon- dern auch einen ziemlichen Anfang gemachet/ auch den jungen Pferden ihre Jnſtruction gleicher Geſtalt zu erleichtern/ daß dieſelbe ſonder Gefahr und Scha- den/ deſto ehe und beſſer zu der Abrichtung zunehmen waͤren. Ob er nun wol ſolche Jntention/ (aus einer un- wiſſenden Urſach) bey ſeinem Leben/ nicht zu der ver- langten Perfection gebracht/ ſondern nicht weiter darinnen kommen koͤnnen/ als daß er die jungen Pferde/ durch ein oder zwey Bediente/ an einem Pi- ler halten und leiten laſſen: welche Leitung aber noch fuͤr den Unterweiſer und Pferd voll groſſer Difficul- taͤten und Verhinderungen ſtecket; So bleibet ihm doch billich die Ehr und Danck der erſten Grundle- gung und Anweiſung aller der guten Fruͤchte/ ſo durch dieſe hernach beſchriebene inventirte vorthel- haffte Pferds-Leitung an unterſchiedenen Orten be- reits erlanget worden/ und noch weiter zu erhalten ſtehet/ wann vermittelſt derſelben der Reuter und der Pferd Vermoͤgen aͤuſſerſt geſparet/ Gefahr und Schaden verhuͤtet/ Nutz und Ergoͤtzlichkeit aber ver- mercklich vermehret wird/ daß man ſich auch dieſer Art in dem hoͤchſten Alter/ mit ſchlechter Muͤhe ge- brauchen kan. CAmerarius ſagt von den Teutſchen/ und der- ſelben Pferden/ ſie gebrauchten ſich ihrer Pfer- de/ wie des Delphiſchen Schwerdts/ denn ſie ſpannen dieſelbe bald vor den Holtz-Wagen oder Ca- ret/ bald muß das Pferd zur Reiſe fertig ſeyn/ bald zur Kriegs-Action: welches wol etwas ſcharff geredet/ und von ihm zu verantworten ſtehet. Gleichwol be- muͤhen ſich etliche/ ihn realiter zu widerlegen/ und ſolche Meynung von ſich abzuwenden/ deren aber vielmehr/ die es gern alſo haͤtten/ wann ſie daſſelbe nur dahin richten koͤnten/ daß die Pferde zu dieſen unter- ſchiedlichen Bezeigungen gleich geſchickt/ und taug- lich zu machen waͤren. Ob es nun gleich keinem fehlen moͤchte/ daß nicht ein jedes Pferd auff das wenigſte zu dem erſten Ge- brauch endlich gerathen muͤſte: ſo wird es doch zu den folgenden und letzten deſto ungeſchickter ſeyn/ weil die Bezeigungen nicht allein unterſchieden/ ſon- dern auch gantz einander zuwider ſeyn/ ſo viel nemlich im Reiten ein Pferd uniret/ im ſtarcken Ziehen aber dißunirt ſeyn ſolle. So kan auch den erfahrnen Liebhabern nicht ver- borgen ſeyn/ daß unter denſelben (auch unter den be- ruͤhmteſten und erfahrneſten) jederzeit ein immer- waͤhrender Streit und Widerſprechen geweſen/ und wol weiter verbleiben wird/ welcher die beſte Art der Abrichtung habe/ weil hierinnen nach dem alten Sprichwort/ ein jeder Kraͤmer ſeine Waare recom- mendiret. Wie nun theils derſelben ihre Meynungen mit Vernunffts-Gruͤnden/ andere aber allein damit be- haupten moͤgen/ oder wollen/ daß ſie es nicht beſſer wiſſen/ gelernet oder geſehen haben/ noch aus eigner Erfindung verbeſſern koͤnnen/ ſo moͤchte ein begieri- ger Lieb haber einige Prob verlangen/ wodurch er (wo nicht der beſten) wenigſtens einer guten Abrichtungs- Art verſichert/ und in den meiſten Stuͤcken des rech- ten Wegs oder Art zu der rechten Abrichtung zu kommen/ ſo viel weniger verfehlen moͤge: welches er unzweifflich erhalten wird/ wie viel er auff die nach- geſetzten Nothwendigkeiten acht haben/ und bey ein- oder der andern Art die Wuͤrckungen und den Er- folg beſſer/ leichter und ſicherer oder mißlicher befin- den wird; und zwar dergeſtalt/ Daß dieſelbe 1. durchauß auff die Natur und der- ſelben Wuͤrckungen/ 2. Auff die rechte Vernunfft dergeſtalt gegruͤndet ſey/ daß der Reuter/ umb all ſein Vornehmen/ Thun und Laſſen/ eine gewiſſe Raiſon zu geben wiſſe/ welche durch keine ſtaͤrckere Argumentirung zu widerlegen oder umbzuſtoſſen moͤglich. 3. Muß auch bey jedem Vornehmen einiger Be- weiß ſtehen/ daß ſolches keinen boͤſen Ausſchlag haben werde/ oder zum wenigſten keinen beſſern haben koͤn- te/ wann man was anders vorgenommen haͤtte. 4. Hergegen aber auch eine gleichmaͤſſige unfehl- bare Urſach/ bey jeder Unterlaſſung oder Vermei- dung deſſen/ was andere fuͤrſchlagen und gebrau- chen moͤchten/ neben gleichmaͤſſiger erweißlicher Be- hauptung/ daß auf ſolchen Fall/ aus ſolchem ver- worffenem oder vorbeygegangenem Vornehmen/ nichts H h 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/267
Zitationshilfe: Pinter von der Au, Johann Christoph: Neuer, vollkommener, verbesserter und ergänzter Pferd-Schatz. Frankfurt (Main), 1688, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pinter_pferdschatz_1688/267>, abgerufen am 24.11.2024.